Sängerin Graziella Schazad besucht Kinderstadt in Bargfeld-Stegen. 230 Mädchen und Jungen sind beim Projekt dabei

Bargfeld-Stegen. In der Gemeinde Bargfeld-Stegen herrscht noch Ruhe vor dem Sturm. Ein einsames Schaf döst auf einer der zahlreichen Weiden. In wenigen Wochen stürmen 230 Kinder das 2800-Einwohner-Dorf. In der ersten Sommerferienwoche, vom 3. bis 7. Juli, regieren sie in der Kinderstadt Stormini rund um die Bargfelder Grundschule Alte Alster. Auf rund 20 000 Quadratmetern schlagen sie dann ihre Zelte auf.

Zum vierten Mal lernen Stormarner Mädchen und Jungen im Alter zwischen neun und 13 Jahren in dieser Mini-Stadt, wie Demokratie funktioniert. Das vom Kreis und dem Kreisjugendring (KJR) Stormarn initiierte Projekt bietet ihnen die Möglichkeit, das kommunale Leben mit seinen politischen, ökonomischen und kulturellen Strukturen selbst zu gestalten.

Erstmals müssen die Bewohner auch Steuern zahlen

Stargast in der Zeltstadt wird in diesem Jahr die Hamburger Sängerin Graziella Schazad sein. Mit ihrer weichen Stimme und der unkonventionellen Art des Gitarren- und Geigenspiels erobert die 27-Jährige als "Best Newcomer 2011" gerade die deutschen Bühnen. "Sechs oder sieben Stormini-Bürger werden sie als Band am VIP-Tag musikalisch begleiten, eine weitere Kindergruppe hat sich zuvor um das Veranstaltungsmanagement des Konzerts gekümmert", sagte Ansgar Büter-Menke, Stormini-Koordinator und Bildungsreferent beim KJR, als er das Konzept in Bargfeld vorstellte.

"Es wird ein Rathaus geben, Politiker, eine Arbeitsagentur, eine Bank, eine Post und etliches mehr", so Büter-Menke. "Thematische Schwerpunkte 2011 sind Nachhaltigkeit und Zukunft. Die Kinder erstellen im Laufe der Woche Modelle davon, wie sie sich ihre Stadt im Jahr 2050 vorstellen."

230 Betreuer, davon zwei Drittel aus Bargfeld-Stegen und Umgebung, helfen den jungen Bürgern beim Planspiel. Nach dem pädagogischen Leitsatz "Hilf mir, es selbst zu tun!" packen sie beim Aufbau der Zeltstadt mit an, gestalten Freizeitaktivitäten oder assistieren bei Arbeitseinsätzen.

In einem Vier-Stunden-Tag müssen die Kinder ihre Muschel-Stormis, die Währung der fiktiven Stadt, selbst verdienen. In diesem Jahr stehen ihnen dafür 70 verschiedene Berufe zur Auswahl - vom Apotheker über den Flugzeugbauer und Ökologen bis hin zum Suchtberater und Zukunftsforscher. Insgesamt 41 Partner aus der Wirtschaft und Verwaltung konnten die Veranstalter für die Betreuung der Arbeitsplätze gewinnen.

Das 70 000 Euro teure Projekt wird von der Sparkasse Holstein, der Sparkassen-Stiftung Stormarn, der Bürger-Stiftung Stormarn, der Kreishandwerkerschaft Stormarn sowie den Aktivregionen Alsterland und Holsteins Herz gefördert. Zum ersten Mal bleibt dem Nachwuchs die Steuerpflicht eines Staatsbürgers nicht erspart. "Neu ist das Engagement von Auszubildenden des Stormarner Finanzamts", sagt Büter-Menke, "sie haben das erste Steuersystem für Stormini entwickelt."

Einen Teil ihres Verdienstes spenden die Kinder an "Schulen für Afrika"

Ein Fünftel des Arbeitslohns wird vom Finanzamt eingezogen. Aus dem Steuertopf werden Lohnfortzahlungen im Krankheitsfall und Arbeitslosengeld bestritten. Über die weitere Verwendung entscheidet das Parlament. Damit die Bürger jederzeit über ihre Muscheln verfügen können, gibt es den ersten Stormini-Bankomat, entwickelt von Auszubildenden der Sparkasse Holstein.

Einen Teil ihrer Stormis spenden die Teilnehmer für gute Zwecke. Im vergangenen Jahr kamen 1000 Stormis zusammen. Das entsprach 500 Euro, die der Initiative "Schulen für Afrika" zukamen. Sie soll auch in diesem Jahr unterstützt werden. Peter Krämer, Hamburger Reeder und Gründer der Unicef-Aktion, begrüßt das Engagement der Kinder. "Die Stormini-Idee geht weit über den Kreis hinaus", sagte er gestern. "Sie vermittelt Kindern das Gefühl, eine Welt zu werden. Bildung ist der Schlüssel für Zukunft."