Angst der Verbraucher vor Infektion mit EHEC-Bakterien führt zu massiven Umsatzeinbußen bei Stormarner Landwirten

Ahrensburg. Die Gemüsebauern in Stormarn sind verunsichert. Seitdem das Robert-Koch-Institut vor dem Verzehr von Blattsalaten, Gurken und Tomaten aus Norddeutschland warnt, herrscht bei den Bauern im Kreis die große Sorge, auch sie könnten verunreinigte Ware verkauft haben. Zudem rechnen die Landwirte mit massiven Umsatzeinbußen.

"Eigentlich nimmt der Großhandel die Hälfte unseres Salats ab", sagt Georg Lutz, Pächter des Gutes Wulfsdorf. "Nun hat er die Bestellung ausgesetzt." An den Marktständen sei es ebenfalls ruhiger geworden. Er rechnet mit einem Verlust von bis zu 3000 Euro pro Woche - und das nur bei Salat. "Wenn sich eine allgemeine Zurückhaltung im Frischebereich entwickelt, ist der Verlust natürlich höher." Nun würden sie Salate unterpflügen und gar nicht erst alle ernten. Lagern, bis die Ursache geklärt ist, könne man sie ja nicht. Die Bioszene habe wegen EHEC schon mal Schaden erlitten. "Vor ungefähr 15 Jahren wurde Rohmilch von einem gesunden Produkt zu etwas Riskantem", sagt er. Der Verkauf sei extrem zurück gegangen. "Auf dem Level ist es geblieben. Daran zeigt sich die Dimension. Es kann ein nachhaltiger Schaden entstehen."

Die Panik der Verbraucher könne er verstehen, auch wenn er Salat als Ursache für die EHEC-Infektionen für nicht plausibel hält. Um sicher zu gehen, hat er trotzdem Proben entnehmen lassen und an ein Labor geschickt. Nun wartet er auf das Ergebnis.

Ob Stormarner Bauern tatsächlich betroffen sind, können die Mitarbeiter des Kreisveterinäramtes erst in den nächsten Tagen sagen. "Seit einer Woche kontrollieren wir Betriebe", sagt Dr. Paul-Gerhard Domke, Leiter des Fachdienstes Veterinärwesen und Lebensmittelüberwachung in der Kreisverwaltung. Vier Lebensmittelkontrolleure nehmen derzeit auf den Bauernhöfen und bei Gemüsehändlern Proben. "Vier Betriebe haben wir schon besucht. Die Proben haben wir anschließend ins Landeslabor nach Kiel geschickt", sagt Domke.

Die Lebensmittelkontrolleure arbeiten bei der Suche nach einer möglichen Ansteckungsquelle eng mit den Mitarbeitern des Gesundheitsamtes zusammen. Andreas Musiol, Leiter dieses Fachbereichs sagt: "Wir befragen derzeit die erkrankten Menschen, was sie die Tage vor Ausbruch der Krankheit gegessen haben." Dies sei laut Musiol sehr schwierig, weil die Betroffenen auch erinnern müssen, wo sie das Essen gekauft haben. Die Verwaltungsmitarbeiter vesuchen, mit den Erkenntnissen der Befragten die Herkunft der mutmaßlich mit EHEC-Bakterien verseuchten Lebensmittel zu ermitteln.

"Natürlich haben wir zuerst Stormarner Betriebe kontrolliert, die Freilandgemüse im Kreis anbauen und ihre Felder zuvor mit Mist oder Gülle gedüngt haben", sagt Paul-Gerhard Domke. Weil Rinder das Hauptreservoir des EHEC- Erregers sind, gehen Experten davon aus, dass mit dem natürlichen Dünger die Darmbakterien auf die Felder gelangten.

Obwohl die Ergebnisse der Lebensmittelkontrollen in Stormarn noch ausstehen, geht das Kieler Landwirtschaftsministerium davon aus, dass in Schleswig-Holstein geerntetes Gemüse nicht die Quelle der EHEC-Infektionswelle sei. In der Begründung heißt es unter anderem: Das heimische Gemüse sei bisher nur in geringen Mengen in den Handel gelangt. Die Behörden in Hamburg haben gestern Mittag sogar verkündet, die Quelle gefunden zu haben. Das Hygiene-Institut habe den aggressiven Durchfallkeim an drei aus Spanien importierten Gurken gefunden sowie an einer Bio-Gurke, deren Herkunft noch nicht bekannt sei. "Es ist aber nicht auszuschließen, dass auch andere Lebensmittel als Infektionsquelle in Frage kommen", sagte Hamburgs Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD).

Wissenschaftlern des Uni-Klinikums Münster ist es indes Mittwochabend gelungen, den gefährlichen EHEC-Typ zu identifizieren ("HUSEC 41" des Sequenztyps ST678). Dieser Typ sei besonders resistent und könne beispielsweise nicht mit Penicillin behandelt werden.

In Stormarn haben sich bisher 27 Menschen mit dem EHEC-Erreger infiziert. Bei elf weiteren Männern und Frauen besteht der Verdacht. Das Reinbeker Krankenhaus St. Adolf-Stift hat gestern drei Menschen entlassen, die sich mit dem Erreger angesteckt hatten. Sie müssen sicherheitshalber noch jeden Tag zur Blutkontrolle kommen. Denn entwickelt sich ein hämolytisch-urämisches Syndrom (HUS), wird es für die Patienten gefährlich. Nierenversagen und Hirnstörungen sind die Folge.

Zwei Patienten mussten mit dieser Folgekrankheit ins Universitätsklinikum nach Hamburg-Eppendorf verlegt werden. Auch die Brüder Johannes und Maximilian Lucka aus Hoisdorf werden derzeit dort behandelt. Sie hatten vor zehn Tagen im Ahrensburger Indoo-Spielwerk getobt und plötzlich über Bauschmerzen geklagt. Ihr Zustand verschlechterte sich, bis sie eine knappe Woche später mit schweren Symptomen ins UKE gebracht wurden. "Wir haben von diesem Vorfall nichts gemerkt, die Familie hat uns auch nicht informiert", sagt Indoo-Geschäftsführer Jens Eickmeier. Er betont: "Die Inkubationszeit beträgt mehrere Tage. Es ist also vollkommen ausgeschlossen, dass sich die Jungen bei uns angesteckt haben." Alle Geräte würden ohnehin jeden Tag desinfiziert.

Die Gesundheitsbehörden im Kreis ermitteln jetzt auch Personen, die in Kontakt mit Infizierten gekommen sind. Andreas Musiol: "Diese Menschen werden dann aufgefordert eine Stuhlprobe abzugeben."