Stadtverordnete stimmen nach erbitterter Debatte mit knapper Mehrheit für die Planung der Entlastungsstraße

Ahrensburg. Für die einen ist es eine Straße, die Ahrensburg dringend benötigt. Die anderen sprechen davon, dass sie viel koste, aber nur Nachteile mit sich bringe. Seit Montagabend ist klar: Die Entlastungsstraße Nord-Ost - vom Volksmund Nordtangente genannt - soll kommen. Sie soll den Kornkamp mit der B 75 nördlich von Ahrensburg verbinden. Die Stadtverordneten haben mit einer Drei-Stimmen-Mehrheit beschlossen, ein formales Planfeststellungsverfahren für das Sechs-Millionen-Euro-Projekt einzuleiten. Es soll bis spätestens Ende des Jahres 2013 abgeschlossen sein - weil die Stadt dann bis zu vier Millionen Euro Zuschuss nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz bekommen könnte. Nach den Worten des Bürgermeisters Michael Sarach wird die Planung etwa 250 000 Euro kosten.

Grüne, Wählergemeinschaft WAB, die FDP-Stadtverordnete Marion Clasen sowie die CDU-Mitglieder Martina Strunk und Roland Wilde stimmten gegen das Projekt. Der Rest der christdemokratischen Fraktion votierte dafür, ebenso die geschlossene SPD und der Fraktionslose Steffen Rotermundt.

Der Abstimmung vorangegangen war eine Debatte von ungewöhnlicher Schärfe. Aufgeheizt die Stimmung auch in den Zuschauerreihen: Auf der einen Seite die Vertreter der Interessengemeinschaft Ahrensburg Nord-Ost, die sich vom Bau einer Nordtangente eine Verkehrsberuhigung vor ihren Häusern an der Lübecker Straße versprechen. Auf der anderen die der Interessengemeinschaft Gartenholz, die genau diesen Verkehr - schätzungsweise 8000 Autos pro Tag - künftig hinter ihren Häusern befürchten. Die Luft war stickig, die große Reithalle des Marstalls viel zu klein für alle Zuschauer. Und als sie die ihnen jeweils genehmen Redebeiträge der Politiker lautstark mit Applaus bedachten, drohte Bürgervorsteher Werner Bandick (CDU): "Ich lasse gleich den Saal räumen."

Bürgermeister Michael Sarach, der als Erster das Wort ergriff, sprach von einem Thema, das in hohem Maße emotionalisiere. Und ermahnte Politiker wie Besucher: "Ich bitte darum, den Stil zu wahren. Ahrensburg ist nicht irgendein Kuhdorf, Ahrensburg ist eine Stadt. Und das sollte auch nach außen getragen werden."

Am Bau der Nordtangente führe nichts vorbei, so Sarach. "Die Straße hat Signalwirkung. Ich spreche vom Herzen der Stadt, davon, wovon diese Stadt lebt. Von der Wirtschaft nämlich." Bei seinen Besuchen in rund 100 Unternehmen habe er erlebt, dass rund zwei Drittel der Firmenchefs nicht mehr verstünden, was die Ahrensburger Politik eigentlich mache. Die diskutiert seit sechs Jahren über die Nordtangente. "Die Firmen drohen nicht, dass sie wegziehen", so Sarach, "das geht anders. Wir werden irgendwann von unternehmerischen Entscheidungen unterrichtet und haben sie zu schlucken."

Grünen-Vizefraktionschef Jörg Hansen sieht dagegen keinen Zusammenhang zwischen der Abwanderung von Firmen und der Nordtangente. "Kein Betrieb hat Ahrensburg verlassen, weil er nicht gut genug an Delingsdorf oder Bargteheide angebunden war." Er sprach von einer "Straße auf Pump", das Geld dafür gepumpt von denen, deren Kitagebühren am selben Tag erhöht wurden. "Das ist finanzpolitisch Harakiri."

Hansen kritisierte ebenso wie WAB-Fraktionschef Hinrich Schmick das Gutachten, das die Nordtangente als einzige von elf untersuchten Entlastungsstraßen in der Ahrensburger Peripherie empfohlen hatte: "Schöngerechnet", so Hansens Urteil. Weil eine Verkehrsberuhigung der Lübecker Straße angenommen werde, die noch nicht sicher sei. "Falscher Auftrag an die Gutachter", so Schmick. Sie hätten seiner Ansicht nach zwischen Spitzenwerten und durchschnittlicher Verkehrsbelastungen unterscheiden müssen. Schmick: "Auf der Lübecker Straße ist nur von fünf vor acht bis zehn nach acht dichter Verkehr." Und die FDP-Stadtverordnete Clasen sagte: "So werden die Verkehrsprobleme der Stadt nicht gelöst, sondern nur verlagert."

Auf der anderen Seite die große Koalition für die Straße. SPD-Bauexperte Rafael Haase sagte, die Stadt lebe von den Gewerbesteuern und müsse nun einen Schritt vorankommen. Und er betonte, dass an jenem Montagabend nicht der Straßenverlauf zementiert, sondern vielmehr lediglich mit der Planung begonnen werde. "Ein Planfeststellungsverfahren liefert überhaupt erst Fakten", so Haase. "Wir beschließen nicht die Trasse, wir beschließen lediglich einen höheren Erkenntniswert." Noch sei überhaupt nichts entschieden, sagte auch CDU-Fraktionschef Tobias Koch. Allerdings wolle die CDU die Nordtangente. Die dürfe nicht für sich allein betrachtet werden. "Sie ist Teil einer großen Vision", sagte der CDU-Fraktionschef. Eines Tages werde auch die Zeit für eine Südtangente gekommen sein. "Aber das übersteigt unsere Möglichkeiten. Dafür brauchen wir die Hilfe Schleswig-Holsteins, Hamburgs und auch des Bundes."

Erleichterung beim Bürgermeister am Tag nach der Entscheidung. "Ich bin froh, dass dieser Beschluss so zustande gekommen ist", sagte er. Und zeigte auch Verständnis für die Bewohner des Stadtteils Gartenholz: "Natürlich sind Menschen betroffen. Aber das ist immer so, wenn sich Dinge weiterentwickeln." Er ist zuversichtlich, dass das Planfeststellungsverfahren bis Ende 2013 abgeschlossen sein wird. Baubeginn: frühestens Anfang 2014.