Was bedeutet die drohende Haushaltsnotlage für die Bürger in Stormarn?

Ahrensburg. In Schleswig-Holstein droht eine Haushaltsnotlage. Das hat der Stabilitätsrat am Montag festgestellt. Er hat die Aufgabe, die Haushalte des Bundes und der Länder zu überwachen. Mit Hilfe von vier Kennziffern sollen Notlagen im Vorfeld erkannt werden, um rechtzeitig Gegenmaßnahmen ergreifen zu können. Den Rat gibt es erst seit dem vergangenen Jahr. Mitglieder sind der Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und alle Länderfinanzminister. Das Abendblatt beantwortet die wichtigsten Fragen zu der Entscheidung des Stabilitätsrats.

Wie schlecht ist die finanzielle Situation Schleswig-Holsteins?

Das Land hat 27 Milliarden Euro Schulden. Jahr für Jahr kommen neue Kredite hinzu - trotz des Sparkurses der schwarz-gelben Landesregierung. Bis zum Jahr 2020 wird der Schuldenberg laut Landesrechnungshof auf 36 Milliarden Euro wachsen. Erst danach soll die Verschuldung wieder sinken - so der Plan des Finanzministers Rainer Wiegard (CDU).

Warum attestiert der Stabilitätsrat dem Land die drohende Haushaltsnotlage?

Unter anderem wegen der Verschuldung. Sie überschreitet den Durchschnittswert aller Bundesländer deutlich. 2010 hatte Schleswig-Holstein pro Einwohner 9105 Euro Schulden, der Durchschnitt lag bei 6587 Euro, der laut Stabilitätsrat bedenkliche Schwellenwert bei 8563 Euro. Für das Jahr 2014 rechnet man in Schleswig-Holstein mit 10 880 Euro Schulden, der Schwellenwert beträgt dann 9363 Euro.

Was muss Schleswig-Holstein tun, um die Haushaltsnotlage abzuwenden?

Der Stabilitätsrat macht dazu keine Vorschriften. Er gibt aber Empfehlungen ab. Im Fall Schleswig-Holstein stellt er fest, dass über die bereits im Doppelhaushalt 2011/2012 festgeschriebenen Sanierungsbemühungen hinaus "weitere Anstrengungen in den folgenden Jahren erforderlich" seien. Diese sollten in einem "Sanierungsprogramm" festgehalten werden, das die Maßnahmen bis 2015 beschreibt.

Warum reichen die derzeitigen Sparbemühungen nicht aus?

Laut Finanzplanung spart das Land 2011 rund 16,2 Millionen Euro und 2012 rund 175 Millionen Euro ein. 2013 und 2014 sinkt diese Summe aber wieder - erst auf 138, dann auf 110 Millionen Euro. Das strukturelle Defizit - also das Haushaltsloch, das mit Krediten gestopft werden muss - liegt laut Landesrechnungshof bei 1,32 Milliarden Euro. Dieser Betrag muss bis 2020 auf Null reduziert werden, denn dann greift die Schuldenbremse - also die Verpflichtung, keine neuen Schulden mehr aufzunehmen. Um dieses Ziel zu erreichen, muss das Land Jahr für Jahr 132 Millionen Euro einsparen. Für die Jahre von 2011 bis 2014 liegt der Schnitt aber nur bei 110 Millionen Euro. Der Stabilitätsrat bemängelt außerdem, dass zwei Drittel der Haushaltsverbesserungen nicht etwa durch Kürzung von Ausgaben zusammenkommen, sondern durch Erhöhung von Einnahmen. Mit anderen Worten: Das Land spart nicht, indem es spart, sondern indem es bei den Bürgern abkassiert.

Wo wird das Land jetzt Geld streichen?

Das Sanierungsprogramm muss im November vorliegen. Die CDU-Landtagsfraktion will nach Angaben ihres finanzpolitischen Sprechers Tobias Koch bis dahin ein Sparkonzept erarbeiten. "Wir sind entschlossen, mit festen Eckpunkten in die Wahl zu gehen", sagt Koch mit Blick auf den Landtagswahltermin im Mai 2012. "Bei den Steuererhöhungen haben wir unsere Möglichkeiten ausgeschöpft. Jetzt müssen wir an die Ausgaben ran." Im Landesdienst müssten mehr Stellen als bisher geplant gestrichen werden. Der Landesrechnungshof hat jüngst unter anderem empfohlen, das Landesblindengeld komplett zu streichen. Damit könnten 7,8 Millionen Euro gespart werden. Bemängelt wurde außerdem, dass das Universitätsklinikum Schleswig-Holstein seinen Personaletat im Jahr 2009 um 27,4 Millionen Euro überzogen hat.

Was bedeutet die Haushaltsnotlage des Landes für die Kommunen?

Sie sind nicht direkt betroffen. Allerdings gibt es vielfältige Finanzbeziehungen zwischen dem Land und den Kommunen. Städtebauförderung, Schulbauprogramme, Naturschutzmaßnahmen: In vielen Bereichen gibt es die sogenannte "Drittelfinanzierung". Bund, Land und Kommunen teilen sich dabei die Kosten. Streicht das Land seinen Anteil, müssen Kommunen tiefer in die Tasche greifen.