1800 Zuhörer ziehen bei der Ahrensburger Musiknacht von Konzert zu Konzert. Nicht nur Sängerin Bet Williams verteilt Komplimente ans Publikum

Ahrensburg. Applaus für die Künstler, Komplimente fürs Publikum. "In Ahrensburg sind unheimlich viele nette Leute unterwegs", sagt die Sängerin Bet Williams zum Abschluss ihres Konzerts in der Haspa-Filiale. Dann wird die temperamentvolle Amerikanerin mit der blonden Lockenmähne, die seit Kurzem in Berlin lebt, ein wenig nachdenklich. "Vielleicht sollte ich nach Hamburg ziehen", meint sie. "Oder am besten gleich nach Ahrensburg", ruft ihr eine begeisterte Zuhörerin zu.

Die Stimmung ist ausgelassen bei der fünften Ahrensburger Musiknacht.

1800 Musikfans ziehen in einer fast schon lauen Sommernacht zu den 18 Veranstaltungsorten, von der Holzhandlung über den Altentreff bis zum Fitnessstudio. 24 Bands und Solokünstler spielen Jazz, Soul, Blues, Folk, Country, Rock, Pop und Ska. Kaum eine Stilrichtung ist nicht vertreten.

Ungewohnt lässig tritt Reinhold Beckmann auf die improvisierte Bühne im Holzland Wulf. Mit Dreitagebart, verwuscheltem Haar und einem bis zu den Ellenbogen hochgekrempelten Jeanshemd. "Guten Abend Ahrensburg", ruft er in die überfüllte Halle. Wo sonst Spanplatten, Holzlatten, -leisten, -pfähle und Gartenzäune lagern, drängen sich rund 500 Musikfans dicht an dicht, um den ARD-Mann auf ungewohntem Terrain zu sehen - und vor allem zu hören.

"Das ist ja pickepacke voll hier", sagte Beckmann und entschuldigt sich, ohne seine Band gekommen zu sein. Gunter Gabriel habe mit einem Geldkoffer gewunken, und schon seien seine Mitmusiker über alle Berge gewesen. So greift er allein seine Gitarre, setzt sich auf einen Hocker. Die ersten ruhigen Klänge des Singer-Songwriter-Stücks "Was machst du, wenn das Licht ausgeht" ertönen. Dann, nach und nach, klettern Jan-Peter Klöpfel (Klavier und Trompete), Andreas Dopp (Gitarre), Thomas Biller (Bass) und Helge Zumdieck (Schlagzeug) auf die Bühne.

Zwischen sentimentalen, gefühlvoll gesungenen Jazz-Balladen und Rumba ähnlichen Songs mit provokanten Texten erzählt der Moderator - der besser singt, als viele dachten - frei von der Leber weg - auch von seiner ersten Liebe: Charlotte, die Fleischersfrau, die immer eine Scheibe Schinkenwurst für ihn hatte. "Eine Liebeserklärung, streichzart wie Leberwurst", kündigt er das wohl nicht ganz erst gemeinte Stück an und erntet schon vor den ersten Zeilen amüsierte Lacher aus dem Publikum.

Mäßig amüsante Töne mit einem Humor, der nicht selten bis weit unter die Gürtellinie geht, scheppern derweil zwei Kilometer weiter über die Boxen in den Garten der Parkklinik Manhagen. Gunter Gabriel hat sich seine Gitarre geschnappt - "ein Instrument, das man wie eine Frau behandeln muss", raunt er ins Mikrofon.

Zwischen seinen Songs, natürlich darf "Hey Boss, ich brauch mehr Geld" ebenso wenig fehlen wie das Jonny-Cash-Cover "Ein Junge namens Susie", hangelt sich der Skandalrocker von einem verbalen Ausreißer zum nächsten. Dem Publikum aber gefällt's. "Na, ich muss das doch machen, damit die alten Säcke hier wieder ein bisschen in Bewegung kommen", gröhlt er ins Mikro und winkt Richtung Balkon, auf dem die älteren Semester Platz genommen haben. Und während der eine fleißig Gabriels Schimpfwörter zählt, ein anderer kopfschüttelnd lacht, rocken die mit, die es noch können. Und so manch einer hat es sich sogar auf der Wiese unter einem Baum gemütlich gemacht. Festival-Stimmung. Mit Bierbecher und Zigarettenkippen im Klinikgras. Und immerhin 150 Zuschauern.

Nur unbedeutend weniger Musikfans drängen sich einige Minuten später in der Innenstadt in die Filiale der Sparkasse Holstein. Fünf Stormarner Jungs spielen dort. Viele kennen sie noch unter dem Bandnahmen Format, Finalisten im Nachwuchswettbewerb MusicStorm. Mit ihren hintergründigen und nachdenklichen Texten in deutscher Sprache und der dunklen, markanten Stimme von Sänger Bertram Ulrich haben sie das Publikum schnell auf ihrer Seite. Es wird mitgesungen, mitgeklatscht, mitgeschnippt. Selten haben die Fünf zuvor in so einer Atmosphäre gespielt. "Einfach genial, richtig gut", sagt Sänger Bertram Ulrich lachend ins Mikro.

Die geforderte Zugabe aber können sie nicht spielen. Die 18-jährige Lela Johns aus Bad Oldesloe wartet schon nervös auf ihren Auftritt. Im Gepäck: ihr E-Piano und ihre gefühlvollen Balladen, mit denen sie im vergangenen Jahr das Ahrensburger Publikum vor dem Schloss begeisterte und beim MusicStorm-Contest gewann. Und während Lela stimmgewaltig ihre selbst geschriebenen Pop-Songs singt und es allein auf der Bühne schafft, ihr Publikum zu verzaubern, bringt DaSKArtell im Maredo die Gäste zum Tanzen.

Die siebenköpfige Ska-Band mit Musikern aus Hamburg, Wismar und Lübeck spielt HipHop, Jazz, Punkrock, Rocksteady und Reggae, bis auch das Publikum schwitzt.

Die Stimmung ist gut, wie auch im Peter-Rantzau-Haus. Im Altentreff spielt die Kopenhagener Band von Thorbjörn Risager - sogar gleich vier statt der vorgesehenen zwei Stunden.

Richtig lang aber wird die Nacht im Park Hotel, in dem die After-Show-Party mit den Stimulators ausklingt. Auch Organisatorin Felizitas Thunecke feiert bis früh in den Morgen. "Weil die Stimmung so riesig ist", sagt sie. Es ist halb sechs Uhr morgens, als sie endlich ins Bett fällt. Glücklich und geschafft. Der Tag war lang, sehr lang. Doch es habe sich gelohnt: "Überall war die Stimmung super, alle Locations waren gut besucht, und alles hatte seinen Platz."

Eine sechste Ahrensburger Musiknacht werde es auf jeden Fall geben. Mit den Planungen würde es auch schon losgehen. "Nach der Musiknacht ist vor der Musiknacht", sagt sie. Und einige der Musiker würden sicher auch im nächsten Jahr wieder mit dabei sein. "Es wollen unglaublich viele. Aber für nächstes Jahr müssen wir natürlich auch wieder was Neues und ganz anderes dabei haben. Mal sehen."