Mehr als 200 Einkaufswagen haben Unbekannte im Süden Schleswig-Holsteins bereit gestohlen. Stahldiebe oder Auftragsraub?

Reinbek. Ob sich mit Einkaufswagen eine goldene Nase verdienen lässt, ist eine Frage, mit der sich derzeit die für Stormarn zuständige Polizeidirektion Ratzeburg beschäftigen muss. Denn in den vergangenen Wochen haben Diebe gleich dreimal Einkaufswagen im großen Stil vor Supermärkten in Südstormarn und im Kreis Herzogtum Lauenburg abtransportiert. Insgesamt 218 der fahrbaren Stahlkörbe sind verschwunden - 72 davon auf dem Gelände des Famila-Marktes an der Liebigstraße in Reinbek in der Nacht vom 11. auf den 12. Mai, weitere 84 eine Nacht darauf beim Aldi-Markt an der Sachsenwaldstraße. Die Polizei steht vor einem Rätsel. Denn diese Art des Diebstahls - vor allem in der Masse - sei neu.

"Bisher ist es ein Phänomen, das nur im Süden von Schleswig-Holstein aufgetreten ist", sagte Polizeisprecher Andreas Dirscherl. Über die Beweggründe können die Beamten derzeit nur spekulieren. Möglich sei, dass der Diebstahl mit den steigenden Stahlpreisen zusammenhänge. "Das ist aber lediglich eine Vermutung", sagte Dirscherl.

Auch Christopher Moses vom Recyclingunternehmen Borowski & Hopp in Bad Oldesloe kann sich vorstellen, dass dies eine neue Masche sei, um an Stahl heranzukommen. "Der Preis ist momentan wieder sehr hoch", so Moses. Allerdings sei der Aufwand, Einkaufskörbe zu recyceln, ebenfalls sehr hoch und deswegen wohl wenig lukrativ. Die Körbe müssten geschreddert werden - etwa bei der Lübecker Schrotthandel GmbH. Sie ist eins der wenigen Unternehmen im Norden, die eine Schredderanlage für Metallschrott haben. Anschließend müssten die Metallstifte in einem Stahlwerk eingeschmolzen werden. Moses schätzt, dass mit dem Material eines Einkaufswagens lediglich ein Preis von fünf Euro zu erzielen sei.

Eine weitere Spekulation der Polizei ist, dass die Diebe die Warenkörbe an einen anderen Supermarkt verkaufen könnten. Matthias Mengel von der Bundespolizei Bad Bramstedt hält es für möglich, dass es sich um einen Auftragsdiebstahl handelt. "Das kommt in anderen Bereichen, etwa bei Autos, immer wieder vor." Laut der Metallwarenfabrik Wanzl, dem größten Hersteller von Einkaufswagen, kosten die fahrbaren Körbe im Einkauf rund 100 Euro. "Aufgrund der höheren Stahlpreise sind die Kosten zuletzt aber leicht gestiegen", so ein Unternehmenssprecher.

Derzeit prüften die Beamten in Ratzeburg, ob es einen Zusammenhang mit dem ersten Fall an einem Aldi-Markt in Börnsen (Herzogtum Lauenburg) vor gut zwei Wochen gibt. Von einer Bande zu sprechen, sei noch reine Spekulation, sagte Polizeisprecher Andreas Dirscherl. Er vermutet, dass die Körbe aufgrund ihres Gewichts mit einem Lastwagen abtransportiert wurden. Immerhin: Ein Wagen wiegt zwischen 20 und 30 Kilogramm. "Das Problem ist, dass Großmärkte vor allem nachts beliefert werden. Ein Lkw fällt kaum auf", so Dirscherl. Die Beamten hoffen nun auf Zeugen. Denn der Schaden für die betroffenen Märkte beläuft sich auf mehr als 60 000 Euro.

Der Famila-Markt in Reinbek überlegt, wie er die Wagen künftig sichern kann. Denn die Stahlketten, mit denen die Körbe verschlossen waren, wurden feinsäuberlich - vermutlich mit einer Flex - durchgetrennt.

Hinweise nimmt die Polizei in Reinbek entgegen, unter der Telefonnummer 040/727 70 70.