In einem Trittauer Stall leben die Tiere in einer 40-köpfigen Herde. Sie können selbst entscheiden, wo sie herumlaufen und wann sie essen

Trittau. Wenn Tanja Förster-Jepsen einen Gedanken hat, schläft ihr Mann eine Nacht schlecht. Und am nächsten Morgen denkt er den Gedanken weiter. So werden Probleme gelöst bei Jepsens, so ist auch die Sache mit den Lichtschranken und den Transpondern entstanden.

Aber bevor Olaf Jepsen die erklärt, muss man erst mal wissen, worum es hier geht: um Pferde. Die leben im Aktivstall Trittau ein bisschen so, wie das ursprünglich mal gedacht war mit der Natur und den Tieren: frei. Zumindest weitgehend. Und dafür gab es den zweiten Platz beim Wettbewerb der Laufstall-Arbeits-Gemeinschaft (LAG). "Wir haben mehr als neun Hektar Pferdewiese", sagt Jepsen. Insgesamt ist das Grundstück rund 23 Hektar groß, das ist die Binnenalster in Hamburg plus ein paar Fußballfelder - nur, damit man sich das mal vorstellen kann.

Hier leben also die Pferde, und das Besondere ist, dass sie das in einer Herde tun. Morgens um elf dürfen sie auf die Weide, dann donnern 160 Hufe über den Rasen. Für die Weiden haben Jepsens einen Fachmann aus Süddeutschland kommen lassen. Der hat die bekömmlichsten Gräser zusammengestellt. "Gras vermeidet Aggressionen", sagt Olaf Jepsen. Und das ist wichtig bei einer so großen Gruppe. Denn Herdenhaltung ist kaum üblich. Vor allem nicht, wenn die Pferdefamilie aus Stuten und Wallachen besteht, weil diese trotz Unfruchtbarkeit ab und zu gerne rossige Stuten bespringen. "Wegen der Verletzungsgefahr sind viele Besitzer dagegen", sagt Tanja Förster-Jepsen. Aber Herdenhaltung gehört eben zum Konzept Aktivstall dazu. Boxen hingegen gibt es nicht, es sei denn, man ist krank. So wie Hnisa, die Bauchweh hat, oder Olina mit ihrem Griffelbeinbruch. Alle anderen wohnen - wenn nicht gerade auf der Weide - im Laufstall. Hier sind Tränke, Liegebereiche und Fressstationen weit voneinander entfernt. So müssen die Tiere rund 15 Kilometer am Tag im Sand spazieren gehen, um an Futter und Wasser zu kommen.

Mit Futter hängt auch Olaf Jepsens Idee der Lichtschranken und Transponder zusammen. Denn wichtig für das Konzept Aktivstall ist die automatische Fütterung. Jedes Pferd frisst eine auf sich abgestimmte Menge in kleinen Portionen über den Tag verteilt. So sollte das sein, das wusste Tanja Jepsen-Förster. Und Olaf Jepsen, der zwar kein Ingenieursdiplom, aber viel Fantasie hat, überlegte sich den Rest: Wenn das Pferd in eine der Kraftfutterstationen läuft, passiert es eine Lichtschranke. Die Station weiß dann, dass da jemand kommt. Wer genau, erfährt der Computer über einen Chip. Den trägt jedes Pferd mit sich, an einem Halsband oder im Körper. Das Futter fällt runter, das Pferd frisst. Der Entwurf steht nun im Stall und funktioniert. Auch für Wasser ist gesorgt: Eine Pumpe leitet es aus einem unterirdischen Tank vorbei an einer UV-Lampe, die Bakterien abtötet.

Die Pferde versorgen sich also selbstständig. "Sie brauchen ihre Menschen hier eigentlich nicht mehr", sagt Olaf Jepsen. Und deshalb ist auch nicht einer der Menschen Chef, sondern Nelson. Nelson ist sieben, schwarz und trägt sein Haupthaar geflochten. Er hat, wie bei Pferden üblich, eine sehr weiche Nase, und, wie bei seiner Rasse üblich, viele Haare an den Fesseln. Und er hat Ohren, die er ganz wunderbar nach hinten klappen kann. "Dann drehen die anderen schon ab, er muss gar nicht erst hauen. Nelson hat eben Präsenz, in seinem vorigen Stall war er auch schon Chef", sagt Tanja Förster-Jepsen, die Besitzerin des Friesens.

Das klingt, als müssten die Pferde glücklich sein. Sie kommen aus einer begrenzten Box an einen Ort, wo sie machen dürfen, was sie wollen, mit viel Platz und Freunden um sie herum. Aber so einfach ist das nicht. "Manche brauchen bis zu einem Jahr, um sich einzugewöhnen", sagt Tanja Förster-Jepsen. Mary Moppet zum Beispiel. Das holländische Reitpony hatte 25 Jahre in einer Box gewohnt und sollte nun alleine laufen und fressen und trinken und sich in der Herde behaupten. "Sie hat in der ersten Zeit ganz stark abgenommen. Aber nun ist sie viel lebendiger und hat eine super Figur."

Wer nicht von Anfang an dabei ist, darf erst mal nicht in die Gruppe. Neuzugänge kommen in Schnupperweite auf Integrationskoppeln. "Sonst würde es Probleme geben, sie müssen sich erst mal aneinander gewöhnen", sagt Tanja Förster-Jepsen. Das gilt auch für die Pferdebesitzer: Passen muss es. "Wir werden hier bald einziehen. Und wir wollen nicht, dass ein bestimmtes Auto auf dem Parkplatz steht und wir dann keine Lust mehr haben, rauszugehen." Eigentlich hatte die Familie das Grundstück für sich selbst gekauft. Aber dann waren sie so begeistert von dem Konzept, dass sie es mit anderen Besitzern teilen wollten. Bislang sei die Stimmung sehr entspannt. "Jeder achtet auf die Tiere der anderen", sagt Tanja Förster-Jepsen. Sogar die Männer würden mitkommen, um gemeinsam Kaffee zu trinken, wenn die Frauen reiten. Dass dazu die ganze Zeit Vögel zwitschern, ist fast ein Klischee. Überall hängen bunt bemalte Nistkästen an Hausecken und in Bäumen. Als Jepsens das Grundstück 2008 kauften, gab es fast keine Vögel mehr. Nur Pferde hätte es hier schon lange gegeben. Es riecht auch nach Pferd. Das sei etwas Gutes.

Olaf Jepsen selbst reitet übrigens fast gar nicht, auch wenn er es irgendwann mal gelernt hat. "Ich habe aber Spaß daran, alles zusammenzubasteln", sagt er. Und irgendwas ist immer zu tun. Die 650 Meter Holzzaun lasieren zum Beispiel. Das machen alle Besitzer zusammen, so nett sind sie hier. Menschen- und Pferdegemeinschaft funktionieren. Aber es hätte auch sein können, dass die Herdenhaltung nicht klappt. Viele haben gedacht, dass sich 40 Pferde auf einem Haufen nicht verstehen. "Notfalls hätten wir alle abgeschafft und einen Beachclub aufgemacht", sagt Tanja Förster-Jepsen. Der Sand war ja schon da.