Bank-Geheimnisse: Wir treffen Stormarner auf ihrer Lieblingsbank. Heute: Orhan Killi vom Arbeitsprojekt tohus

Barsbüttel. "Wenn jemand fragt, kann ich sagen: Ich arbeite." Orhan Killi sagt das mit Stolz. Dass er Arbeit hat, verdankt er dem gemeinnützigen Unternehmen tohus, einer Tochter der Evangelischen Stiftung Alsterdorf. Seit 2010 betreibt tohus im Barsbütteler Bürgerhaus ein Arbeitsprojekt für seelisch behinderte Menschen. Unter Begleitung üben sie, sich wieder ins Arbeitsleben einzufinden.

Heraus aus den Sonderwelten ist die Devise - mit Chancen auf Kommunikation, Beteiligung, Selbstbestätigung und der Gewöhnung an eine regelmäßige Beschäftigung. Zwölf tohus-Mitarbeiter sind im Bürgerhaus Barsbüttel derzeit beschäftigt. Sie arbeiten im Bistro/Café und im Empfang, erledigen Gartenarbeiten und tragen die Gemeindezeitung aus.

Demnächst verteilen sie auch die Elternbriefe, die Barsbüttel mit dem Kinderschutzbund kostenlos an junge Eltern liefert. "Für uns ist dies ein weiteres Projekt, um unsere Klienten mit den Menschen in der Gemeinde in Kontakt zu bringen und das Gemeindeleben auch aktiv mit zu gestalten", sagt Matthias Feise, Leiter des Arbeits- und Beschäftigungsprojektes in Barsbüttel.

Die Arbeit im Café ist gut für das Selbstwertgefühl von Orhan Killi. Die Aufgabe hilft dem 28-Jährigen dabei, gesund zu werden. Montags bis freitags ist er von 8.30 bis 15.30 Uhr im Einsatz - seit rund zwei Monaten. Für ihn ist dies seit seiner Lehre der erste Job, den er so lange innehat. Im Café trägt er eine Schürze. Das gefällt ihm, weil sie ihn als Menschen erkennbar macht, der Arbeit hat. Zusammen mit seinen vier Kollegen deckt er die Tische, serviert Kaffee und Kuchen und will demnächst auch selbst backen - einen "Paradieskuchen" nach Familienrezept. Außerdem serviert er den Kindern im hauseigenen Hort das Mittagessen und macht mit ihnen auch mal gemeinsam den Abwasch.

Der junge Hamburger türkischer Herkunft mag seinen Job. Orhan Killi ist dem Kreislauf aus Arbeitslosigkeit und Krankheit entkommen. Als Jugendlicher rauchte er jahrelang Hasch. Der Cannabiskonsum löste bei ihm eine Psychose und Depressionen aus. "Ich habe bestimmt ein Jahr meines Lebens in der Psychiatrie in Ochsenzoll verbracht", sagt er. Doch im Februar änderte sich sein Leben. Sein gesetzlicher Betreuer brachte ihn mit Matthias Feise von tohus zusammen, und der nahm ihn am 15. März in das Barsbütteler Beschäftigungsprojekt auf.

Als Orhan Killi mit zehn Jahren aus der Türkei nach Hamburg zu seinem Vater kam, lief es gut für ihn. In der Grundschule lernte er Deutsch, machte später den Hauptschulabschluss und fand eine Lehrstelle. Doch dann rutschte er ab. "Meine Freunde haben alle Cannabis geraucht, da habe ich es auch gemacht", sagt er. Die Folge: Er zog sich zurück, fühlte sich schlecht und schaffte auch die Abschlussprüfung als Gas- und Wasserinstallateur nach zweieinhalb Jahren Lehrzeit nicht. Was passierte, bevor er in die Psychiatrie eingewiesen wurde, mag er nicht sagen. Nur so viel: "Ich wurde aggressiv." Dem sanften Riesen, der er heute ist, traut man das gar nicht zu.

Orhan, der als Jugendlicher schlank war, nahm durch die Psychopharmaka stark zu. Sie machten ihn müde und regten gleichzeitig das Hungergefühl an. Doch die Medikamente stabilisierten ihn auch. Er durfte das Krankenhaus verlassen. "Jedes Mal, wenn ich wieder herauskam, dachte ich, ich bin frei, und wollte arbeiten", sagt Killi. Voller Elan suchte er - und fand nichts. Acht Jahre ging das so, ein paar Gelegenheitsjobs ausgenommen. Jede Enttäuschung führte über kurz oder lang zu neuen depressiven Schüben und zu weiteren Klinikaufenthalten.

Heute ist Orhan Killi in der Lage, sein Leben zu meistern. Seit drei Jahren hat er eine eigene Wohnung. Auch über sein Konto kann er frei verfügen. Dass es ihm gut geht, habe er auch seinem Vater zu verdanken. Der heute 70-Jährige kümmerte sich Tag und Nacht um den Sohn, ging mit ihm spazieren, gab ihm neuen Lebensmut. Seine Geschwister, die alle Beruf und Familie haben, sind Vorbilder.

Der Erfolg spornt Orhan Killi an. So sehr, dass er sich zutraut, "draußen" einen Job zu finden. Eine Entlohnung für seine Arbeit bekommt er nicht. Doch um Geld geht es ihm auch nicht. "Ich hab' immer gesagt: Ich will arbeiten, arbeiten." Bei tohus hat er einen Vertrag für ein Jahr unterschrieben. Die Aussichten auf eine schrittweise Wiedereingliederung in das reale Erwerbsleben seien gut, meint Matthias Feise. Eben weil es bei tohus keine Beschäftigungstherapie, sondern einen normalen Arbeitsalltag gibt. Orhan Killi hat jetzt ein großes Ziel: Der junge Mann, der seine 19 Nichten und Neffen über alles liebt, möchte eine Arbeit in der Gastronomie finden, heiraten und eigene Kinder bekommen. Und wenn ihn jemand fragt, ob er Arbeit habe, dann will er sagen können: "Ja, das habe ich."