Wer war der Täter? Ein 23 Jahre alter Barsbütteler muss sich vor dem Landgericht Lübeck verantworten. Der Angeklagte schweigt

Reinbek/Lübeck. Hat der Barsbütteler Kenan P. (alle Namen geändert) eine Spielhalle in Reinbek überfallen und ausgeraubt? Mit dieser Frage beschäftigt sich zurzeit das Landgericht Lübeck. Dort muss sich der 23-Jährige wegen schwerer räuberischer Erpressung verantworten.

Rückblick: Es ist Freitag, der 13. August 2010. Ein warmer Sommertag neigt sich dem Ende. Doch Sabine L. muss noch arbeiten. Ihre Schicht als Aufsicht in der Spielhalle am Grenzweg in Reinbek hat gerade erst begonnen. Die 41-Jährige hat die Vorder- und Hintertür des Geschäfts weit geöffnet, um zu lüften. Nur wenige Minuten später, um 19.02 Uhr, stürmt plötzlich ein maskierter Mann durch den Hintereingang in die Spielhalle.

Er trägt einen dunklen Kapuzenpullover. Die Kapuze hat er sich über den Kopf gezogen. Nase und Mund sind mit einem schwarzen Tuch verhüllt. Der Maskierte bedroht die Angestellte mit einer Pistole, legt einen Leinenbeutel auf den Tresen und fordert Geld.

"Ich habe das Ganze anfangs nicht ernst genommen und mir beim Einpacken des Geldes viel Zeit gelassen", erinnert sich Sabine L. Ein Verhalten, das den Räuber nervös macht. Er brüllt: "Beeil dich jetzt, sonst knall ich dich ab." Erst da sei ihr der Ernst der Lage bewusst geworden, so die 41-Jährige. Sie händigt dem Mann das Geld aus. Der Räuber flieht mit 340 Euro durch den Hinterausgang.

Doch wer war dieser Mann? War es Kenan P.? Der Angeklagte selbst schweigt vor Gericht. Er trägt Jeans, ein fliederfarbenes Hemd und ein schwarzes Jackett und gibt sich gelassen. Immer wieder lacht oder grinst er. Die Spielhallenaufsicht, die als Zeugin geladen ist, kann ihn nicht als Täter identifizieren. Sie sagt: "Ich weiß nur, dass es kein Deutscher war. Das habe ich an seinen dunklen Augen bemerkt." Außerdem habe der Räuber mit Akzent gesprochen. Eine Beschreibung, die auf den aus Algerien stammenden Barsbütteler zutrifft.

Ein 30 Jahre alten Reinbeker, der sich zum Tatzeitpunkt als Besucher in der Spielhalle aufhielt, brachte die Polizei auf seine Spur. Der Zeuge will den Räuber mit dem dunklen Kapuzenpullover unmittelbar vor der Tat in einem Bus von Glinde nach Neuschönningstedt gesehen haben. Der Mann, der ein lilafarbenes Fahrrad bei sich gehabt habe, sei ihm sofort aufgefallen. "Es war ja so gutes Wetter", sagt der Zeuge vor Gericht. "Deshalb kam es mir seltsam vor, dass er einen Kapuzenpullover getragen hat. Ich habe mir gedacht, der hat vielleicht etwas zu verbergen." Als der Reinbeker in der Nähe der Spielhalle aussteigt, verlässt auch der Mann mit dem Kapuzenpullover den Bus. Rund 15 Minuten später passiert der Raubüberfall. Der Spielhallenbesucher ist sich sicher, dass der Räuber und der Mann, der ihm im Bus aufgefallen ist, dieselbe Person waren. Er sagt: "Das habe ich an der Kleidung erkannt."

Mit Hilfe der Bilder aus der Überwachungskamera des Busses gelang es einem der Ermittler, den Mann als Kenan P. zu identifizieren. Der Polizist sagt vor Gericht: "Ich kenne ihn seit seinem 14. Lebensjahr, weil er bereits im Jugendalter mehrmals polizeilich in Erscheinung getreten ist."

Doch ob Kenan P. wirklich der Räuber war, daran blieben nach dem ersten Prozesstag Zweifel. Denn der Bruder des Angeklagten sagte vor Gericht aus, Kenan sei zum Tatzeitpunkt mit ihm im Haus der Eltern in Barsbüttel gewesen. "Als ich um 19 Uhr von der Arbeit kam, war mein Bruder schon da. Er hat sich im Bad aufgehalten", so der 22-Jährige. Etwa 15 bis 20 Minuten später habe Kenan P. das Haus verlassen, um sich ein Fußballspiel anzuschauen.

Zudem belegen die Bilder aus der Überwachungskamera, dass die Kapuze, die P. im Bus trägt, schwarz ist. Die Aufnahmen aus der Spielhalle zeigen jedoch einen Räuber mit einer grauen Kapuze. Die Spielhallenangestellte sowie Gäste sagten vor Gericht wiederum übereinstimmend aus, die Kleidung des Räubers sei schwarz gewesen.

Eine Sachverständige hat deshalb die Überfall-Szene mit mehreren dunklen Kapuzenpullovern nachgestellt. Das Ergebnis: In einigen Fällen sieht der dunkle Pullover auf den Überwachungsbildern grau aus. Das liege an der Materialbeschaffenheit des Kleidungsstücks, so die Frau. Es sei daher möglich, dass es sich trotz der unterschiedlichen Farben auf den Überwachungsbildern im Bus und in der Spielhalle um denselben Kapuzenpullover handele. Der Prozess wird am Donnerstag, 19. Mai, fortgesetzt.