Gleiches Modell, gleiches Kennzeichen: Nach dem Hilferuf eines 45-jährigen Autofahrers nehmen Polizisten auf der A 1 einen Mann fest.

Bad Oldesloe. Der Wagen voraus: ein Audi A 6. Genau wie meiner, dachte sich der Hamburger. Die Farbe: silbermetallic. Genau wie meine. Das Baujahr, die Ausstattung: beides ungefähr vergleichbar. Dann fiel der Blick des 45-Jährigen auf das Nummernschild. Er las die Buchstaben, dann die Ziffern. Genau wie meine! Der Mann, auf der Autobahn 1 in Richtung Norden unterwegs, mag sich die Augen gerieben und dann ungläubig abermals verglichen haben. Schließlich, als kein Zweifel mehr bestehen konnte, griff er zum Autotelefon. Der Notruf erreichte den Dienstgruppenleiter des Polizeiautobahnreviers Bad Oldesloe am Sonnabendmorgen um 9.30 Uhr. "Hilfe, vor mir fährt mein eigenes Auto."

Gestohlenes Auto wurde mit "Polenschlüssel" gestartet

Es klingt zu kurios, um wahr zu sein. Doch der Beamte schenkte dem Anrufer Glauben. Mehrere Streifenwagen machten sich sofort auf den Weg in Richtung Autobahn. Die Zentrale hielt währenddessen telefonisch Kontakt mit dem Anrufer. Kurz vor dem Autobahnkreuz Lübeck bei Hamberge entdeckten Polizisten dann den doppelten Audi. Sie stoppten beide Wagen und konnten sich mit eigenen Augen davon überzeugen: Die Limousinen waren bis ins kleinste Detail identisch.

Der Mann am Steuer des vorausfahrenden Audi, ein 30-Jähriger aus dem polnischen Lodz, wurde vorläufig festgenommen. Er stand unter Drogeneinfluss. "Er hatte das Auto mit einem sogenannten Polenschlüssel gezündet", sagte Raimund Hagen vom Polizeiautobahnrevier Bad Oldesloe. "Das ist ein Dorn, der ins Zündschloss gerammt wird." Die Mechanik werde zerstört, das Schloss lasse sich drehen, der Motor starte. Wer so vorgeht, muss allerdings zuvor die elektronische Wegfahrsperre ausgetrickst haben.

Erste Ermittlungen ergaben, dass der Audi A 6 in Hamburg gestohlen worden war. Deshalb hat die Kriminalpolizei in der Hansestadt den Fall auch übernommen. Von dort waren bis Sonntagabend keine weiteren Informationen zu bekommen. Insofern sind auch die Hintergründe des Vorfalls unklar. Möglicherweise ist der Autobahnpolizei aber durch Zufall ein Schlag gegen eine international agierende Autoschieberbande gelungen.

Nummernschild-Dubletten fallen an der Grenze nicht auf

Dafür spricht der Umstand, dass der gestohlene Audi mit Kennzeichendubletten versehen war, die zu einem identischen Fahrzeug passten. In der Vergangenheit war dieses Vorgehen auch bei zahlreichen Prozessen gegen Mitglieder professionell vorgehender osteuropäischer Banden immer wieder thematisiert worden. Zuletzt war den Ermittlern einer Sonderkommission beim Landeskriminalamt in Kiel ein großer Schlag gegen das organisierte Verbrechen gelungen: Sie hatten die sogenannte Porsche-Bande hochgenommen, deren Köpfe es insbesondere auf hochwertige deutsche Geländewagen abgesehen hatten.

Ein Beamter gab der III. Großen Strafkammer beim Landgericht Lübeck seinerzeit einen detaillierten Einblick in die Strukturen und Vorgehensweisen der Banden. Er berichtete, dass die Diebe auf Bestellung stahlen. Die in Deutschland agierenden Personen waren nur Helfer und Helfershelfer, die Köpfe saßen im Ausland. Modell, Farbe, Ausstattung wurden vorgegeben. Die Wegfahrsperren wurden mithilfe hochwertiger elektronischer Hilfsmittel geknackt. Für jeden Autotyp, für jede Farbe gab es die Kennzeichenkopien legal zugelassener Fahrzeuge, die immer wieder für Überführungsfahrten an die östlichen Bundesgrenzen herhalten mussten. "Ein Kennzeichen, das wirklich für ein baugleiches Auto vergeben ist, fällt an der Grenze nicht auf", sagte der Ermittler.

Auffällig wird die Sache nur dann, wenn der Halter des echten Fahrzeugs plötzlich hinter seinem eigenen Auto fährt. Autobahnpolizist Raimund Hagen: "Das ist allerdings ein Zufall, der einem Sechser im Lotto gleichkommt."