Zivilcourage entwickeln

"Kinderheim kämpft um seinen Ruf"

Das Oldesloer Kinderhaus St. Josef will die Vorwürfe des sexuellen Missbrauchs in den 50er- bis 90er-Jahren aufarbeiten.

Kaum ein Tag ohne neue Enthüllungen. Enthüllungen? Ich frage mich, nachdem es sich ja nicht immer um Waisen handelt, wo eigentlich die Eltern die gesamte Zeit waren? Wähnten sie ihre Kinder in den Heimen so gut aufgehoben, dass eventuelle Besuche sich, überspitzt formuliert, auf Weihnachten und den Geburtstag beschränkten? Sahen andere im Heim und von außerhalb nichts? Wie hoch ist denn heute die Wegguck-Rate?

Absolute Sicherheit vor Gefahren gibt es bekanntlich nirgendwo. Ein Familienrichter sagte mir einmal anlässlich einer Betreuung: "Die größte Kriminalitätsrate haben wir in der Familie." Eine Aufarbeitung heißt immer, zu allererst nach vorne sehen, also mehr Zivilcourage zu entwickeln. Übrigens, wer schützt unsere Alten vor Missgriffen, wenn auch vermutlich anderer Art?

Hans-Otto Lüdemann, Reinbek

An der Realität vorbei

"Offensive gegen Kampfeinsätze"

Stormarner Kirchenvertreter fordern eine breite Debatte über den Einsatz deutscher Soldaten in Afghanistan.

Als Christ teile ich die Friedensliebe und den Wunsch nach Gewaltfreiheit. Als Realist sehe ich aber auch, dass Gewalt beziehungsweise der Einsatz militärischer Mittel manchmal die einzige Möglichkeit ist, für Frieden und Sicherheit zu sorgen.

Pröpstin Baumgarten sagt, einzumarschieren sei keine Lösung, eine fremde Macht habe in einem anderen Land nichts verloren, und man müsse die Kräfte vor Ort stärken. Einzumarschieren ist sehr wohl eine Lösung. Einer unserer Nato-Partner wurde von Kräften aus Afghanistan angegriffen. Wollen Sie der Nato das Recht absprechen, sich zu wehren? Einzumarschieren war auch in der Vergangenheit erfolgreich, nehmen wir den Sieg der Alliierten über Nazi-Deutschland oder den Einmarsch der Nato in Jugoslawien.

Und Kräfte vor Ort stärken? Unter den Taliban war sogar Musik verboten, in ihrem diktatorischen Gottesstaat existierte keine Opposition, Menschenrechte wurden mit Füßen getreten. Wen hätten Sie denn da gerne gestärkt? Sie wünschen einen schnellstmöglichen Abzug. Damit nehmen Sie in Kauf, dass die Afghanen auch in Zukunft unter Diktatur und Terror zu leiden haben.

Pastor Hagge denkt, dass man von Trauerfeier zu Trauerfeier ziehen müsste, ob der steigenden Verlustzahlen. Die Bundeswehr befindet sich seit Jahren in Afghanistan. Jeder gefallene Soldat ist einer zu viel, doch was Sie in den Raum stellen, ist pure Panikmache. Sie spielen mit den Ängsten der Bevölkerung. Doch für eine Eskalation gibt es keine Anzeichen. Pastorin Tsang meint, der Kreislauf der Gewalt könnte nur durchbrochen werden, wenn die deutschen Soldaten abgezogen werden würden. Denken Sie ernsthaft, dass das die Gewalt mindern würde? Ein Abzug würde nur unsere Bündnispartner in arge Bedrängnis bringen. Sollten diese auch abziehen, würde die Nato ein Land hinterlassen, dass nach kurzer Zeit wieder von den Taliban beherrscht werden würde.

Die Annahme von Pastor Wisch, dass Hilfsorganisationen nicht arbeiten könnten, solange Militär im Land sei, ist lachhaft. Herr Wisch, ich würde Sie bitten, ohne ausländische Truppen eine Mädchenschule zu bauen. Oder eine Kirche zu errichten. Oder ein Orchester zu gründen.

Die Theologen meinen, dass mit Gewalt kein Frieden zu erreichen sei. Mit dieser Ansicht kommen sie leider in der realen Welt nicht weit.

Thorben Ole Hellweg, per E-Mail

Die Zuschriften geben die Meinung der Einsender wieder. Kürzungen vorbehalten.

Schreiben Sie an stormarn@abendblatt.de oder per Post an Abendblatt-Regionalausgabe Stormarn, Rathausplatz 22, 22926 Ahrensburg