JOB-Unternehmensgruppe

Ahrensburger entwickeln den kleinsten Feuerlöscher der Welt

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Heiner Schmidt
Bodo Müller, Geschäftsführer der JOB-Unternehmensgruppe, mit der Mini-Sprinkleranlage.

Bodo Müller, Geschäftsführer der JOB-Unternehmensgruppe, mit der Mini-Sprinkleranlage.

Foto: Andreas Laible

Hamburger Messehallen nutzen die Mini-Sprinkleranlagen für Bildschirme schon, Flughafen und Hauptbahnhof folgen bald.

Ahrensburg. Bei der JOB-Unternehmensgruppe haben sie sehr viel Erfahrung damit, Dinge kaputtzumachen. Mehr noch: Das Geschäftsmodell der Firmen mit 150 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern besteht darin, dass sie Produkte herstellen, die im genau richtigen Augenblick kaputtgehen. Es sind kleine Glasampullen, die mit einer Flüssigkeit gefüllt sind.

Erst wenn eine dieser sogenannten Thermo Bulbs (deutsch: Wärmekolben), von der sie bei JOB im Ahrensburger Gewerbegebiet Nord so um die 100 Millionen Stück pro Jahr produzieren, zerbirst, hat sie ihren eigentlichen Daseinszweck erfüllt. Denn dann springt eine Sprinkleranlage an und löscht einen Brand. Nun hat JOB Ampullen entwickelt, die wie Mini-Sprinkleranlagen funktionieren und Brände in Elek­trogeräten löschen.

Filigrane Ampulle löst bei Wärme Sprinkleranlage aus

„Wir sind Weltmarktführer im Bereich thermisch auslösende Ampullen“, sagt Bodo Müller. Der Chemieingenieur ist seit 2005 geschäftsführender Gesellschafter bei JOB. Weltweit gebe es nur etwa ein halbes Dutzend anderer Unternehmen, die die Sprinkleranlagenindus­trie mit dem zentralen Zubehörteil beliefern, sagt er.

Wobei es ja erst mal nicht gerade nach Hightech und deutscher Ingenieurskunst klingt, Mini-Ampullen aus Glas mit wärmesensibler Flüssigkeit zu befüllen. Sondern eher so, als seien die Herausforderungen dabei auch in – beispielsweise – Moldawien sehr gut und vor allem billiger zu meistern.

Doch 50 Jahre nach der Unternehmensgründung können die Ahrensburger vieles, was andere weniger gut können. Die Ampullen sind filigran, kaum eine ist größer als eine elektrische Sicherung im Auto. Trotzdem hält das Glas dem Gewicht von acht Männern stand. Aber es platzt, sobald die Flüssigkeit sich durch die aufsteigende Wärme eines Brandes ausdehnt und eine bestimmte Temperatur erreicht. Die sensibelsten setzen den Wasserschauer aus dem Sprinkler an der Raumdecke bei 43 Grad Celsius in Gang, die robustesten bei 350 Grad. „Gesteuert wird das durch die Zusammensetzung der Flüssigkeit“, sagt Müller. Alle weiteren Details dazu sind Betriebsgeheimnis.

„Wir nennen es den kleinsten Feuerlöscher der Welt“

28 Millionen Euro Umsatz hat das Unternehmen im vergangenen Jahr gemacht. Gut 45 Prozent davon in Nord- und Südamerika, 40 Prozent mit Kunden in Asien, den Rest in Deutschland und Europa. „Wir sind ganz ordentlich durch das Jahr gekommen. Die Corona-Pandemie und ihre Folgen haben die weltweite Sprinklerbranche nur leicht negativ beeinflusst“, sagt Müller, der zugleich Vorsitzender der International Fire Supression Alliance ist, des Weltverbands der Sprinkleranlagenhersteller.

Bei JOB seien die Erlöse nur geringfügig unter denen des Vorjahres geblieben. Für dieses Jahr hat der Geschäftsführer dem Hauptgesellschafter Christopher Job, Sohn von Gründer Eduard Job, „deutlich mehr“ Umsatz versprochen.

Denn die Unternehmensgruppe ist nun selbst zum Produzenten von Löschanlagen geworden. „Wir nennen es den kleinsten Feuerlöscher der Welt“, sagt Markus Fiebig über die Neuentwicklung, die seit gut einem Jahr auf dem Markt ist. Es sind sogenannte E-Bulbs, Fiebig ist der Produktmanager. Diese E-Bulbs sind autonome Minisprinkleranlagen, die einen Brand etwa in einem Elektrogerät frühzeitig löschen und so Schlimmeres verhindern können.

Gas in Ampulle entzieht Feuer die Wärme

„Bei 30 Prozent aller Brände im Jahr 2019 war Elektrizität die Ursache“, sagt Geschäftsführer Müller und verweist auf eine Auswertung des Instituts für Schadenverhütung und -forschung der öffentlichen Versicherer in Kiel. Wie häufig die Brandursache in einem mit Strom betriebenen Gerät lag, sagt die Statistik aber nicht. Die E-Bulbs sind eine Weiterentwicklung der Thermo Bulbs, es gibt aber zwei wesentliche Unterschiede: Wenn die Glasampulle platzt, verdampft die Flüssigkeit in ihr zu einem Gas.

„Das Gas entzieht dem Brand die Wärme und löscht ihn dadurch“, sagt Fiebig. Ebenso wichtig ist: Ist die Ampulle geborsten, ist damit gleichzeitig die Stromzufuhr unterbrochen, denn er fließt durch einen Spezialbeschichtung auf dem Glas. „Der Brand kann nicht wieder neu entstehen“, sagt Müller. Entwicklung, technische Zulassung in einer ganzen Reihe von Ländern und der Aufbau der industriellen Produktion von großen Stückzahlen dauerten mehrere Jahre.

Mini-Feuerlöscher in Hamburger Messehallen

Bereits im Einsatz sind die Mini-Feuerlöscher schon in Bildschirmen in den Hamburger Messehallen, in Bordtoiletten von Zügen und von Flugzeugen eines in Hamburg sehr bekannten Herstellers, der nicht genannt werden soll. Der Flughafen Hamburg verlangt ihren Einbau in einer Ausschreibung für digitale Medientechnik. Und auch in dem 60 Quadratmeter großen Riesenbildschirm, der im Herbst im Hauptbahnhof installiert werden soll, muss der Hersteller die E-Bulbs einbauen, sagt Fiebig. Es sind Anwendungen an Orten, an denen sich oft viele Menschen in geschlossenen Räumen aufhalten und ein Brand besonders gravierende Folgen haben kann.

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„Es gibt ein wachsendes Interesse bei Herstellern von Smarthome-Geräten“, sagt Müller. Und die E-Bulbs könnten auch bislang aus Brandschutzgründen untersagte Lösungen ermöglichen. So dürften etwa in Fluggastbrücken bislang keine elektronischen Bildschirme montiert werden. Ein Brand könnte unter den dicht gedrängt stehenden Passagieren Panik auslösen. Der Einbau eines Mini-Feuerlöschers in den Bildschirm könnte diese Gefahr bannen.

Hausgeräte-Herstellern fürchten Imageproblem

Bislang nicht erfüllt hat sich die Hoffnung der Ahrensburger, mit Hausgeräte-Herstellern ins Geschäft zu kommen, die den Käufern von Wäschetrocknern, Wasch- und Spülmaschinen oder Kühlschränken ein Mehr an Brandschutz bieten wollen, indem sie Löschampullen einbauen.

Die Produzenten der sogenannten weißen Ware scheuten die Kosten eines E-Bulbs von „einigen, wenigen Euro“ pro Stück, ist Müllers Erfahrung. Zudem fürchteten sie offenbar ein Imageproblem: „Wir hören von Herstellern immer wieder: ,Unsere Geräte brennen grundsätzlich nicht. Wenn wir trotzdem eine Löschampulle einbauen, glauben die Kunden, das sei notwendig.’“

JOB-Geschäftsführer hofft auf Mini-Feuerlöscher-Pflicht

Die Ahrensburger versuchen nun mittels einer eigens in Auftrag gegebenen repräsentativen Umfrage einen Sinneswandel bei potenziellen Großabnehmern zu befeuern. Das Meinungsforschungsinstitut Forsa kommt in ihr unter anderem zum Ergebnis, dass mehr als die Hälfte der befragten Verbraucher Angst vor einem durch elektrische Geräte ausgelösten Brand hat, 82 Prozent ein Gerät mit eingebauter Feuerstopp-Funktion bevorzugen würden und ein knappes Drittel bereit wäre, dafür mehr als 30 Euro zusätzlich zu zahlen.

Am liebsten wäre ihm natürlich, da ist der Vorsitzende der weltweiten Sprinklerindustrie und JOB-Geschäftsführer ganz offen, wenn der Einbau von Mini-Feuerlöschern in Haushaltsgeräten zur Pflicht würde. So wie es Rauchwarnmelder in Wohnungen bereits sind.

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