Klaus Langer und Gerhard Windolf fahren seit 35 Jahren gemeinsam zu internationalen Meisterschaften. Mit 100 will Langer noch aktiv sein.

Harburg. 35 Jahre ist das her, da sind die Nachbarn aus Hausbruch, Klaus Langer und Gerhard Windolf, zum ersten Mal gemeinsam zu einer Leichtathletik-Weltmeisterschaft nach Göteborg in Schweden gefahren. Heute ist Klaus Langer 96 Jahre alt, Gerhard Windolf auch schon 88 Jahre. Am nächsten Freitag brechen die beiden ältesten Wettkampfsportler der Leichtathletik-Gemeinschaft Hausbruch-Neugraben-Fischbek wieder gemeinsam auf, diesmal zu den Senioren-Europameisterschaften nach Zwittau.

Mit dem Auto. Vor vier Jahren noch, mit 92, saß Klaus Langer selbst hinter dem Steuer und fuhr zu den Hallen-Weltmeisterschaften ins französische Clemont-Ferrand. In einem Rutsch, wie der so lebensfreudige ältere Herr damals so nebenbei erwähnte. Nach Zwittau ins idyllische Städtchen im Dreiländereck Deutschland, Polen und Tschechien, wird Monika die beiden wettkampffreudigen Senioren chauffieren. "Sie ist vor sechs Jahren aus Polen zu uns gekommen, um meine Frau zu pflegen", erzählt der Senior, während er sich auf dem Rasenplatz am Opferberg auf sein tägliches Training vorbereitet. "Seit dem Tode meiner Frau vor fünf Jahren sorgt sie für mich."

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Klaus Langer, längst einer der bekanntesten und erst recht erfolgreichsten unter den hochbetagten deutschen Leichtathleten, hat seine Jacke ausgezogen. Er nimmt den Speer in die Hand, läuft ein paar Schritte und schleudert ihn ins Gras. "Inzwischen bin ich zufrieden, wenn ich noch um die 15 Meter werfe", sagt der frühere Architekt, für den der Sport zur wichtigsten Säule seines Lebens geworden ist. "Aber viele meiner Konkurrenten habe ich ja inzwischen überlebt", fügt er hinzu. Dabei blitzt ein schelmisches Lächeln um Mund und Augen auf. "Ich starte ja jetzt in der Altersklasse der über 95-Jährigen. Ich weiß gar nicht, ob ich in Zittau noch einen Konkurrenten habe."

"Der Sport hat mir geholfen, mein Leben zu meistern"

Jedenfalls wird der 96-Jährige von der LG HNF nicht der Älteste unter den 3800 Athleten im fortgeschrittenen Alter sein. "Auch Albert Georges Albrecht hat sich angemeldet", bestätigt eine Mitarbeiterin im Organisations-Stab in Zwittau. "Der ist 97 Jahre alt und kommt aus Italien." Der rüstige Italiener aber hat vor allem für die Laufdisziplinen gemeldet, während sich Klaus Langer auf den Speer- und Diskuswurf vorbereitet, wohl auch zum Wettkampf mit der Kugel antritt und sich noch im Hochsprung versucht. "So 90 Zentimeter schafft der Klaus im Training noch", bestätigt Gerhard Windolf. Der muss in der Altersklasse der 85-Jährigen und Älteren mit härterer Konkurrenz rechnen.

"Für den Hochsprung liegen sechs Anmeldungen vor", hat der einstige Leistungsturner im Internet recherchiert. "Mit den 1,10 Metern, die ich schaffen kann, könnte ich höchstens Zweiter werden", weiß Gerhard Windolf die meisten seiner Konkurrenten genau einzuschätzen. Beim Weitsprung schafft er zwei Meter und die drei Kilogramm schwere Kugel stößt er um die acht Meter weit. "Der Sport hat mir geholfen, mein Leben zu meistern", sagt Gerhard Windolf. Im September 1943 hat dem damals 19 Jahre alte Soldaten ein Granatsplitter den Unterkiefer weggerissen. "Jahre lang musste ich immer wieder operiert werden", erzählt er. "Aber selbst zwischen den Operationsterminen habe ich geturnt, mit 40 Jahren das letzte Mal. Irgendwann haben Klaus und ich dann mit der Leichtathletik begonnen."

Klaus Langer, dessen ältester Sohn 62 Jahre und jüngste Enkelin Elin gerade zwei Monate alt ist, beginnt immer noch jeden Tag auf dem Sportplatz oder in der Sporthalle am Opferberg. In den 35 Jahren als Wettkampf-Senior hat er bei nationalen und den internationalen Meisterschaften nicht weniger als 90 Goldmedaillen erkämpft. "Und mein Weltrekord steht auch immer noch", fügt er hinzu. "Mit 85 Jahren habe ich den Speer 31,87 Meter weit geschleudert", erzählt der Mann, der nur nebenbei seinen Herzschrittmacher und seine Bypass-Operation erwähnt.

Mit 100 Jahren will Klaus Langer noch einmal in die Schlagzeilen kommen

Und jetzt, mit 96 Jahren, denkt er daran, mit 100 Jahren als Weltmeister noch einmal in die Schlagzeilen zu kommen? Der Herr mit dem Hörgerät schaut kurz hoch, konzentriert sich dann auf den Diskus in seiner Hand. "Versuchen will ich es schon", sagt er und dann wirft er die Scheibe. "Aber nicht, das es Dir so wie dem Fritz ergeht", ermahnt ihn der Freund und Nachbar. Ihr gemeinsamer Freund Fritz ist aus Anlass seines 100. Geburtstags für das Fernsehen noch einmal gelaufen, vergas aber, die Laufschuhe zu binden, stürzte und zog sich einen Oberschenkelhalsbruch zu. Gerhard Windolf: "Den Fritz haben seine acht Geschwister immer ermahnt, im hohen Alter nicht so viel Sport zu treiben. Dabei hat er sie alle überlebt."