Gesundheitliche Probleme lassen Olympiatraum von Hindernisläuferin Jana Sussmann aus Winsen platzen. Das erste Rennen musste sie abbrechen.

Winsen. Die schlimmsten Stunden hat Jana Sussmann hinter sich. "Direkt nach den deutschen Meisterschaften hatte ich einen richtigen Einbruch", erzählt die sympathische Leichtathletin aus Winsen. Nicht genug, dass sie bei den Titelkämpfen in Wattenscheid mit Rang vier und einer für ihre Ansprüche indiskutablen Zeit von 10:20,18 Minuten über 3000-Meter-Hindernis endgültig den Sprung zu den Olympischen Spielen in London verpasst hat. "Fast noch schlimmer war, dass ich am nächsten Tag jedem die gleiche Geschichte erzählen musste", erinnert sich die 21-Jährige an die harten Juni-Tage, "und das nicht einmal 24 Stunden nach dem Lauf. Da war ich sehr traurig und vielleicht sogar etwas verzweifelt."

2011 war Jana Sussmann der Shootingstar der Hindernisszene. Im Trikot der LG Nordheide wurde sie erstmals deutsche Meisterin, gewann Silber bei den U23-Europameisterschaften und durfte als Krönung einer unglaublichen Saison bei den Leichtathletik-Weltmeisterschaften in Daegu (Südkorea) starten. "Wenn man von solch einem Niveau kommt, ist die Fallhöhe natürlich unglaublich hoch", sagt sie selbst über die aktuelle Saison, die als Höhepunkt die Krönung einer jeder Sportlerkarriere, den Start bei den Olympischen Spielen, hätte aufweisen sollen.

Dass es nicht soweit kommt und die seit diesem Jahr für das Lauf-Team Haspa Marathon Hamburg startende Winsenerin 37 Sekunden hinter ihrer Vorjahresbestzeit zurückgeblieben ist, hat vor allem gesundheitliche Gründe. Die sind vielfältig und - was die quälende Ungewissheit verstärkt - noch nicht gänzlich diagnostiziert. Nachdem sie im Januar in Spanien deutlich bessere Zeiten als ein Jahr zuvor habe laufen können, sei beim zweiten Trainingslager im März an der portugiesischen Algarve plötzlich jede Belastung unglaublich anstrengend gewesen. Die anschließende Leistungsdiagnostik in Leipzig habe ihr zwar so gute Ausdauerwerte wie noch nie bescheinigt und auch bei 200-Meter-Intervallen sei sie schneller als 2011 gewesen, berichtet der Schützling von Trainer André Prüsmann. "Dafür ging bei den speziellen Tempoläufen über 800 und 1000 Meter fast gar nichts", sagt Sussmann, "und die sind gerade für das Rennen sehr wichtig."

Weil sie schon nach wenigen hundert Metern nur noch pfeifend atmen konnte und schnell sehr erschöpft war, bestand der Verdacht auf Belastungsasthma, der sich nach einem Lungenfunktions- und Provokationstest nicht bestätigt hat. Eine Erklärung für die teilweise sehr schlechten Blutwerte haben die Mediziner auch nicht gefunden. "In der Uniklinik Eppendorf wurde mir viel Blut abgenommen, das auf alle möglichen chronischen Infektionen getestet wird. Und in meiner Wohnung wurden Luftproben genommen", berichtet Jana Sussmann von den nächsten Schritten der medizinischen Ursachenforschung. Einziges konkretes Ergebnis ist die Diagnose einer Hausstaubmilbenallergie, gegen die sie unter anderem mit Nasenspray und antiallergischer Bettwäsche vorgeht.

Parallel zu allen Untersuchungen versuchte sich die Auszubildende zur Bankkauffrau bei der Hamburger Sparkasse fit zu machen für die Normenjagd. Auf zwei Sportfeste Anfang Mai verzichtete sie, erste Standortbestimmung war das Pfingstsportfest in Rehlingen.

Das erste Saisonrennen muss sie völlig entkräftet vorzeitig beenden

Der erste Kilometer lief richtig gut, kurz vor den 2-km-Marke erlebte Sussmann jedoch einen heftigen Einbruch. Einen Hindernisstolperer konnte sie kompensieren, bevor sie völlig entkräftet in den letzten Wassergraben stürzte und 150 Meter vor dem Ziel aufgab. "Dabei hatte ich mir vorgenommen, nie ein Rennen vorzeitig zu beenden."

Drei Wochen später bei den deutschen Meisterschaften in Wattenscheid erreichte die Titelverteidigerin das Ziel als Vierte. "Das war der härteste Wettkampf meines Lebens. Eine einzige Quälerei", erzählt Sussmann vom Gefühl eines rasend schnellen Tempos, "dabei waren 3:18 Minuten für den ersten Kilometer sogar etwas zu langsam."

Nach der verpassten EM- und Olympiaqualifikation hat sie sich eine Auszeit genommen - für Körper und Geist. "Jetzt fühle ich mich körperlich richtig gut und habe im Alltag keine Probleme", sagt die Frau, die derzeit verstärkt auf alternatives Training auf dem Rennrad oder im Fitnessstudio setzt. Auch mit dem Lauftraining hat sie wieder angefangen und will die Saison 2012 nicht komplett abhaken. "Vielleicht kann ich bei einigen kleineren Läufen wie dem Haspa-Lichterlauf oder der Laufserie der LG Nordheide mitmachen", hofft sie. Zum Jahresende stehen die Abschlussprüfungen ihrer Bankausbildung an, die sie extra wegen der Olympiavorbereitung um ein halbes Jahr verlängert hat. Wie es danach weiter geht, will Jana Sussmann demnächst mit der Laufbahnberaterin am Olympiastützpunkt Hamburg besprechen.

Aufschwung in der Läuferszene, drei Hindernisläuferinnen im EM-Finale

Die Nase voll vom Laufen im allgemeinen und dem Hindernislauf im speziellen hat die 21-Jährige nicht. "Ich habe mir die Europameisterschaften im Fernsehen angeschaut. Drei deutsche Hindernisläuferinnen bei der EM und alle im Finale - das war richtig cool", hat sie bei den Auftritten von Antje Möldner-Schmidt (3. Platz), Gesa-Felicitas Krause (4.) und Sanaa Koubaa (14.) mitgefiebert. "Ich bin nicht neidisch, sondern freue mich für die Drei und für die Läuferszene insgesamt." Und dann geht ihr Blick nach vorn: "Irgendwann will ich auch wieder dabei sein, vielleicht schon bei der WM in Moskau im nächsten Jahr. Und Olympia in vier Jahren, das kann ich schaffen."