Nach 30 Jahren legt die Förderschullehrerin den Handball aus der Hand. Ihre eindrucksvolle Bilanz sind 309 Bundesliga- und 114 Länderspiele

Bliedersdorf. Eine großartige Handballkarriere endet dort, wo sie einst begonnen hat - in der Halle Nord in Buxtehude. Melanie Schliecker hat nach mehr als 30 Jahren den Handball endgültig aus der Hand gelegt. Mit der SGH Rosengarten-Buchholz absolvierte die Linkshänderin ihr letztes Bundesligaspiel gegen den Buxtehuder SV, bei dem sie noch immer Rekordspielerin ist. 309 Erstliga- und 114 Länderspiele im Nationalteam sind die eindrucksvolle Bilanz.

Die Karriere begann mit sechs Jahren beim VfL Horneburg

Als die sechsjährige Melanie Schliecker beim E-Jugendtraining in Horneburg auftauchte, überlegte Ernst Richert, ihr erster und einziger Jugendtrainer, sie in die zweite Mannschaft zu schicken. "Sie hatte beim Werfen und Fangen wesentlich größere Probleme als andere", erinnert sich Richert heute schmunzelnd. Dass Melanie Schliecker in der ersten E-Jugendmannschaft bleiben durfte, verdankt sie ihrem starken Willen. "Melanie hatte schon als Kind eine unglaubliche Einsatzbereitschaft, ihre Entwicklungssprünge waren enorm", lobt Richert. In der A-Jugend hatte sie ihren ersten großen Erfolg. Sie wurde mit Ernst Richert als Trainer deutscher Vizemeister. "Das war wirklich ein ganz besonderes Erlebnis", sagt die heute 37-Jährige.

"Melanie war Antreiberin, Torjägerin und Anspielerin", sagt Daniela Rambow, die im Vorjahr beim VfL Stade in der Regionalliga aktiv war. Rambow und Schliecker kennen sich seit der E-Jugend. "Es war klar, dass sie ihren Weg gehen wird, sie war eine überragende Handballerin", so Daniela Rambow.

Buxtehuder SV holte die positiv "Handballverrückte" in die Bundesliga

Das dachten auch die Verantwortlichen des Bundesligisten Buxtehuder SV. Betreuer Michael Jungblut erinnert sich an das Gespräch mit Melanie und ihren Eltern in Bliedersdorf. "Wir wollten Melanie haben, sie war eine positiv Handballverrückte." Ihr erster Bundesliga-Trainer war Hans-Herbert Ludolf. "Sie war eine dynamische Rechtsaußen und sehr ehrgeizig", kann sich Ludolf noch gut an die junge Schliecker erinnern. 1994 wurde der Buxtehuder SV unter Hans-Herbert Ludolf Europacupsieger. Schlieckers erster internationaler Titel, auch wenn die Spielanteile gering waren. Vor ihr stand Katja Dürkop. Eine der besten Rechtsaußen der damaligen Zeit. "Es war schwer für sie, an Katja vorbei zu kommen", sagt Otto Sternberg, der 1995 beim BSV Trainer wurde. Aber Sternberg war überzeugt von ihren Qualitäten und ihrem bedingungslosen Einsatz. Er stellte sie an den Kreis, was sie auf Anhieb gut löste. Hinten übernahm sie in der 5:1-Abwehr die Spitze. "Besonders ihre Abwehrarbeit hat uns einige Punkte gebracht", ist Sternberg voll des Lobes.

Auch der damalige Bundestrainer Ekke Hoffmann nahm Notiz von Schlieckers Leistungen und nominierte sie für die Nationalmannschaft. Melanie Schliecker erlebte das hundertjährige Bestehen der Olympischen Spiele 1996 in Atlanta hautnah. "Die Eröffnungsfeier, die Abschlussfeier, das Olympische Dorf und die sportlichen Events waren überwältigend", sagt Melanie Schliecker und schwärmt noch heute. Die Rechtsaußen kam gegen Angola zum Einsatz. Das war eines von insgesamt 114 Länderspielen für die deutsche Nationalmannschaft. Überhaupt zählen die internationalen Erfahrungen zu Schlieckers schönsten Momenten ihrer Karriere. Durch den Europacup kam sie in Länder und Städte, die sie sonst nicht gesehen hätte. "Ich wäre wohl sonst nie in Island gelandet", sagt sie.

Die Karriere von Melanie Schliecker ist eng mit dem Buxtehuder SV verbunden. Ihre 13 Jahre beim Bundesligisten beeindrucken auch Peter Prior, Geschäftsführer des BSV. "Neben Stefanie Melbeck ist Schliecker die einzige Spielerin aus der Region, die auf eine internationale Karriere zurückblicken kann. Das ist großartig", so Peter Prior. Melanie Schliecker hält mit 291 Bundesligaeinsätzen den Rekord beim BSV. "In unserer Historie wird Melanie immer einen wichtigen Platz einnehmen", so der Manager.

"Das ist eine Karriere, die seinesgleichen sucht", sagt Ilona Heinzelmann, Managerin der SGH Rosengarten-Buchholz. 2005 wechselte Melanie Schliecker zum damaligen ambitionierten Regionalligisten, der den Sprung in die Bundesliga geschafft hat. "Für uns war Melanie ein absoluter Glücksgriff", so die Managerin, "sie konnte viel weitergeben. Ich hoffe, dass sie uns in irgendeiner Form erhalten bleibt." Das hofft auch Martin Hug, ihr Trainer bei der SGH. "Melanie Schliecker steht für Eigenverantwortung, Siegeswillen und Leistungsbereitschaft. Sie ist dabei sehr teamorientiert", sagt Hug. Für ihn war Melanie Schliecker immer eine wichtige Ansprechpartnerin. Hug ist auch neben dem Spielfeld von Schliecker begeistert. Ihm ist in vielen Beispielen aufgefallen, was für eine feine Ader sie gegenüber den Zuschauern und kleinen Kindern an den Tag gelegt hat. Von dieser Ader ist auch Natascha Kotenko überzeugt. "Der Job mit Kindern ist genau das richtige für sie", sagt Kotenko über die Förderschullehrerin Schliecker.

Natascha Kotenko und Melanie Schliecker haben zusammen in Buxtehude und Rosengarten gespielt. "Wir haben die gleiche Handballphilosophie", so Kotenko, "Melanie ist die beste Rechtsaußen, mit der ich je zusammengespielt habe." Natascha Kotenko hängt bei der SGH noch ein Jahr ran. Doch für Schliecker ist endgültig Schluss. "Mein Körper macht das nicht mehr mit", sagt Melanie Schliecker, die sich auf die freie Zeit freut. In der vergangenen Saison hat sie sich mit einer angerissenen Achillessehne rumgeplagt und konnte nicht alle Spiele bestreiten. Doch sie wollte sich ihr Karriereende nicht von einer Verletzung diktieren lassen und versuchte im harten Abstiegskampf die Mannschaft zu unterstützen. Am Ende reichte es nicht.

Melanie Schliecker hat in über 30 Jahren Handball viel erlebt. Es gab kaum ein Spiel, das ohne Familie Schliecker auf der Tribüne angepfiffen wurde. Ihre Eltern, Hannelore und Peter Schliecker, haben sie auf ihrer langen Handball-Reise begleitet. Jugendspiele, Bundesligaspiele, Länderspiele und Europacup-Reisen. Für Peter und Hannelore war kein Weg zu weit. Manchmal trennten sich die Eltern, um beiden Töchtern zuschauen zu können. Denn auch Tina Schliecker, die jüngere Schwester, ist Handballerin, spielte beim Drittligisten VfL Stade.