17 500 Fans schreien den 22-Jährigen aus Amelinghausen zum DM-Heimsieg in Braunschweig

Amelinghausen. "Auf Bahn fünf der Vorlaufschnellste Sören Ludolph von der LG Braunschweig." Schon als sein Name über die Lautsprecher geht, scheint das Eintracht-Stadion an der Hamburger Straße mehr denn je an diesem zweiten Tag der deutschen Leichtathletik-Meisterschaften in Braunschweig zu brodeln. Viele der 17 500 Zuschauer kennen ihn persönlich, haben den Weg des Jungen aus Amelinghausen in der LG Lüneburg und der LG Nordheide jahrelang begleitet, drücken dem sympathischen Blondschopf deshalb ganz besonders die Daumen. Andere freuen sich einfach, dass ein Niedersachse nach dem deutschen Meistertitel, nach dem Heimsieg greift.

Der junge Mann unten auf der Kunststoffbahn registriert den aufbrandenden Jubel mit hoch erhobenen Atmen. Kurz dreht er sich um, dann ist er wieder voll konzentriert. Selbst die Fernsehkamera, die ihm bis wenige Sekunden vor dem Startschuss ins Gesicht zu krabbeln scheint, kann ihm nichts anhaben. Dann geht es los. Nach wenigen Meter ist klar, dass die drei Protagonisten im 800-Meter-Finale, neben Ludolph noch WM-Teilnehmer Robin Schembera (Leverkusen) und Sebastian Keiner (Erfurt), keine Jagd auf die EM-Norm (1:46,00 Minuten) für Barcelona machen. Das Tempo ist moderat, ein typisches Meisterschaftsrennen. Ludolph hält sich an dritter oder vierter Stelle auf. Außenseiter Tim Jurich führt das Feld nach 55 Sekunden in die letzte Runde, auch nach 600 Metern liegt der Hallenser an der Spitze.

Dann der Endspurt. Sören Ludolph stürmt 130 Meter vor dem Ziel an die Spitze, sofort gekontert vom innen laufenden Robin Schembera. Der Titelverteidiger liegt einen Meter in Front, als er sich 50 Meter vor Schluss einen Schulterblick auf seinen Braunschweiger Widersacher gönnt. Für Ludolph ein Zeichen von Schwäche, das Startsignal für den ultimativen Angriff. Zentimeter um Zentimeter schiebt sich der angehende Polizeikommissar an Schembera heran. Die Masse reißt es von den Sitzen. Sie können kaum glauben, dass ihr Lokalmatador Brust an Brust mit dem Favoriten um die Goldmedaille kämpft. Bis zum Zielstrich ist kaum ein Unterschied auszumachen. Die Uhr bleibt bei 1:50,54 Minuten stehen. Sören Ludolph ballt die Faust, reißt die Arme hoch. Auch wenn es nur zwei Hundertstel Differenz sind, ist allen sofort klar: "Unser Sören hat gewonnen!"

Für den neuen deutschen Meister von der LG Braunschweig schließt sich ein Kreis. Vor fünf Jahren war er an gleicher Stelle als B-Jugendlicher erstmals deutscher 800-Meter-Meister geworden. Vor einem Jahr in Ulm hatte der ebenfalls 1988 geborene Schembera den Angriff von Ludolph knapp abgewehrt. Jetzt ist er da, der erste deutsche Meistertitel bei den Männern für den Jungen aus Amelinghausen. "Nur einmal hab ich ihn bisher geschlagen, beim Crosslauf", erzählt Ludolph später.

Da hat er eine Gratulationskur hinter sich. Inklusive eines Live-Interviews mit Moderator Markus Othmer direkt im Stadion, das wenigen Siegern vorbehalten ist. Schon im Vorlauf habe er gemerkt, dass er von den Zuschauern förmlich getragen werde, gibt Ludolph Einblick in seine Gefühle. "Heute war es dann noch bombastischer. Die letzten 100 Meter bin ich wie auf einer Welle gelaufen", bedankt er sich bei seinem Publikum. Und gibt wie aufs Stichwort das Startsignal zu einer LaOla-Welle. Selbst Othmer kann sich dieser Begeisterung nicht entziehen und erklärt das Braunschweiger Eintracht-Stadion kurzerhand "für einen Tag zum Sören-Ludolph-Stadion".