Acht internationale Schwergewichtler ermitteln in der Schützenhalle Buchholz den Europameister im Catchwrestling

Buchholz. Von wegen, das ist doch alles nur Show. Einige Zuschauer bei der Catchwrestling-Europameisterschaft in Buchholz wagten nicht zu lachen, als die beiden Finalisten Einzug in die Schützenhalle hielten. Erik Isaksen, der rothaarige Wikinger aus Norwegen, schob provozierend seine 100 Kilo Muskeln an den Fans in der ersten Reihe vorbei und blickte grimmig in ihre Gesichter. Nur ein kleiner Junge wagte unter vorgehaltener Hand leise zu kichern.

Oben im Ring, als der Sprecher den Gegner, Englands Meister "Rampage" Brown, vorstellte (1,85 Meter, 108 Kilo), schlug der Skandinavier schon zu, bevor der Schwergewichtskampf um den EM-Titel eröffnet war. Es ist dieser ewige Kampf zwischen dem Bösen und dem Guten, der auch diese gespielte Brutalo-Show mit hohen sportlichen Elementen so faszinierend macht.

Nach Buchholz hatten acht europäische Wrestling-Verbände ihre nationalen Schwergewichts-Meister entsandt. In der Schützenhalle waren in vier Viertelfinal- und zwei Halbfinal-Kämpfen die beiden ermittelt worden, die jetzt die spektakuläre Finalshow abzogen. Die Rollen waren klar verteilt. Isaksen im goldenen Höschen spielte den unfairen, brutalen Buben. Gentleman Brown, angefeuert von mehreren begeisterten Frauen, mimte den Guten.

Der wurde zunächst kräftig verhauen. Der Wikinger hatte ihn gepackt, über die Schulter gelegt und warf ihn aus dem Ring. Die Zuschauer in den vorderen Reihen sprangen zur Seite, Stühle flogen. Der Norweger setzte mit wütendem Gebrüll nach, sprang aus dem Ring, trat und schlug auf den sich am Boden Wälzenden ein. Die Szene wirkte so echt, dass eine ältere Dame erschrocken reagierte. "Das finde ich jetzt aber arg böse", raunte sie ihrem Mann zu.

Als die Kämpfer wieder im Ring aufeinander einschlugen, gingen sich draußen ihre Assistenten an die Wäsche. Ringrichter Tassilo Jung versucht die beiden auseinander zu halten. Er ist in dieses Spiel eingebunden. Der 28 Jahre alte Student der Volkswirtschaftslehre ist von allen Aktiven der mit der weltweit größten Erfahrung.

Der internationale Referee hat schon im Parlamentsgebäude in Kamerun Kämpfe vor tausenden Zuschauer geleitet ("An jeder Ringecke war ein bewaffneter Polizist postiert"), ist in Frankreich von aufgebrachten Zuschauern verfolgt worden und hat in den USA und in Japan Kämpfe über die Bühne gebracht. "Das sind die Länder", erzählt der Kenner der internationalen Szene, "in denen die Stars Millionen verdienen. In Deutschland kann nur Bad Bones alias John Kay aus Bitburg vom Wrestling leben. Dazu muss er 200 Kämpfe im Jahr bestreiten. Die anderen kämpfen nur auf zweiter Steuerkarte."

Erik Isaksen, der Brutale, glänzt vor Schweiß. Am Hals und auf der Brust zeigen sich kräftige Schrammen. Die Show erfordert höchste sportliche Fitness, Kraft und Kondition. Seit fast einer halben Stunde tobt die Show. Beide sind mit ihren Kräften am Ende. Da hat Gentlemen Brown den Bösen aus Norwegen plötzlich gepackt, hebt ihn von den Brettern und wirft ihn über seinen Kopf auf die Schultern. Dieser Wurf, der ihm den Europameister-Titel bringt, ist in der Catchwrestlerszene als "the german suplex" gefürchtet.

Kreiert und weltweit berühmt gemacht hat ihn die deutsche Ringerlegende Wilfried Dietrich. Der "Kran von Schifferstadt" hatte bei den Olympischen Spielen 1972 in München den amerikanischen Vier-Zentner-Koloss Chris Taylor mit diesem Wurf aufs Kreuz gelegt. Daran werden sich in der Schützenhalle in Buchholz jetzt allerdings nur noch die Älteren unter den Zuschauern erinnert haben.