Abendblatt-Mitarbeiter Timo Hölscher fordert den deutschen Titelträger Tim Schröder auf dem Trainingsgelände in einem Kart heraus.

Lüneburg/Embsen. Regelmäßig landen Meldungen auf dem Schreibtisch eines Sportjournalisten, bei denen nur schwer einzuschätzen ist, wie hoch der Stellenwert dieser Information ist. Deutsche Meister gibt es schließlich in jeder Sportart, so auch im Kartfahren, aber wie soll man dies bewerten? Ich selbst habe einen Pkw-Führerschein und war früher auch mal in Autoscootern unterwegs. So schwer kann dann ja wohl auch Kartfahren nicht sein, dachte ich mir, und forderte den deutschen Meister des Dachverbandes ADAC in der Kategorie ICA 100, Tim Schröder aus Klein Wesenberg (Schleswig-Holstein), zu einem Vergleichskampf heraus.

Auf dem Weg zur Outdoor-Kartbahn in Lüneburg-Embsen überlegte ich mir, dass ich eigentlich geradezu prädestiniert sein müsste, um Kart zu fahren. Ich war in meiner fast 13-jährigen Karriere als Autofahrer kurz zuvor zum fünften Mal geblitzt worden. Der Unterschied von Gas- und Bremspedal ist mir daher sehr wohl bewusst. Als ich das großflächige Trainingsgelände an der Bundesstraße 209 erreichte, ging meine Laune rapide in den Keller. Ich war schwer beeindruckt von dem Tempo der Karts und suchte bereits vergeblich nach einer kleinen Nebenbahn, auf der ich erst einmal üben könnte.

Doch dann traf ich auch schon auf meinen Gegner. Tim Schröder sagte mir, dass das Bedienen eines Karts ganz einfach sei: "Links ist die Bremse, rechts Gas." Das klingt ja in der Tat nicht schwierig. Meine vorsichtige Frage nach einer Trainingsbahn wurde mit Fingerzeig auf die Hauptanlage wortlos beantwortet. Und schon saß ich drin in einem "Viertakter", der mit elf Pferdestärken ausgestattet ist. Der Motor wurde gestartet und ich rollte los in Richtung Piste. Dass das kleine Rennauto über keine Servolenkung verfügt, wurde mir schnell klar.

Wie vor einem Stoppschild machte auch ich unmittelbar vor der Hauptstrecke scheinbar routiniert halt. Ich wollte nicht gleich negativ auffallen. Auf der Kartbahn, die von der Rennsportgemeinschaft Hamburg betrieben wird, können sich täglich bis zu 20 Fahrzeuge gleichzeitig messen, doch überraschenderweise kam irgendwann niemand anderes mehr. Ich setzte das Kart in Bewegung, dann die erste Kurve. Nach der Betätigung des Bremspedals schlich ich durch die erste Herausforderung. Es folgte die erste Gerade, wobei mich schon vier andere Fahrer überholt hatten. Auf die Frage, ob ich mich in den Kurven als Anfänger lieber rechts halten solle, sagte Schröder nur, dass sei nicht notwendig. Meine Konkurrenten nähmen ohnehin Rücksicht. So schlingerte ich bei Veränderung der Richtung meist mittig vor mich hin - und wurde reihenweise überholt.

Viele Fahrer hoben anschließend einen Arm. Meine Überlegung, ob sie sich dafür bedankten, dass ich sie vorbeigelassen hatte oder ob sie sich darüber echauffierten, was ihnen für ein langsamer Trottel die normale Fahrt erschwere, blieb unaufgeklärt. Gelegentlich sauste ein blaues Etwas an mir vorbei. Das musste Schröder gewesen sein. Naja, er fährt ja auch ein Rennkart mit 32 PS und hat damit deutliche Vorteile im Gegensatz zu mir. Insgesamt erreichen Karts Geschwindigkeiten bis 130 Stundenkilometern, ich blieb wohl knapp drunter. Nach sechs Runden hatte ich genug und fuhr aus der Rennstrecke heraus. Da stand auch schon der deutsche Meister, der etwa zehn Mal im Jahr nach Lüneburg zum Training kommt. War ihm etwa die Puste ausgegangen? Auch diese Frage blieb unbeantwortet, aber vielleicht hatte er sich unter einem "Gegner" auch etwas anderes vorgestellt.

Anschließend erzählte er mir, dass er noch bis Ende Januar 2011 als Auszubildender zum Automobilkaufmann in einem Autohaus (Renault) in Bad Oldesloe arbeitet und danach an der Bundesfachschule für Betriebswirtschaft im Kraftfahrzeuggewerbe in Northeim studieren möchte. Der 21-Jährige heißt mit zweitem Vornamen Alain, in Anlehnung an den früheren französischen Weltklasse-Formel-1-Fahrer Alain Prost. Sein Vater Lorenz (57) ist großer Motorsportfan. Als Ergänzung zum Kartfahren stemmt er regelmäßig Gewichte und fährt im Winter Snowboard. "Beim Kartfahren geht es richtig zur Sache. Da muss man körperlich topfit sein", sagt Tim Schröder. Er träumt zwar weiter von einer Karriere als Formel-1-Fahrer, sieht seine Situation aber realistisch: "Dafür bin ich wohl schon zu alt. Außerdem müsste ich bis zu 400 000 Euro mitbringen."