Auch heute ist er wieder unterwegs, im Laufschritt, zu seiner Rechten die unendliche Weite der Adria im Blick.

- Um sechs Uhr früh hat sich Ultralangläufer Jörg Koenig auf die Strecke gemacht. Von Campomariono bis Torino Di Sangro. Genau 62,2 Kilometer. Es ist die vierte Etappe dieses Läuferwahnsinns, der sich Transeuropa Footrace nennt.

Am Sonntag war im italienischen Bari der Start für 56 Männer und zwölf Frauen mit zwölf unterschiedlichen Nationalitäten. Alle bereiten sich seit zwei Jahren auf dieses Herausforderung vor. Das Ziel heißt: am 21. Juni am Nordcup in Norwegen ankommen. Die es schaffen, haben dann 4485 Kilometer und 600 Meter zurückgelegt, in 64 Tagen ohne Pause.

Und warum das alles, Herr Koenig? Was treibt einen bald 60-Jährigen, sich solchen Strapazen auszusetzen? "Das ist die logische Fortsetzung von allem, was ich als Ultralangläufer bisher gemacht habe", lautet die Antwort. Der Mann ist schon von Kap Arkona auf Rügen nach Lörrach gelaufen, 1200 Kilometer in 17 Tagen, vom Ärmelkanal zum Mittelmeer, 1150 Kilometer in 18 Tagen quer durch Frankreich. Insgesamt hat Koenig 340 Marathons und Ultralangläufe durchgestanden. "Und jetzt die Krönung", fügt er hinzu, "einmal zu Fuß durch Europa. Für mich ist das mein persönliches Olympia."

Allerdings, länger als zwei Monate auf den Beinen zu sein, sich jeden Morgen gegen vier Uhr hochzuquälen und im Durchschnitt täglich 70 Kilometer hinter sich zu bringen, ist kein Spaß. Und Jörg Koenig ist kein Träumer. Wer das durchstehen will, muss fest auf dem Boden stehen.

"Genau 64 Tage vor dem Start habe ich mit den Vorbereitungen begonnen", erzählt der Sportler vom VfL Stade. "Da habe ich mir zu Hause ein Maßband von 128 Zentimeter Länge auf den Tisch gelegt. Und seitdem schneide ich jeden Tag einen Zentimeter ab. Mein Ziel und meine Sehnsucht, das ist der 21. Juni, das ist die Ankunft am Nordcup, das ist das Ende. Darauf freue ich mich."

Jörg Koenig hat vor dem Lauf Respekt und Angst verspürt. "Es ist ja kein Spaß, wenn du morgens irgendwo in einer Turnhalle aus dem Schlafsack kletterst, die Beine und Gelenke tun so weh, dass du am liebsten auf allen Vieren unter die Dusche krabbeln möchtest. Und du weißt, du wirst wieder acht bis zehn Stunden unterwegs sein, meist mit dir und deinen Gedanken allein. Zwei Monate musst du täglich Tausende Kämpfe mit dir austragen, dich immer wieder antreiben, immer das eine Ziel über alles andere stellen: Ankommen."

Die Meldegebühr für den Transeuropa Footrace beträgt 6000 Euro pro Teilnehmer. Jörg Koenig, der im Wachdienst bei Airbus beschäftigt ist, hat 35 Tage Urlaub angespart, nimmt unbezahlten dazu. Gehofft hatte er auf eine kleine Unterstützung seines Vereins VfL Stade. "Aber ich habe nie etwas gehört", sagte er vor dem Abflug nach Bari.