Anhänger eines neuen Kunst- und Lebensstils zeigten sich in Stade. Sie gestalten die Welt, wie Jules Verne sie beschrieben hatte.

Stade. Steampunks sehen eine virtuose Fantasiewelt durch ihre "Goggles", die Rennfahrerbrillen aus jener Zeit, als die Technik mit Dampf mobil machte. Diese Brille gehört zum klassischen Steampunk-Dresscode. In Stade präsentierten Künstler, Designer und Techniktüftler aus Deutschland und Europa erstmals in Deutschland beim "Aethercircus" Einblicke in ein Kulturschaffen voller Phänomene. "Steampunk entfaltete sich aus einem Literatur-Genre, das in der Zeit von etwa 1800 bis 1920 angesiedelt ist", erklärt Horatius Steam, der eigentlich Jochen Enderlein heißt und aus Hamburg kommt.

Inzwischen eint Steampunk eine internationale Gemeinschaft von Kulturschaffenden. Das Zeitalter der Dampfmaschinen, worin der Begriff Steampunk seinen Ursprung hat, prägt die Objekte und Bilder, den Schmuck und die Mode der Steampunks, deren Einfallsreichtum an Designvielfalt in Stade von den Besuchern in höchsten Tönen gelobt wurde.

Einer der passionierten Steampunk-Stylisten ist André Kahlke aus Itzehoe. Er erklärt seine Arbeiten so: "Perfekte Formen wie die Cola-Flasche, der Porsche oder das Telefon W 48 bleiben in ihrer vollendeten Harmonie von Optik und Gebrauchseigenschaften immer faszinierend." Sein Laptop-Eigenbau sieht deshalb aus, als käme er gerade von der Kommandobrücke der "Nautilus", dem legendären U-Boot, auf dem Kapitän Nemo das Kommando hatte. Die Tastatur ist die einer Schreibmaschine, die um 1910 als modern galt, der Monitor hat einen Kupferrahmen mit Messingblenden - das alles verbunden mit neuester Technologie.

Die Steampunk-Bewegung hatte vor rund zehn Jahren in den USA und Russland ihre Ursprünge und breitet sich nun weltweit aus. Erfasst von der Steampunk-Welle sind Maler und Filmemacher, Kostüm- und Schmuckdesigner, Modelleure und Technikfreaks, Theater- und Puppentheaterregisseure, Literaten und Musiker. Sie alle gaben in Stade Kostproben ihrer Passion für jede Altersgruppe. So auch der aus Weißrussland stammende Kunstmaler Vadim Voitekhovitch. Seine großformatigen Szenen als Gemälde und Kalender vorgestellt, könnten die Klassiker von Jules Verne perfekt illustrieren. Fliegende Amphibienfahrzeuge in Straßenschluchten und auf hoher See starten beim Betrachter sofort das Kopfkino.

"Ich bin seit einem halben Jahr in der Szene dabei und total fasziniert", sagt Sarah Meyersieck, die als Maßschneiderin in Ingolstadt lebt. Jules Verne hätte an ihrer aparten viktorianischen Staffage mit Rüschenbluse, Ledermieder, Rock und Lederstiefeletten sicher ebensolche Freude gehabt wie die Stader Besucher des Festivals.

Diesen speziellen Style zeigt Evie Machina nicht nur am eigenen Körper, sondern mit Hüten, Kleidern, Schuhen und Schmuck auch an ihrer illustren Puppengalerie. Die junge Frau wirkte nicht nur als Mitorganisatorin des Festivals mit, sondern auch bei der abendlichen Konzertshow im Königsmarck-Saal des Rathauses.