Viele heimische Amphibien und Reptilien sind akut bedroht. Der Wildpark Schwarze Berge hat einige seltene Arten in seinem Terrarium versammelt.

Vahrendorf. Maus frisst Giftschlange. Diesen Fall von verdrehter Nahrungskette gibt es tatsächlich. Wenn die Temperatur unter vier Grad sinkt, verfallen heimische Schlangen in Winterstarre. Die Tierpfleger im Wildpark Schwarze Berge holen Aspis Viper, Äskulapnatter und Hornnatter dann aus der Schlangengrube. "Sie wären sonst wehrlos, Mäusen, Ratten oder Käfern schutzlos ausgeliefert", sagt Svenja Oßenbrügge. Die 31 Jahre alte Umweltwissenschaftlerin leitet seit Jahresanfang den Verein Natur-Erlebnis-Zentrum in dem Wildpark, erklärt Besuchern bei Führungen rund 30-mal im Monat die heimische Tierwelt.

Seit kurzem führt Svenja Oßenbrügge zu vier Terrarien. Der Wildpark zeigt darin neuerdings Zauneidechse, Laubfrosch, Rotbuchunke und Würfelnatter - alles Reptilien oder Amphibien, die in unserer Region zu Hause sind, aber als gefährdet, stark gefährdet oder gar ausgestorben gelten. Die Terrarientiere stammen ausschließlich aus Züchtungen, gefährdete Tiere aus der Natur darf der Wildpark nicht einfangen.

800 000 Terrarien stehen nach Angaben des Zentralverbandes Zoologischer Fachbetriebe in den deutschen Haushalten. Vor allem Schlangen und Eidechsen leben darin. Die Zeiten, als der Mensch um alles, was kriecht und kreucht, lieber einen weiten Bogen machte, sind offenbar vorbei. Die Zahl der Privathaushalte, in denen Reptilien und Amphibien wohnen, habe zugenommen, sagt Wildpark-Sprecherin Sarah Klindworth. "Wer früher ein Aquarium hatte, hat heute ein Terrarium."

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Die Faszination für bunte Exoten von fernen Kontinenten, so Svenja Oßenbrügge, habe inzwischen den Beliebtheitsgrad der heimischen Arten gesteigert. Mittlerweile schwinde das Vorurteil, in Deutschland lebende Reptilien und Amphibien seien nur grau und unscheinbar. "Viele sind verwundert, wie bunt die Tiere auch bei uns sind."

Trotz allem: Sensationslust sei nicht das Motiv gewesen, eine kleine Terrarienlandschaft aufzubauen. Der Wildpark Schwarze Berge sei nicht nur ein Park, in dem Gäste Tiere streicheln können. "Wir machen Bildungsarbeit", sagt Sarah Klindworth, "wir möchten zeigen, was hierzulande alles lebt."

Auch wenn der Mensch den Reptilien und Amphibien zunehmend den Lebensraum streitig macht - in den Harburger und Schwarzen Bergen oder in der Fischbeker Heide kriechen, krabbeln und klettern sie noch. Die Zauneidechse zum Beispiel. 15 Zentimeter wird der kleine Drachen lang. Die Echse hält sich bevorzugt auf Mauervorsprüngen oder Natursteinmauern auf. Ihre Lieblingsspeise sind Heuschrecken.

Kolkrabe, Marder, Fuchs und Dachs wiederum fressen die Zauneidechse. Zum Schutz vor ihren natürlichen Feinden verfügt sie über einen ausgeklügelten Täuschungsmechanismus: Berührt etwas sie am Schwanz, fällt das Körperteil ab. Der Schwanz zuckt anschließend noch weiter, sodass der Jäger den Eindruck hat, etwas Lebendiges im Maul haben. Den Bluff nutzt die Echse, um sich aus dem Staub machen zu können. Der später nachwachsende Schwanz wird aber nicht mehr so lang wie das Original. Gegen den Menschen helfen derartige Tricks nicht: Die Zauneidechse steht in Hamburg auf der Roten Liste, gilt als "stark gefährdet". Der farbenprächtigen Echse geht es noch besser als der Würfelnatter. Die etwa einen Meter lange Würgeschlange ist ein Wasserjäger und erdrosselt Fische. Sie frisst Stint und Fische, die auf dem Gewässerboden leben. "Bei uns existiert sie nicht mehr", sagt Svenja Oßenbrügge. An der Elbe bei Meißen findet die Würfelnatter noch Lebensraum mit den Flachwasserzonen, die sie für den Ein- und Ausstieg braucht.

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Aufmerksame Spaziergänger könnten aber der Kreuzotter in der Fischbeker Heide begegnen. Wer etwas kriechen sieht, dürfte in den meisten Fällen auf die Blindschleiche treffen. In Wäldern und auch Gärten ist das Tier zu Hause, das häufig für eine Schlange gehalten wird, tatsächlich aber eine Eidechse mit zurückgebildeten Füßen ist. Am aktivsten ist es bei 23 Grad. Das bis zu einen halben Meter lange Kriechtier ernährt sich von Insekten und gilt als Überlebenskünstler. "Die Blindschleiche", sagt Svenja Oßenbrügge, "ist tolerant, was den Lebensraum angeht."

Dem Laubfrosch dagegen setzt der Mensch schlimmer zu. In Hamburg gilt er als vom Aussterben bedroht. Selbst seine erstaunliche Kletterfähigkeit rettet ihn nicht: Mit seinen Haftfüßen kommt er mühelos den Baum hinauf. "Seine Passion ist es, Richtung Himmel zu laufen", sagt Svenja Oßenbrügge beinahe philosophisch. Grasflächen innerhalb von Wäldern und Feuchtigkeit braucht der Laubfrosch aber dennoch zum Überleben - und findet sie offenbar immer seltener.

Als ausgestorben in Hamburg gilt die Rotbauchunke. Trotzdem hat Svenja Oßenbrügge eine vor gar nicht langer Zeit in der Natur gesehen. "Ausgestorben oder verschollen heißt nicht, dass man einzelnen Exemplaren nicht doch in ruhigen Gewässern begegnen kann", erklärt sie. Der kleine, aber laute Schreier, dessen Laute ähnlich klingen wie eine Eule, beherrscht eine beeindruckende Fähigkeit: Bei Gefahr bläst das Tier einen Luftsack auf und zeigt seinen Feinden, Storch, Schwan oder Kolkrabe, seinen rot leuchtenden Bauch. Das soll signalisieren: "Ich bin ungenießbar wie ein Fliegenpilz."

Wer den stark gefährdeten Reptilien und Amphibien nicht schaden möchte, sollte drei Dinge nicht tun: Nicht anfassen! Hunde zurückhalten! Und beim Spaziergang nicht quer durch das Unterholz laufen. "Wer möchte schon", gibt Svenja Oßenbrügge zu bedenken, "dass jemand durch sein Schlafzimmer läuft."