Jugendliche aus Stade, Givat Shmuel und Goldap trafen sich in Stade. Gemeinsamer Besuch der Gedenkstätte Bergen-Belsen.

Stade. Jugendliche aus Israel, Polen und Deutschland verbringen Zeit miteinander. Sie lernen sich kennen, haben Spaß, schließen Freundschaften. Doch ihre Heimatländer haben auch eine gemeinsame Vergangenheit, eine schreckliche Vergangenheit. Diese nicht zu vergessen, das ist ein Ziel der trinationalen Jugendbegegnung zwischen den Partnerstädten Stade, Givat Shmuel und Goldap. Zwölf Tage waren die Gäste in Stade, heute reisen sie wieder ab. Die Gegenbesuche sind für das kommende Jahr geplant.

Nia ist zum ersten Mal in Deutschland. Der 16-jährige Israeli ist beeindruckt. "Es ist alles wirklich nett und sauber hier", sagt er. Nia ist hergekommen, um neue Menschen zu treffen, aber vor allem um die deutsche Geschichte und Kultur kennenzulernen. Deshalb war er auch sehr gespannt auf den gemeinsamen Ausflug zur Gedenkstätte des ehemaligen Konzentrationslagers in Bergen-Belsen. Auch die 17-jährige Ewa aus Polen fand es spannend, in Bergen-Belsen zu sehen, "wie die Deutschen ihre Geschichte aus ihrer Sicht präsentieren". Eva Charlotte Süling aus Stade war zunächst unsicher. "Ich wusste ja nicht, wie die anderen reagieren und wie ich reagiere", sagt die 16-Jährige. Die gemeinsame Vergangenheitsbewältigung ist für sie ein wichtiger Part der Jugendbegegnung. "Es ist zwar kein Teil meiner direkten Vergangenheit, aber so etwas darf auf keinen Fall wieder passieren", sagt Eva Charlotte.

Der Besuch in der Gedenkstätte sei "sehr bewegend" gewesen, sagt Karina Holst, Referentin für Städtepartnerschaften und Integration der Hansestadt Stade. Die 30 Jugendlichen und ihre Begleiter sind in Begleitung von zwei Pädagogen zunächst über das gesamte Gelände des früheren Konzentrationslagers gegangen. Bewegend sei auch der Gedanke an die Massengräber gewesen., sagt Holst. "Die Jugendlichen waren sehr betroffen, einige haben geweint. Es sind auch Verwandte von ihnen dort gestorben." Bei einer gemeinsamen Zeremonie am Obelisk hätten sie aller Opfer des Nationalsozialismus gedacht. Jugendliche aus allen drei Ländern lasen kurze Texte, mit Schilderungen von Zeitzeugen. Die Israelis spielten dazu bewegende Musik.

"Durch das gemeinsame Erkennen und Erleben von menschlichen Abgründen wird jedem Teilnehmer vor Augen geführt, wie wichtig Freundschaft, Menschlichkeit und Nächstenliebe sind", sagte Stades stellvertretender Bürgermeister Oliver Grundmann, der die Jugendlichen, ihre Betreuer und Gastfamilien zu Beginn der gemeinsamen Zeit im Stader Rathaus empfing. Gerade das gemeinsame Erleben sei sehr wichtig, sagt Grundmann.

Das gemeinsame Verarbeiten und Erleben der Geschichte sei ein elementarer Bestandteil der Jugendbegegnung, sagt auch Karina Holst. Doch es gehöre noch mehr dazu. Die Jugendlichen hätten auch die Chance, andere Länder kennenzulernen. Denn die Gruppe, die jetzt in Stade zusammengekommen ist, trifft sich vom 14. bis zum 25. März 2013 in Israel und am Anfang der Sommerferien 2013 folgt der Gegenbesuch in Polen.

Außerdem können die Jugendlichen neue Freundschaften schließen, es geht um Kulturaustausch und Völkerverständigung, denn in den Gastfamilien erleben die Jugendlichen den Alltag in den anderen Ländern ganz nah. "Sie nehmen auch viel für ihr Leben mit", sagt Holst. Ein Beispiel ist die Teamarbeit, die beim gemeinsamen Kochen gefördert wird. Denn die Jugendlichen haben ein internationales Drei-Gänge-Menü gezaubert. Als Vorspeise gab es Falafel, Tchinah, Shakshuka, allesamt Spezialitäten aus Israel. Als Hauptspeise gab es zünftige deutsche Frikadellen mit Rotkohl und Kartoffeln - und als Nachspeise Faworki, polnisches Schmalzgebäck.

Karina Holst ist mehr als zufrieden mit dem Verlauf der Jugendbegegnung. Zwar seien die vergangenen zwölf Tage anstrengend gewesen, doch es habe sich gelohnt. Vor genau zwei Jahrzehnten gab es zum ersten Mal eine trinationale Begegnung zwischen Jugendlichen aus Stade, dem israelischen Givat Shmuel und dem polnischen Goldap. Seit inzwischen 25 Jahren verbindet Stade und Givat Shmuel eine offizielle Partnerschaft und vor 14 Jahren besiegelten auch Stade und Goldap ihre freundschaftliche Beziehung. Seit 1997 gibt es als logische Konsequenz auch eine offizielle Städtepartnerschaft zwischen Goldap und Givat Shmuel.

Zwischenzeitlich ruhte die länderübergreifende Jugendbegegnung zwar für einige Jahre. Aber: "Die Jugendbegegnung ist so wichtig, weil sie die Basis für die Zukunft ist", sagt Karina Holst, die 2005 ihre heutige Funktion bei der Hansestadt übernommen hat. Eine ihrer ersten Amtshandlungen damals war die Wiederbelebung der trinationalen Jugendbegegnung, so wie sie heute wieder begangen wird. Für dieses Jahr endet am heutigen Tag die erlebnisreiche Zeit für die Jugendlichen, ihre Betreuer und Gastfamilien sowie die Organisatoren. Es hätten sich tatsächlich neue Freundschaften entwickelt, sagt Karina Holst. "Der Abschied wird daher sehr schwer werden."