In unserer Serie steuern wir Sportboothäfen entlang der Elbe an. Heute: der Sportboothafen Stöckte, in dem der Boots-Club Oberelbe zu Hause ist.

Sportbootfahren ist Vielfalt - und eine Herzensangelegenheit. Manch ein Bootsfreund nennt es ein Hobby, eine Freizeitbeschäftigung. Für andere ist es eine lebenserfüllende Aufgabe - oder trägt für sie ein Lebensgefühl in sich, das sie nicht missen wollen. "Ich bin in Dänemark, genauer gesagt in Sønderborg, aufgewachsen. Von klein auf war ich im und auf dem Wasser, bin geschwommen und Boot gefahren", sagt Jürgen Schmidt, 78. "Mein Verhältnis zum Wasser ist also gut. Das nasse Element begleitet mich mein ganzes Leben." Der Rentner hievt gerade die letzten Taschen und Koffer auf sein Motorboot, wo seine Frau Jutta bereits wartet. Das Ehepaar liegt mit ihrem Boot in der idyllisch ruhigen Bucht des Sportboothafens Stöckte.

Kein Lüftchen weht, und die Sonne schickt sanfte Wärme auf die Erde hinab. Auf dem Wasser liegt ein reflektierender, bunter Film. Kein giftiges Öl - natürliches Sediment, das sich auf der ruhigen Wasseroberfläche sammelt. Man könnte beinahe meinen, man befände sich in einer von Schilf umwucherten Bucht eines tropischen Stroms.

Der Sportboothafen Stöckte liegt inmitten eines Naturschutzgebiets. Dadurch ist das Umland unberührt und dicht bewachsen. Zwei dünne, üppig bewachsene Landzungen trennen den Hafen vom Ilmenau-Kanal. An der Hafeneinfahrt, auf, vom Kanal aus gesehen, der rechten Landzunge, "weht" ein metallener Wimpel mit den Vereins-Farben des Boots-Clubs Oberelbe, kurz BCO: weiß-rote Raute auf blauem Grund. "Eine echte Flagge kann dort nicht wehen. Schließlich dürfen wir die Landzunge nicht betreten, es ist ja Naturschutzgebiet", erklärt Peter Hallauer. Der 69-jährige Rentner vertritt den erkrankten Hafenmeister. "Niemand dürfte dort eine Flagge hissen. Also haben wir uns für eine pflegeleichte Variante entschieden."

Für die Mitglieder des BCO, der am Stöckter Hafen seine Hallen hat, fühlt sich die Arbeit im Verein - umgeben von Natur und Ruhe - nur halb so anstrengend an wie anderswo. Und Arbeit gibt es immer wieder. "Das Vereinsleben macht Spaß, birgt aber auch Arbeit. Jedes Mitglied muss einen vorgeschriebenen Arbeitsdienst leisen", sagt Sascha Rose, Zweiter Vorsitzender des BCO. "Maschinen müssen repariert werden. Hallen müssen instand gehalten werden. Alle Stege müssen im Winter aus dem Wasser." Zum Glück habe der Verein engagierte Mitglieder. "Beinahe alle Hand- und Nicht-Handwerke sind in unserem Verein vertreten."

Sportbootfahren ist Vielfalt. So gebe es Tischler, Dachdecker und Mechaniker, aber auch einen Berufspiloten, der von Zeit zu Zeit Seminare anbietet, in denen er über den Einfluss des Wetters auf das Boot Fahren aufklärt. Selbst einen Bombenentschärfer hat der Verein - Burkhardt Mantsch, der gern im Schilf des Bleckeder Sportboothafens angelnderweise Entspannung sucht.

Für das rüstige Rentner-Ehepaar Schmidt soll es nun ein letztes Mal in einem kurzen Törn Richtung Hafen Neuland gehen, da der Hafen dort bald geschlossen werden soll. Er liegt vor dem Deich, was in Hamburg verboten wird. In Niedersachsen gibt es Sonderregelungen für solche Häfen, wie in Stöckte. "Aber auch bei uns lugen nicht selten die Naturschützer um die Ecke und schauen genau, was wir hier treiben", meint Peter Hallauer.

Mit ihrem alten Leben haben Jürgen und Jutta Schmidt abgeschlossen. Mit 75 Jahren entschied Jürgen Schmidt, sich seinen Kindheitstraum zu erfüllen: endlich an das Steuerrad eines Schiffes zu rücken. Auch vorher hatten er und seine Frau ein für ihr Alter bemerkenswertes Hobby. Sie besaßen mehrere Pferde, um die sie sich mit ganzem Elan kümmerten. Doch mit den edlen Reittieren sollte mit 75 Jahren Schluss sein. Jürgen Schmidt machte den Bootsführerschein, das Ehepaar verkaufte die Tiere.

Jutta Schmidt steht voll hinter der Entscheidung ihres Mannes. "Es ist doch großartig, in unserem Alter noch einen Neuanfang zu wagen. Sicher war die Trennung von den Pferden nicht leicht, aber wir haben beide großen Spaß am Bootfahren", sagt die rüstige Rentnerin. Ihr Alter sieht man dem Ehepaar am Äußeren nicht an - beide sind gut gebaut, flink und noch voller Lebensfreude.

Jürgen Schmidt macht daraufhin die Leinen los und lässt das Boot langsam die Hafeneinfahrt hinaustreiben. Dort erwartet ihn nicht sofort der große Strom, sondern zunächst der Ilmenau-Kanal, der ein wenig später, im Herzen Stöcktes, in die Elbe mündet.

Sportbootfahren ist Vielfalt. An einem anderen Teil des Stegs wachen Horst Schleer, 71, und Christine Stanek, 61, an Bord ihres Motorbootes auf. Er Deutscher, sie in Kenia geboren, haben sich 1998 auf einem Törn in Kroatien kennengelernt. Sie verstanden sich - haben geheiratet - fuhren weiter Boot. "Unser Boot war sogar schon einmal in der Fernsehserie Polizeiruf 110 zu sehen", erzählt Horst Schleer. "Da waren wir die Verbrecher und sind geflüchtet. Die Filmleute sind einfach in den Hafen gekommen und haben unser Boot ausgesucht, weil sie es besonders ansprechend fanden." Ein wenig verschmitzt lächelt er dabei. Ein Boot ist schließlich der ganze Stolz des Skippers - sein Baby. Neben dem internationalen Ehepaar liegt Jürgen Eick, 75. Er fährt für sein Leben gern Boot - und arbeitete bereits auf Großseglern. "Der Zusammenhalt des Teams ist etwas ganz Besonderes", sagt er. "Und eine Sache ist ja wohl klar: Sobald die Leinen los sind, fängt das Abenteuer an."

Nächste Station unserer Hafentour ist der Sportboothafen Bullenhausen