Die Polizei weiht neues Trainingszentrum für rund 700 Beamte aus drei Landkreisen ein. Sie lernen dort souveränes und professionelles Handeln.

Stade. Plötzlich stürmt sein Gegenüber auf den Polizisten zu. Marc-André Wolfkühler reagiert blitzschnell, wehrt den Angriff ab, bringt den Angreifer zu Boden und fixiert ihn. Innerhalb von Sekunden hat er die Situation unter Kontrolle. Es ist nur eine Demonstration. Doch genau so soll es auch im Ernstfall laufen. Dafür müssen Polizisten trainiert werden. Am Donnerstag ist in Stade-Wiepenkathen der neue Stützpunkt für Systemisches Einsatztraining (SET) eingeweiht worden.

Täglich sind die Polizisten im Landkreis Stade mit Situationen konfrontiert, in denen den Beamten souveränes und professionelles Verhalten abverlangt wird. Dazu gehören zum Beispiel Verkehrskontrollen und Einsätze in Wohnungen, Bars oder Diskotheken, aber auch Amokdrohungen. Die Polizisten müssen in allen Fällen deeskalierend auftreten und dabei immer an ihre eigene Sicherheit denken.

Die Gewaltbereitschaft gegenüber Polizisten habe leider zugenommen, sagt Friedrich Niehörster, Präsident der Polizeidirektion Niedersachsen, der nach Wiepenkathen gekommen ist. Deshalb sei es besonders wichtig, dass die Polizisten gut vorbereitet sind. Im Jahr 1996 wurde Systemisches Einsatztraining in Niedersachsen aus Nordrhein-Westfalen übernommen. Mittlerweile gibt es landesweit mehr als 30 SET-Stützpunkte, drei davon befinden sich im Bereich der Polizeidirektion Lüneburg: in Lüneburg selbst, in Bad Fallingbostel und in Stade.

Das Trainingszentrum in Stade gibt es seit 2005. Bislang war es im Nebengebäude einer Kfz-Werkstatt untergebracht. Dann hat sich die Möglichkeit ergeben, dass die Polizei in das Gebäude des Stader Eichamtes einziehen kann. Rund 14 000 Euro sind in die Renovierung der Räumlichkeiten investiert, für 7800 Euro ist neues Equipment angeschafft worden. Jetzt verfügt der Stader Stützpunkt auch über einen Trainingsraum (Dojo) mit besonderem Holzschwingboden, der rund 8000 Euro gekostet hat. Neben Büros, einem Seminarraum, Umkleiden, einem Lagerraum und einer Küche gibt es im Keller eine Trainingswohnung, in der die Beamten möglichst realitätsnah üben können.

Damit die Trainings auch den Bedürfnissen im Einzugsgebiet und an die realen Herausforderungen angepasst sind, hospitieren die SET-Trainer sechs Wochen pro Jahr im Einsatz- und Streifendienst. Die Trainer in Stade sind Dirk Schwarz, Marc-André Wolfkühler und Sebastian Rauba. Sie betreuen derzeit etwa 700 Polizeibeamten aus den Polizeiinspektionen Stade, Rotenburg und Harburg. Seit 2010 sind Polizeibeamte mit Bürgerkontakt per Erlass verpflichtet, mindestens acht Stunden im Jahr bestimmte Trainings am SET-Stützpunkt zu absolvieren.

"Wir bilden fort in den Aufgabenfeldern Stress, Taktik und Eigensicherung, Kommunikation, Eingriffstechniken sowie Abwehr und Zugriffstechniken, Recht und Nichtschießen beziehungsweise Schießen", sagt SET-Trainer Dirk Schwarz. Hinzu kommt unter anderem noch Einsatzfahrtraining. So soll der Standort in Stade auch noch zwei Garagen bekommen. Jede Woche werden am Stader Stützpunkt an etwa vier Tagen unterschiedliche Seminare mit bis zu zwölf Teilnehmern angeboten. Neben Theorie gehört vor allem praktisches Training dazu. Diverse Szenarien werden simuliert und geübt.

Bei der offiziellen Einweihung zeigen die SET-Trainer Marc-André Wolfkühler und Sebastian Rauba den Gästen Auszüge aus dem Trainingsprogramm. "Bei den Abwehr- und Zugriffstechniken trainieren wir wenige standardisierte Griffe", sagt Rauba.

Diese sollten alle Polizisten möglichst sicher beherrschen. Für ihre Einheiten orientieren sich die SET-Trainer dabei an einem roten Faden. Auf der Agenda stehen Selbstschutz, Zugriff, Sicherung und Kontrolle, Fesselung, Durchsuchung sowie Transport. "Die positiven Rückmeldungen der Teilnehmer zeigen, dass wir auf dem richtigen Weg sind", sagt Sebastian Rauba. Die Seminare am neuen Stader Stützpunkt laufen bereits seit Oktober des vergangenen Jahres.

Bislang wird das Angebot sehr gut angenommen. Damit das auch in Zukunft so bleibt, appelliert Präsident Niehörster an die Leiter der Polizeiinspektionen Stade, Harburg und Rotenburg stellvertretend für die Beamten in deren Bereichen: "Nutzen Sie das Trainingsangebot, so oft es geht." Schließlich führten regelmäßige Wiederholung und Training dazu, dass die Arbeitsabläufe routinierter und die Handlungen und das Auftreten der Polizeibeamten noch souveräner würden.

Der Polizeipräsident stellt klar, dass es immer das Ziel sein müsse, eine Situation freundlich zu klären. Sei dies nicht mehr möglich, gehe zunächst die Eigensicherung vor, dann müsse die Situation geklärt werden. "Wenn jemand angreift, dann ist es vorbei. Dann müssen wir ihn transportfähig machen", sagt der Polizeipräsident. Auf freundliche Aussprache und Diskussion folge schließlich ein Level, "das übergangslos die richtigen Reflexe erfordert", sagt Niehörster und ergänzt: "Das müssen wir hier trainieren."