In unserer neuen Serie: Im sicheren Hafen steuern wir Sportboothäfen entlang der Elbe an. Heute an der Reihe: der Verein Bleckeder Bootsfreunde

Die Reise soll in Bleckede beginnen, rund 75 Kilometer Wasserweg südlich von Hamburg. Bleckede - mit langem e in der ersten Silbe. Dem Bleckeder Jung graust es, wenn Unwissende die erste Silbe seines Heimatortes kurz sprechen, ja beinahe ausspucken. Wer als Auswärtiger diesen phonologischen Kniff kennt, hat in dem Städtchen an der Oberelbe schon viel gewonnen.

Will der auf dem Wasser Reisende den Sportboothafen von Bleckede anfahren, muss er zunächst in einen engen Nebenarm der Elbe einbiegen, der nach 800 Metern in einen ruhigen Schutzhafen mündet. Rechterhand passiert er ein altes Silo, auf dem sich Dutzende Masten und Antennen in den Himmel recken - nicht das Prunkstück Bleckedes. Erst dahinter, ganz unscheinbar, offenbaren sich ihm ein backsteinernes Zollhaus und schließlich ein langer Schwimmsteg.

Oberhalb der Böschung hinter dem Steg erhebt sich mit zwei Stockwerken das Vereinshaus des VBB, des Vereins Bleckeder Bootsfreunde. Daneben weht, an einem hohen Mast, die Flagge mit den Bleckeder Farben: oben Blau, unten Gelb. Erhard Rahmsdorf, 57, ist Vorsitzender des VBB. Wenn er gerade nicht an seinem Motorboot herumschraubt oder auf einem Törn ist, hält er sich gern im Klubraum des Vereins im zweiten Stock des Vereinshauses auf. In dem schweren Raum mit einem Hauch von Holzhütten-Atmosphäre erinnern noch eine lange Tafel und ein Breitbildfernseher an die vergangene Fußball-Europameisterschaft.

Ein Balkon, der rundum mit großflächigen Scheiben verglast ist, grenzt an den Clubraum. Dort sitzen die Vereinsmitglieder gern und trinken gemeinsam Kaffe oder auch mal Hochprozentigeres. Durch die Scheiben bietet sich eine wunderbare Sicht über den gesamten Hafen.

"Dort hinten, am alten Zollhaus, haben wir unsere Bootstankstelle. Das haben nicht viele Häfen", sagt Erhard Rahmsdorf und deutet auf das kleine Backsteingebäude, an dem Skipper beim Einlaufen vorbei fahren. "Das Haus wurde 1988 gebaut. Gleich am anderen Ufer war ja die Grenze. Das Zollhaus war aber bis zur Wende nur ein halbes Jahr in Betrieb", erzählt er. Der Verein kaufte es, um darin eine Tankstelle und zusätzliche Sanitäranlagen unterzubringen. Auch einen überdachten Grillbereich gibt es dort, falls mal schlechtes Wetter sein sollte.

Am anderen Ufer, wo dereinst streng bewachtes Staatsgebiet der Deutschen Demokratischen Republik war, gedeihen Bäume und Gräser. Zwei neu eingezogenen Gästen kommt das nur zugute - einem Biberpärchen. Manchmal macht Rahmsdorf auch hier und dort einen angenagten Baumstamm aus.

"Seit etwa zehn Jahren leben die Biber auf der anderen Seite", sagt er. Vor zwei Jahren hat er zufällig ein aus dem Mittelalter stammendes Rezept für gedünsteten Biberschwanz gefunden. Rahmsdorf muss grinsen. "Der Schwanz soll wohl der schmackhafteste Teil des Bibers sein. Ich bin da kein Experte." Er hat's nie ausprobiert.

Irgendwo zwischen Bibern, Büschen und Blumen sitzt derweil Burkhard Mantsch und wartet mit seiner Angelrute auf den großen Fang. "Das ist seine Entspannungstherapie", sagt seine Frau Susanne, 51, welche die Zeit ohne ihren Gatten auf dem gemeinsamen Boot mit einem Roman in den Händen verbringt. Normalerweise liegt das Boot der Mantschs im Sportboothafen Stöckte, doch nach einem Törn auf der Havel liegt das Ehepaar nun für vier Tage am Steg der Bleckeder Bootsfreunde. Entspannung wird Susanne Mantschs Mann nötig haben - er ist von Beruf Bombenentschärfer.

Nicht weit entfernt haben Günter, 62, und Andrea Meckfessel, 60, festgemacht. Das Paar ist auf dem Weg nach Berlin. Auf der Suche nach einem Hafen für einen Zwischenstopp hat ihnen ein Artikel in der Zeitschrift "Boote" weitergeholfen. Dort wurde der kleine Hafen als "tolle Anlage" und "durchaus schnuckelig" beschrieben.

Andrea Meckfessel bereut nicht, dem Artikel gefolgt zu sein. "Der Ort Bleckede ist toll. Hier steht die Zeit irgendwie still", sagt sie. Außerdem sei der Hafen schön gelegen und mit guter Versorgung, inklusive Bootstankstelle, ausgerüstet.

Der Verein freut sich über solches Lob. Doch er ruht sich nicht darauf aus. Neben dem Vereinshaus, auf einer kleinen Wiese samt Kinderspielplatz, stecken zwei ältere Herren - Martin Apholz, 68, und Walter Büsch, 65 - gerade bunte Plastikteile ineinander. "Kürzlich hat der Verein ein großes Kartoffelpuffer-Essen veranstaltet. Mit dem eingenommenen Geld hat unser Verein eine Rutsche und ein Trampolin gekauft", sagt Martin Apholz. "Jetzt bauen wir die Sachen auf der Wiese auf, damit unser Kinderspielplatz etwas schöner wird."

Ein schön gelegener Hafen und engagierte Arbeit im Verein - klingt idyllisch. Doch ein einziges Objekt vermag es, den Frieden im ehemaligen Schutzhafen zu trüben. Vor Ort nennt man ihn bloß "den Angler". "Der Angler" ist die überlebensgroße Statue eines Anglers, der vergnügt seine Rute vor sich hält. Er steht noch nicht lange auf dem Gelände des Vereins - vorher begrüßte er ankommende Skipper an der Hafeneinfahrt.

"Als die Statue von der Hafeneinfahrt weichen musste, da das Gebiet zum Biosphärenreservat erklärt wurde, fand ich es eine großartige Idee, den Angler auf unser Gelände zu holen", sagt Erhard Rahmsdorf. Die Statue gefalle den Gästen ausnahmslos, und sie verlören "den Hafen mit dem Angler" nicht so schnell aus dem Gedächtnis.

Doch der Verein ist in Sachen "Angler" geteilter Meinung. Vor allem dem emsigen Rentner Martin Apholz ist die Statue ein Dorn im Auge. Weder sei sie schön, noch sei der VBB ein Anglerverein.

Der Vorsitzende gibt sich unbeeindruckt. "In einem Verein mit 50 Mitgliedern kann man nie alle unter einen Hut bringen. Wir werden den Angler auf jeden Fall behalten und auch noch blau-gelb anstreichen, damit er besser in unser schönes Bleckede passt."

Die Anglerstatue wird also auch in Zukunft auf dem Gelände der Bleckeder Bootsfreunde sitzen. Ob man sie schön findet oder nicht, bleibt Geschmackssache. In jedem Fall sind der Sportboothafen und Bleckede eine Reise wert.

Morgen sind wir beim Artlenburger Bootsclub, kurz ABC genannt, zu Besuch.