Freiwillige Feuerwehr und Werft in Finkenwerder entwickeln Rettungsboot, das sich mittlerweilein deutschlandweit sehr gut verkaufen lässt.

Finkenwerder. Wenn ein Obstbauer und ein Bootsbauer zusammenkommen, ergibt das keinen Zungenbrecher, sondern eine Win-win-Situation - jedenfalls in Finkenwerder. Landwirt Adolf Fick und Werfteigner Karl Feltz junior haben gemeinsam ein Einsatzboot für die Freiwillige Feuerwehr Finkenwerder entwickelt. Davon haben auch andere Wehren in Hamburg etwas, nämlich mittlerweile ebenfalls solche Boote. Und die Werft hat ein weiteres Standbein: Auch außerhalb Hamburgs verkaufen sich die Feuerwehrboote gut. Außerdem sind Polizei und andere Behörden mittlerweile ebenfalls auf den Geschmack gekommen. Und auch wenn Adolf Fick mittlerweile nicht mehr im aktiven Feuerwehrdienst ist und auch Karl Feltz sich zur Ruhe gesetzt hat, geht ihre Erfolgsgeschichte weiter.

Der Name Feltz lässt weltweit hauptsächlich Seglerherzen höher schlagen. Die hochseetauglichen Stahl- und Aluminiumyachten vom Typ Skorpion sind seit den 50er-Jahren Legende. Doch Lustyachten sind nur ein Standbein der kleinen Finkenwerder Werft. Schon immer baute man hier auch Boote, die einfach nüchtern ihren Zweck erfüllen. Rettungsboote, Fischereifahrzeuge und Arbeitsboote zum Beispiel. In Finkenwerder weiß man das.

Als die Freiwillige Feuerwehr Finkenwerder um die Jahrtausendwende ihr Dienstboot erneuern musste, kam Wehrführer Adolf Fick deshalb damals auf die Idee, mal bei Feltz anzufragen. "Unser altes Boot war aus glasfaserverstärktem Kunststoff gebaut", sagt er. "Das war zwar schön leicht, hatte aber den Nachteil, dass sich das Material nur bei Temperaturen über 15 Grad reparieren lässt." Da das Boot aber auch im Katastrophenschutz eingesetzt wird und die klassische norddeutsche Naturkatastrophe, die Sturmflut, eher in der kalten Jahreszeit stattfindet, ist das ein Nachteil. "Wir können ja nicht jedes Mal, wenn wir im Einsatz eine Havarie haben, erst lange eine beheizte Halle suchen", sagt Fick. Seit der Katastrophenschutz Ländersache geworden ist, kann sich die Hamburger Feuerwehr einen solchen Nachteil nicht mehr leisten, denn sie schultert nun die Hauptlast der Wasserrettung bei Sturmflut.

"Auf ein Aluminiumboot kann jeder Schmied im Notfall schnell einen Flicken schweißen, und wir haben das Boot wieder im Wasser", sagt Fick. Obwohl er den aktiven Dienst im vergangenen Jahr altersbedingt gegen die Ehrenabteilung eintauschen musste, spricht er davon immer noch in der Gegenwart. "Die freiwillige Feuerwehr von Neuwerk hatte schon ein Aluminiumboot, aber das kam aus Bayern", erinnert sich der ehemalige Brandinspektor Fick. "Das muss ja nicht sein, habe ich mir damals gedacht."

Diverse Anbieter führten ihre Feuerwehrboote in Finkenwerder vor, und die Retter testeten ausgiebig, waren jedoch mit keinem zufrieden. "Darunter waren sogar Boote, die Beulen bekamen haben, wenn man sie zu hart auf die Wellen aufsetzte", erinnert sich Fick. Aus den Tests entstand eine lange Liste dessen, was die Finkenwerder nicht wollten, und es reifte die Erkenntnis, dass man selbst ein Boot entwickeln müsste - am besten in Finkenwerder, um die Wege kurz zu halten.

"Ich bin dann mit der Negativliste zu Karl Feltz gegangen", sagt Fick. Der hat uns daraus genau das Boot geplant, das wir wollten." Ganz allein entwickelte Feltz das Boot allerdings nicht. Recht häufig war Adolf Fick in der Planungsphase bei ihm und hatte Ideen, der er hartnäckig vertrat.

Was herauskam, heißt bei der Feuerwehr mittlerweile "Kleinlöschboot Typ 1". Der selbst lenzende Aluminiumrumpf auf Spanten ist dank zweier Schwimmkammern unsinkbar und passt mit 5,30 Meter Länge mitsamt Trailer in jedes Feuerwehrgerätehaus. Das ist bei Freiwilligen Feuerwehren wichtig, denn anders als ihre Kollegen von der Berufsfeuerwehr können die ehrenamtlichen Retter nicht ständig auf ihre Fahrzeuge aufpassen, um sie vor Dieben und Dummköpfen zu schützen. Diese Längenbegrenzung lässt das Boot mit seinem gedrungenen Bug etwas weniger schnittig aussehen. Aber: "Es ist schnell und wendig, gleichzeitig aber auch so kenterstabil, dass drei bis vier Leute gleichzeitig auf einer Seite arbeiten können, um Personen aus dem Wasser zu bergen", begeistert sich Wehrführer a. D. Fick.

Zur Personenrettung verfügt das Boot über eine Kette aus Kunststoffkörpern, die ähnlich wie eine Jakobsleiter miteinander verbunden sind. In diese Kette eingewickelt kann der Hilfsbedürftige waagerecht über die Bordwand gerollt werden, sodass die Verletzungsgefahr minimiert wird. In maßgefertigten Fächern im Boot befinden sich Sanitätskoffer und anderes häufig benötigtes Einsatzgerät. Vor dem Führerstand kann zudem ein Notstromaggregat, eine Tauchpumpe oder ähnliches schweres Gerät befestigt werden.

"Wir rüsten die Boote gerade mit Halterungen für Lichtmasten nach", sagt Fick. "Es hat sich gezeigt, dass es zweckmäßiger ist, Einsatzstellen vom Boot aus auszuleuchten. Scheinwerfer am Ufer blenden häufig die Retter auf dem Wasser." Damit das Boot auch schnell ist wie die Feuerwehr, sorgt ein 75-PS-Außenbordmotor für Schub.

Mit dem Boot überzeugte die Feltz-Werft nicht nur Adolf Fick: 14 Freiwillige Feuerwehren und drei Berufsfeuerwehrwachen benutzen das KLB1, so das offizielle Feuerwehrkürzel. Menschenrettung, Umweltschutz und Deichverteidigung sind die Haupteinsatzbereiche des KLB1.

Ihren größten Einsatz hatten die Hamburger Kleinlöschboote in Dresden. Beim katastrophalen Elbhochwasser des Jahres 2002 waren acht Boote nach Sachsen verlegt worden. "Dabei mussten wir auch eine Tauchergruppe der Essener Berufsfeuerwehr aus einem Baum retten. Die hatten ihr Schlauchboot an einem Unterwasserhindernis aufgerissen", erinnert sich Adolf Fick, der den Einsatz damals koordinierte. Einmal an Bord gegangen, wollten die Essener das Boot sofort kaufen. Fazit: Auch auf der Ruhr sind jetzt zwei KLB1 unterwegs.

Abgewandelte Variationen des fahren auch Feuerwehren in Schleswig-Holstein und Niedersachsen. "Außerdem hat die Polizei bei uns 20 Einsatzboote auf der Basis des Löschbootes gekauft", sagt Feltz-Geschäftsführer Klaus Heins. Er übernahm die Werft 2009, als Karl Feltz junior sich zur Ruhe setzte, und führt sie zusammen mit seiner Frau Heide und Feltz' langjährigem Bootsbauermeister Ralf Oelbüttel. Mit dem Feuerwehr-Rumpf als Grundlage fertigten die Feltz-Leute auch Vermessungsboote und ein Fahrzeug für den Vogelwart vom Neß. Auch das neue Dienstfahrzeug des Hamburger "Schwanenvaters" Olaf Nieß liegt gerade in Finkenwerder auf Kiel. "Die Hamburger Bootsparade beim Hafengeburtstag ist immer wie ein Feltz-Familientreffen", freut sich Klaus Heins.

Zusätzlich zum Erfolgsmodell KLB1 entwickelte die Werft noch das etwas kleinere KLB2 zum Einsatz auf den Nebenflüssen der Elbe und zuletzt, schon unter der technischen Leitung von Ralf Oelbüttel (aber immer noch mit Adolf Ficks hartnäckig eingebrachten Ideen), das kleine Rettungsboot RTB. Mit dem motorlosen Boot ersetzt die Freiwillige Feuerwehr Finkenwerder ihre Schlauchboote, die sie noch für Einsätze auf den Finkenwerder Brackwassern und zur Eisrettung nutzten.

"Die Schlauchboote standen zur Erneuerung an", sagt Adolf Fick, "und schon wieder genügte keines unseren Ansprüchen." Vor allem der Luftverlust war den Rettern zu hoch. Also ließen sie sich die Luft in Aluminium einschweißen. Zwei große Schwimmkammern bilden beim RTB den größten Teil des Rumpfes. Der sieht eher aus wie ein Ponton, lässt sich aber bequem rudern, sagen die Feuerwehrleute. Vor allem aber eignet sich das RTB hervorragend als Schlitten zur Eisrettung. "Wenn das Boot einbricht, kann die Besatzung es selbst wieder aufs Eis ziehen, weil es steif ist. Ein Schlauchboot bleibt oft an der Eiskante hängen. Dann hat man zwei Rettungseinsätze", sagt Fick.

Das RTB haben Ralf Oelbüttel und seine acht Gesellen mittlerweile auch schon viermal gebaut.

In der Werfthalle flexen und schweißen die Bootsbauer gerade an einer Segelyacht. Die ist nicht für die Feuerwehr. Verkauft sich aber auch immer noch ziemlich gut.