Pastoren und Diakone der Notfallseelsorge sind rund um die Uhr erreichbar. Einer von ihnen ist Christian Berndt. 43 Einsätze zählte er 2011.

Stade/Buxtehude. Bei besonders schweren Verkehrsunfällen werden nicht nur Notarzt, Rettungsdienst, Feuerwehr und Polizei gerufen. Wenn es Todesopfer gibt, klingelt oft auch das Handy von Pastor Christian Berndt oder einem seiner Kollegen. In diesem Jahr rückte die Notfallseelsorge im Landkreis Stade zu sieben Verkehrsunfällen aus. Die Notfallseelsorger kümmern sich um Angehörige und Zeugen an der Unfallstelle, aber auch um die Einsatzkräfte und Ersthelfer.

Diesen einen Tag im Mai dieses Jahres werden viele Menschen in Nordkehdingen zum Beispiel nicht so schnell vergessen. Innerhalb von zwölf Stunden kamen fünf junge Menschen bei schweren Verkehrsunfällen in der Samtgemeinde ums Leben. Auch Christian Berndt war dort. Der Pastor aus Wiepenkathen ist seit zwölf Jahren Notfallseelsorger, seit zehn Jahren ist Berndt, der selbst aktives Mitglied in der Freiwilligen Feuerwehr ist, zudem Fachberater Seelsorge für den Stader Kreisfeuerwehrverband.

Bei schweren Verkehrsunfällen wird die Notfallseelsorge in der Regel angerufen, wenn jemand schon am Unfallort stirbt. Sie wird allerdings nicht automatisch alarmiert, sondern nur dann, wenn einer der Verantwortlichen an der Unfallstelle dies für notwendig hält. In diesem Jahr wurden die Notfallseelsorger auf diese Weise zu den sieben Verkehrsunfällen gerufen. 2011 kamen jedoch 20 Menschen bei Verkehrsunfällen auf den Straßen des Landkreises Stade um Leben, im vergangenen Jahr waren es 16.

"Die Notfallseelsorger leisten Erste Hilfe für die Seele", sagt Pastor Berndt. Ähnlich wie der Rettungsdienst oder die Feuerwehr sind sie nur für die erste Zeit an der Unfallstelle und organisieren bei Bedarf weitere Hilfe. Allerdings sind schwere Verkehrsunfälle nicht das Haupttätigkeitsfeld der Notfallseelsorger. Oft werden sie auch gerufen, wenn jemand plötzlich zu Hause stirbt. Außerdem begleiten sie die Polizei, wenn diese Todesnachrichten überbringt.

In diesem Jahr zählte Pastor Berndt 43 Einsätze für die Notfallseelsorger im gesamten Landkreis. Kreisweit ist die Notfallseelsorge, die 365 Tage im Jahr rund um die Uhr erreichbar ist, in zwei Bereiche aufgeteilt. Im Norden des Landkreises wird sie vom Kirchenkreis Stade organisiert. Dort wechseln sich zurzeit zwölf Pastoren und zwei Diakone wöchentlich ab. Sie alle engagieren sich freiwillig und wurden 2011 zu 23 Einsätzen gerufen, ein Jahr zuvor waren es 20. Im Süden des Landkreises organisiert der Kirchenkreis Buxtehude die Notfallseelsorge. Dort sei dieses Engagement für die Pastoren dienstverpflichtend, sagt Berndt. Sie wurden im abgelaufenen Jahr zu 20 Einsätzen gerufen, im Jahr 2010 waren es 16.

Wenn die Notfallseelsorger kontaktiert werden, versuchen sie zuerst, den zuständigen Ortspastor zu erreichen. Gelingt dies nicht, fahren sie selbst los. Als wichtigstes Handwerkszeug beschreibt Berndt die Tatsache, im ersten Moment als Gegenüber da zu sein. In der Regel betreuen die Notfallseelsorger die Menschen später nicht weiter.

"Die Notfallseelsorge übernimmt die Begleitung in der ersten, schwierigen Zeit", sagt Pastor Berndt. Dabei gehe es allerdings weniger darum zu reden, sondern mehr ums Zuhören und für die Hilfesuchenden da zu sein. Zwar verstehen die Notfallseelsorger ihr Angebot als kirchlichen Dienst, dennoch bieten sie ihre Hilfe bewusst jenseits aller konfessionellen Grenzen an. Geld kostet die Hilfe auch nicht. Finanziert wird die Notfallseelsorge im Landkreis Stade durch die beiden Kirchenkreise und durch Spenden.

Dass die Arbeit von Notfallseelsorgern nicht immer einfach ist, weiß Pastor Berndt genau. "Es erfordert gut ausgebildete Menschen, die das Leid anderer ertragen und auch ein Stück weit mitragen können", sagt Berndt.

Deshalb gibt es für die Notfallseelsorger über die Ausbildung zum Seelsorger, die jeder Pastor und Diakon absolvieren muss, eine zusätzliche Ausbildung. "Es ist etwas anderes, ob ein Trauergespräch zu Hause geführt wird, oder ob direkt an einer Unfallstelle geholfen werden muss", sagt Berndt.

Auch nach knapp zwölf Jahren in der Notfallseelsorge geht die Arbeit nicht spurlos an dem Pastor vorüber. "Es gibt Bilder, die habe ich bis heute vor Augen. Es quält mich zwar nicht, aber es bewegt mich", sagt Christian Berndt. In einigen Situationen zeige deshalb auch er Emotionen, allerdings verhaltener und nicht in der Nähe der Angehörigen der Opfer.

(abendblatt.de)