Bei Petra Tiemann in Kutenholz stimmen Genossen über SPD-Spitzenkandidaten ab

Kutenholz. Wahllokale sind eigentlich keine Orte, an denen man gern länger bleibt als nötig. Karge Klassenräume, zugige Mehrzweckhallen und schlichte Ratssäle - der Charme hält sich oft in Grenzen und wenn der Zettel in der Urne liegt, zieht auch der Wähler schnell von dannen. Anders bei der gestrigen Urwahl des SPD-Spitzenkandidaten für die niedersächsische Landtagswahl im Januar 2013.

Olaf Lies oder Stephan Weil? Diese Frage stellten sich die rund 1100 SPD-Mitglieder im Landkreis Stade nicht nur in klassischen Wahllokalen, sondern auch in Privathäusern, wo ebenfalls Lokale eingerichtet waren. Eines davon bei der SPD-Landtagsabgeordneten Petra Tiemann in Kutenholz, wo die Tasse Kaffee und das kleine Schwätzchen fest zum Programm gehörten.

Dingdong. Um 11 Uhr klingelt es an der Haustür. Da ist er ja endlich, der erste Wähler! Die SPD scheint eine ausgeschlafene Partei zu sein, wenn sie erst kurz vor Mittag zur Tat schreitet. Petra Tiemann öffnet die Tür für Hinrich Engelken und lotst ihn hinüber ins frisch renovierte Wohnzimmer, wo das Wahlkomitee aus Helga Wiebusch und Ernst-Wilhelm Cordes neben der feuerroten Urne wartet.

"Ich muss aber gleich weiter zum Fußball", sagt Hinrich Engelken, allzu viel Zeit für ein Pläuschchen bleibt also nicht. Aber erst einmal steht ja sowieso die Wahl an, für die Petra Tiemann extra eine kleine Kabine von der Samtgemeinde Fredenbeck bekommen hat, die jetzt auf dem Esstisch neben Adventskranz und Plätzchenteller steht. "Es muss ja alles mit rechten Dingen zugehen", sagt die 52-Jährige.

Denn daran lässt sie keinen Zweifel: Nur weil im heimischen Wohnzimmer gewählt wird, wird nicht auf die Form verzichtet. "So eine Urwahl ist eine echte logistische Herausforderung." Auch wenn bei ihr in Kutenholz theoretisch nur die 46 Mitglieder des Ortsvereins vorbeikommen werden, muss alles tipptopp sein. Die Urne wird versiegelt und jeder Wähler unterschreibt, dass er seine Stimme abgegeben hat. Um 16 Uhr, wenn die Wahl beendet ist, ist Petra Tiemann dann schon bei der Sammelstelle in Harsefeld, wo die Wahlurnen aus Buxtehude, Jork, Apensen, Harsefeld, Fredenbeck und Horneburg zusammenkommen. Von dort geht es weiter zur Zählstelle nach Lüneburg.

"Dort werden die Urnen von den Listen getrennt, damit die Stimmen nicht den jeweiligen Bezirken zugeordnet werden können", sagt Ernst-Wilhelm Cordes. Von Lüneburg aus fährt Petra Tiemann dann mit den Urnen nach Hannover, wo die Ergebnisse der einzelnen Zählstellen zum vorläufigen Endergebnis zusammengefügt werden.

Es ist der Spagat aus Kommunalem und Landespolitik, der für die Mutter zweier erwachsener Kinder das Besondere an ihrer Arbeit ausmacht. "Am Anfang habe ich mit Hannover sehr gefremdelt." 2008 hatte sie erstmals für den Landtag kandidiert. Fern von ihrem Mann Helmut und der Heimat Kutenholz, wo sie unter anderem viele Jahre im Sportverein aktiv war und Damenleiterin der Schützen ist, fühlte sie sich anfangs etwas verloren. "Aber mittlerweile geht's."

Der Kontakt zur Parteibasis ist nach wie vor eng, man kennt sich, schließlich ist sie immer noch Mitglied im Gemeinde- und Samtgemeinderat. Dass sie ihr Wohnzimmer zur Urwahl zur Verfügung stellt, ist für die gelernte Medizinisch-Technische-Assistentin eine Selbstverständlichkeit. "Wir hatten immer schon ein offenes Haus." Die Kinder brachten früher ihre Freunde mit, und noch heute kommen die Familien von ihr und ihrem Mann regelmäßig zu den Feiertagen zusammen. Dementsprechend groß muss natürlich der Esstisch sein, von dem aus die Gäste den Blick durch die bodentiefen Fenster auf den großen Garten genießen können.

Zehn Minuten nach Hinrich Engelken klingelt es erneut an der Haustür. Ralph Benn ist der zweite Genosse, der seine Stimme abgeben will. Der Witwer ist erst vor kurzem der Partei beigetreten, der Kaffee zur Wahl ist für ihn aber ebenso obligatorisch wie für Britta Lienau, die als Dritte an der Tiemannschen Haustür klingelt.

"Nicht schlecht, wir haben schon jetzt eine Wahlbeteiligung von fast zehn Prozent", witzelt Petra Tiemann. Wenn das so weitergeht, läuft die Urwahl sehr gut und das Wahlkomitee muss sich auch keine Sorgen machen, dass im Wohnzimmer Langeweile aufkommen könnte. "Allein schon die Atmosphäre hier ist viel besser als in einer Mehrzweckhalle", sagt Helga Wiebusch. Zumal Petra Tiemann ihnen mehr als nur Plätzchen und Kaffee versprochen habe. "Zu Mittag soll's eine Suppe geben."

Das Ergebnis der Urwahl lag bei Redaktionsschluss der Abendblatt-Regionalausgabe Stade & Buxtehude noch nicht vor