Woche der Integration schließt mit positivem Fazit. Teilnehmer nehmen Stader Verwaltung und Wirtschaft in die Pflicht

Stade. Einen klaren Auftrag an die Stader Stadtverwaltung und an die regionale Wirtschaft haben die Teilnehmer der Abschlusstagung der ersten Stader Integrationswoche am Donnerstagabend im Rathaus formuliert. Der öffentliche Dienst müsse mit gutem Beispiel vorangehen und mehr Migranten einstellen. Zudem sollten IHK und Handwerkskammer Migranten als ebenbürtige Unternehmer wahrnehmen und sich mehr den Integrationsfragen öffnen. Für die Stadt gab es den Auftrag, sich für mehr Kontinuität in den zeitlich und finanziell begrenzten Förderprogrammen einzusetzen.

Stades Integrationsbeauftragte Karina Holst und Bürgermeisterin Silvia Nieber hatten zu der Fachtagung inklusive Arbeitsgruppen mit Experten eingeladen. Mit dabei waren Bülent Arslan von der Imap GmbH als Arbeitsmarktexperte, Indre Monjezi-Brown vom Aktionsbündnis muslimischer Frauen, der Lyriker und Islamwissenschaftler Nevfel Cumart und der Klagenfurter Soziologieprofessor Erol Yildiz sowie etwa 80 Stader mit und ohne Migrationshintergrund.

Stadtbaurat Kersten Schröder-Doms erklärte zu Beginn der Tagung, dass Stade alle Menschen willkommen heißen möchte, ihnen mit Respekt und Würde begegnen und ihnen eine Teilhabe garantieren wolle. Dafür muss aber, so eine Erkenntnis des Abends, noch einiges getan werden.

"Wir haben festgestellt, dass hochqualifizierte Frauen, wie etwa Juristinnen, Lehrerinnen oder Physikerinnen, in Deutschland keine Anstellung finden, weil sie ein Kopftuch tragen", sagt Monjezi-Brown. Im öffentlichen Dienst sei das Tragen von Kopftüchern nicht erlaubt, obgleich sich Land und Kommunen für eine Integration aussprächen. "Das widerspricht sich. Die Frauen werden schlichtweg ausgegrenzt", urteilt Monjezi-Brown. Solange der öffentliche Dienst nicht die Türen öffne, solange würden auch Unternehmen Kopftuchträgerinnen ausgrenzen, mit der Begründung, dass die Verwaltungen dies ja ebenfalls täten.

Doch nicht nur Kopftuch tragende Frauen hätten es ungleich schwerer, auf dem Markt Fuß zu fassen, auch andere würden immer wieder vor hohe, teils bürokratische Hürden gestellt, weiß Bülent Arslan. "Dem Land und den Städten gehen dadurch großes kreatives Potenzial und wichtige Facharbeiter verloren", sagt Arslan. Die IHK müsse etwa mehr Engagement zeigen, Migranten zu unterstützen. Viele Migranten würden nur deshalb selbstständig, weil der Markt sie nicht akzeptiere und integriere. Derzeit gibt es etwa 600 000 Kleinstunternehmen von Migranten in Deutschland. "Andererseits müssen sich künftig auch die Firmen der Migranten öffnen. Sie sollten nicht Familienunternehmen bleiben, sondern auch deutschstämmige einstellen, um die Isolation zu durchbrechen", so der Ökonomie-Experte.

Ein großes Problem sei nach wie vor die mangelnde Anerkennung von Berufsabschlüssen aus dem Ausland. "Es gibt in Deutschland Physiker, die Taxifahrer sind, es gibt Ingenieurinnen, die Putzfrauen sind", sagt Cumart. Die Ursache: Ihre Abschlüsse werden hier nicht anerkannt. Zudem gebe es berufsbezogene Sprachbarrieren.

"Die Sprache ist der Schlüssel zur Teilhabe. Dass es Sprachförderprogramme gibt, ist richtig und wichtig", urteilt Cumart. Ein Problem stelle jedoch die unsichere Finanzierung und Laufzeit der Sprachkurse dar. "Hier muss von der Stadt Planungs- und Zukunftssicherheit geschaffen werden. Die ewige Abhängigkeit von Fördergeld macht langfristige Planungen für eine funktionierende Integration kaum möglich", erläutert der in Bützfleth aufgewachsne Lyriker und Journalist.

Der Soziologe Yildiz plädiert dafür, in Stades Schulen gezielt die Biografien der Kinder von Migranten stärker nach Chancen und Talenten abzusuchen. "Es ist leicht, Kinder mit Lernproblemen einfach als bildungsfern abzustempeln. Man muss sich aber auch fragen, ob die Schulen nicht kinderfern geworden sind und sich den neuen Herausforderungen, die mit der zunehmenden Migration entstehen, anpassen müssten", sagt der Soziologe. Die Biografien von Kindern seien voller Chancen für die Zukunft der Stadt.

"Die Mitarbeiter an Schulen und Kindertagesstätten müssen fortgebildet werden, damit diese Chancen erkannt und genutzt werden können", erklärt Yildiz. Ansonsten würden Integrationsprobleme weiterhin bestehen.