Rettungsversuch für Grünendeicher Traditionslokal “Zur schönen Fernsicht“, das derzeit leer steht, heizt die Debatten im Rat erneut an.

Grünendeich. Ein Hauch von Nostalgie umgibt das historische Ausflugslokal "Zur schönen Fernsicht" in Grünendeich, um das seit Jahren heftiger Streit zwischen den Ratsfraktionen schwelt. So bleibt es fraglich, ob Urlauber und Einheimische die einmalig schöne Fernsicht von der Dachterrasse des inzwischen vernachlässigten, teilweise maroden Gebäudes, wieder genießen können.

Das Lokal steht derzeit leer, da der Pächter seinen Vertrag mit dem Eigentümer des Hauses, der Gemeinde Grünendeich, gekündigt hat. Saal und Terrasse werden nur noch für besondere Veranstaltungen, von Vereinen, dem DRK für Seniorennachmittage oder Chören genutzt. Doch die Bürger wünschen sich den Erhalt des Hauses, das 1890 erbaut wurde. "Es wäre jammerschade, wenn man das Haus nicht retten könnte", sagt Dieter Schilling, Vorsitzender vom Männergesangverein "Harmonie" Mittelnkirchen, der in der Fernsicht regelmäßig probt.

"Rund 1,3 Millionen Euro müssten investiert werden, um das 120 Jahre alte Herzstück unseres Gemeindelebens wieder herzurichten", sagt Maren Köster-Hetzendorf, die sich über Jahre für den Erhalt des roten Backstein-Hauses stark gemacht hat. Bis November 2011 war die parteilose Köster-Hetzendorf Bürgermeisterin der rund 1900 Einwohner zählenden Gemeinde an der Lühe und fühlte sich in ihrem Bestreben, das Objekt zu retten, ausgebremst. "Das ist eine Nummer zu groß für uns, musste ich oft hören", sagt die agile Grünendeicherin.

Gemeinsam mit dem Architekten Fritz-Eckard Schleif hatten Köster-Hetzendorf und weitere Ratsmitglieder im Jahr 2007 bereits erste Bestandsaufnahmen gemacht und das Projekt zur Leader-Förderung angemeldet.

Zunächst waren 800.000 Euro aus dem Leader-Fond beantragt worden, 500.000 hätte die Gemeinde als Eigenanteil beisteuern müssen.

Vermutlich habe die beträchtliche Summe Rat und Verwaltung im kleinen Grünendeich so verprellt, dass niemand den Mut hatte, die Sanierung konsequent anzugehen, so Köster-Hetzendorf rückblickend.

Die CDU-Fraktion fürchtete, dass für das Projekt ein Darlehen nötig gewesen wäre, das langfristig die Verschuldung der Gemeinde in die Höhe getrieben hätte. Die große Lösung einer kompletten Sanierung für 1,3 Millionen Euro sei nach Ansicht von Johann Frese, CDU, der seit 3. November neuer Bürgermeister in Grünendeich ist, illusorisch. "Die Zahlen aus der alten Ratsperiode waren utopisch", sagt Frese, der auch Vorsitzender des im Mai 2011 gegründeten Fördervereins zur Rettung der "Schönen Fernsicht" ist.

Ziel des Vereins ist es, dass Bürger helfen sollen, das Traditionshaus zu retten. Im Förderverein und einer Betriebs-GmbH könnten sie zum Erhalt beitragen, so Frese. Das neue Konzept der kleinen Schritte stehe einer großen Lösung nicht im Weg, Fördergelder seien damit nicht gefährdet, so Frese.

Am 30. November will Frese bei einer Ratssitzung ein neues Rettungs-Konzept vorstellen. Ob es zunächst nur eine Teilsanierung der Gastwirtschaft sein wird, ein privater Investor mit ins Boot geholt werden soll oder das ursprüngliche Leader-Antragskonzept, das ein "gemeindeeigenes Kultur- und Veranstaltungshaus als Dorfgemeinschaftshaus mit gleichzeitiger Einbindung einer touristischen Nutzung" vorsah, wollte Frese vorab nicht verraten. Nur, dass ein Betriebsführungsmodell für die Gaststätte "Zur Schönen Fernsicht" vorgestellt werden soll.

"Vielleicht hat Frese noch ein Ass im Ärmel, mit dem wir die Kuh vom Eis bekämen", sagt Inge Massow-Oltermann (FWG), neue stellvertretende Bürgermeisterin von Grünendeich. Ihre Fraktion, eine Gruppe aus SPD, Freien Wählern (FWG) und Grünen, behält die Arbeit des Fördervereins kritisch im Blick, damit der gesamte Rat eingebunden bleibt.

"Ich bin sehr dafür, das Haus in dem jetzt noch Leben ist, zu erhalten", sagt Massow-Oltermann. "Aber nicht um jeden Preis." Gleichwohl gibt sie zu bedenken, dass Förderungen verbaut werden könnten, wenn jetzt das Augenmerk der CDU und des Fördervereins nur auf den Erhalt einer Gastronomie gelegt werde.

Die Hoffnungen auf Leader-Förderungen wurden inzwischen auf 100 000 Euro eingedampft, was ohnehin nur ein Sanierungskonzept in kleinen Schritten ermöglichen würde.

"Die Fernsicht ist ein interessantes, anspruchsvolles Projekt", sagt Lienhard Varoga, beim Amt für Landentwicklung zuständig für Förderungen aus dem Leader-Fonds und anderen Töpfen, etwa dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE). Und mit Blick auf den Zustand des Hauses habe sie eine hohe Priorität. "Eine Förderung ist schwierig, aber nicht aussichtslos", sagt Varoga.

Nach der turbulenten Vorgeschichte um Förderungen nennt Varoga es allerdings "realistisch, einen neuen Antrag zu stellen". Dabei könne die Gemeinde noch einmal prüfen, was sie finanziell langfristig leisten kann, so Varoga. "Entscheidente Voraussetzung einer Förderung: Die Fernsicht muss der Dorfgemeinschaft uneingeschränkt zur Verfügung stehen."