Stricken ist im Landkreis wieder in. Der Trend aus den USA bringt Farbe nach Stade. In bunten Farben leuchten die umstrickten Baumstämme.

Stade/Buxtehude. Im Umfeld der kahlen Äste und als Kontrast zum grauen Himmel stechen sie besonders hervor - die kunterbunten Baumstämme, die die Straße vor der Freien Waldorfschule Stade in Ottenbeck säumen. "Oft bleiben Leute stehen und machen Fotos", sagt Hella Gruner. Sie ist Lehrerin an der Schule und hat das Projekt, in dem Schüler für Bäume und Säulen Schals stricken, ins Leben gerufen.

Im vergangen Schuljahr haben Gruner und ihre Schüler der siebten Klasse die Bäume und Säulen ausgemessen, Wollspenden bei Müttern und Großmüttern eingesammelt, sich Farbkombinationen überlegt und Masche für Masche jede Menge Schals gestrickt. In diesem Herbst haben die Schüler der jetzigen siebten Klasse diese Strickschals an den Bäume und Säulen befestigt - pünktlich zur tristen Jahreszeit.

"Zu Anfang war auch Skepsis bei den Schülern zu spüren. So haben mich manche gefragt: 'Finden Sie das schön, Frau Gruner?'", sagt die Handarbeitslehrerin. Mittlerweile sind sich die meisten Schüler aber einig, dass ihnen der Anblick der bestrickten Bäume und Säulen gefällt. "Die leuchtenden Farben sehen so toll aus", sagt Linn Sahin, 12, und auch Henriette Wulff, 12, hat eine klare Meinung: "Wenn man durch den Kreisel kommt, fühlt man sich wie auf einem roten Teppich. Weil die Bäume rechts und links an der Straße stehen und so schön freundlich aussehen."

Auch zwei Säulen vor dem Schuleingang haben die Kinder mit Freude umgarnt. "Diese Säulen waren bisher sehr trist anzusehen", sagt Gruner. Durch die Strickaktion strahlt die eine nun in türkisblauen und die andere in orangeroten Farben. "Ich freue mich immer, wenn ich da durch gehe", sagt Henriette Wulff dazu.

"Aber unsere Arbeit ist mit dem Anbringen ja nicht zu Ende", sagt Linn Sahin und steigt mit Nadel und Wolle bestückt auf die Leiter. An manchen Stellen haben die Schüler sehr grobmaschig gestrickt, außerdem ist die Wolle der Witterung ausgesetzt. "Da müssen wir ab und zu mal nachbessern", sagt Linn.

Mit dieser Strickaktion liegt die Waldorfschule im Trend - das ist auch Lehrerin Gruner bewusst. In einer Zeitschrift hatte sie Fotos von eingestrickten Telefonzellen in Amerika gesehen. "Da habe ich mich über das so genannte Guerilla Knitting informiert. Es stammt aus Texas, und dabei werden Gegenstände im öffentlichen Raum durch Stricken verändert. Die Idee fand ich klasse." Und weil es sie schon lange störte, dass das Gebäude, in dem sie Handarbeit unterrichtet, nicht als Teil der Schule zu erkennen war, begann sie dieses Projekt. "Wir sitzen in einem alten Bundeswehrbau, das Hauptgebäude liegt auf der anderen Straßenseite. Durch die Wolle sind wir nun sichtlich miteinander verbunden", sagt Gruner.

Dass Stricken wieder im Trend ist, merken auch die Handarbeitsgeschäfte in der Region. "Seit drei Jahren ist Stricken wieder in Mode, das merken wir deutlich", sagt Ladeninhaberin Heidi Spitzer von "Handarbeiten Spitzer" am Ostfleth in Buxtehude. "Hier in Buxtehude wird gestrickt wie verrückt." 15 Jahre lang sei Stricken bei den Kunden nicht besonders gefragt gewesen, seit drei Jahren erfreue sich die Handarbeit mit Nadel und Wolle aber wieder einer großen Nachfrage. "Und in diesem Jahr haben wir wieder eine Steigerung der Verkaufszahlen gegenüber 2010 zu verzeichnen", sagt Spitzer. Das Ansteigen der Verkaufszahlen führte bei Spitzer sogar dazu, dass sie neue Kräfte einstellen musste. Sie führt den Laden seit 1996. Heute, sagt sie, lebe das Geschäft vom Wollverkauf. Auch Ursula Schinowski von "Handarbeiten Strube" in Stade bestätigt diese Entwicklung im Kreis: "Unsere Kunden kaufen seit zwei, drei Wintern wieder mehr Wolle. Aber dieses Jahr ist das beste."

"Guerilla Knitting ist, soweit ich weiß, in der Region Stade aber noch kein großes Thema", sagt Gruner. Das sehen auch Spitzer und Schinowski so. Beide tauschen sich regelmäßig mit ihrer Kundschaft über die neusten Woll-Entwicklungen aus und haben bisher nur wenig über diesen Trend aus den USA gehört.

An der Volkhochschule Hamburg aber wird seit Ende Oktober ein Guerilla-Knitting-Kurs angeboten. Die Teilnehmer bestricken Ampelmasten, Fahrradständer und Straßenbäume mit leuchtenden Ringelpullis. Die Volkshochschulen in Stade und Buxtehude bieten zurzeit keine Kurse dieser Art an. "Aber vielleicht schwappt diese Welle ja noch zu uns über die Elbe", sagt Gruner.