Laut einem Bericht des Rechnungshofes könnte die Elbquerung für die A 20 bei Drochtersen kürzer und billiger gebaut werden als geplant.

Drochtersen/Bonn. Der Bundesrechnungshof hat die Planung des Elbtunnels zwischen Glückstadt und Drochtersen kritisiert, der für die neue Autobahn 20 gebaut werden soll. In seinem jetzt vorgelegten Jahresbericht moniert die in Bonn ansässige Behörde, dass der Tunnel möglicherweise für 50 Millionen Euro weniger gebaut werden könnte.

Der Betrag beläuft sich auf rund sechs Prozent der Gesamtbausumme, die derzeit mit 813 Millionen Euro beziffert wird. Die Möglichkeit dieser Einsparung hätten das Bundesverkehrsministerium und die zuständigen Straßenbauverwaltungen zumindest genauer prüfen müssen. Das ist aber, so die Autoren des Berichts, bisher nicht erfolgt. Das Einsparpotenzial wurde "nicht ausreichend untersucht", heißt es in den mehrere Hundert Seiten starken "Bemerkungen 2011" des Rechnungshofes, der lediglich empfehlenden Charakter hat.

Der Weg, das viele Geld einzusparen, wirkt so einfach wie bestechend: Laut Bericht des Rechnungshofes könnte der Tunnel rund 500 Meter kürzer gebaut werden. Die Autobahn 20 würde dann nicht, wie bisher geplant, südlich des Obstmarschenweges (Landesstraße 111) bei Drochtersen ans Tageslicht führen, sondern weiter nördlich, bei Gauensiek.

Das Problem dabei: Für diese Variante müsste in ein Gebiet eingegriffen werden, das gleich in zweifacher Hinsicht unter besonderem Schutz steht. Zum einen beginnt südlich der Gauensieker Süderelbe ein Vogelschutzgebiet, zum anderen das Flora-Fauna-Habitat (FFH)-Gebiet "Unterelbe", das nach einer EU-Richtlinie geschützt werden muss.

Die Tatsache, dass in dieses Gebiet eingegriffen werden müsste, nennt auch der Bundesrechnungshof. Allerdings gehen die Prüfer davon aus, dass der Naturschutz und die FFH-Richtlinie hintan gestellt werden könnten, wenn "zwingende Gründe des öffentlichen Interesses" vorliegen. Das Wort, in dem Bericht immer wieder fällt, heißt "Abweichungsprüfung" - diese hätte nach Ansicht der Prüfer möglicherweise ergeben, dass die kürzere Variante - trotz Vogelschutz - zulässig ist.

Das Bundesministerium für Verkehr, das Planungsträger ist, und die Behörden für Straßenbau in Niedersachsen und Schleswig-Holstein hätten diese Prüfung jedoch von vorneherein unterlassen. Stattdessen habe das Verkehrsministerium im Juni 2009 den Bauentwurf für den längeren Tunnel genehmigt, der 5670 Meter lang sein soll. Bisher gibt es aber noch keinen Planfeststellungsbeschluss, als Baubeginn wird das Jahr 2014 avisiert. Und der Rechnungshof sieht offenbar noch Möglichkeiten, die Planung abzuändern: "Der Bundesrechnungshof sieht (...) weiterhin die Notwendigkeit, dass das Bundesverkehrsministerium eine naturschutzrechtliche Verträglichkeitsprüfung für eine kürzere Tunnelvariante durchführen lässt", heißt es am Ende des betreffenden Abschnitts im Bericht.

Das Bundesverkehrsministerium wollte gestern noch keine Stellungnahme zu der Wertung des Rechnungshofes abgeben. Eine deutliche Stellungnahme kam aber von der niedersächsischen Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr, die für die Detailplanung des Tunnelverlaufs bei Drochtersen zuständig ist. "Die verkürzte Tunnel-Variante wurde durchaus untersucht. Aber man kam zu dem Schluss, dass die längere die sinnvollere ist", sagt Maren Quast von der Stader Geschäftsstelle der Behörde. Als Fachbereichsleiterin für Planung ist sie für das Tunnel-Projekt zuständig.

"Bei der kürzeren Tunnel-Variante müssten wir ab der Gauensieker Süderelbe die Erde verdichten. Und das würde dann genau in einem Naturschutzgebiet erfolgen", so Quast zu den technischen Details. Weiterhin würden bauliche Veränderungen notwendig werden, die nicht in dem Bericht des Rechnungshofes erwähnt werden. "Die Gauensieker Süderelbe müsste in diesem Fall verlegt oder verrohrt werden. Außerdem wäre eine dauerhafte Verlegung des Deiches notwendig, der an der Landesstraße 111 verläuft", so Quast.

Nachdem die Pläne für die längere Tunnelvariante bereits öffentlich auslagen, laufen jetzt in Niedersachsen und in Schleswig-Holstein die Planfeststellungsverfahren. Für eine Umplanung im Sinne des Rechnungshofes müsste ein Beschluss in Berlin fallen. Maren Quast rechnet nicht damit, dass es so kommen wird. Dafür sorge allein die FFH-Richtlinie: "Vor dem Hintergrund der europäischen Rechtsprechung glaube ich nicht, dass es noch zu einer Änderung kommt", sagt Maren Quast.

Einer, der den Bericht erst einmal begrüßt, ist Uwe Schmidt, seines Zeichens Sprecher der Initiative gegen den Autobahnbau. "Es ist gut, dass sich der Rechnungshof einmischt", sagt Schmidt. Auf eine Wertung, ob eine kürzere Tunnelvariante sinnvoller ist, will er sich aber nicht einlassen, da das Unterfangen seiner Ansicht nach "so oder so nicht Not tut".

Schmidt hofft jetzt, dass sich das Verfahren zumindest verzögert: "Je länger, desto besser!"