Nahversorger aus der Drochtersen, Wilhelmsburg und Echem haben es gegen die Discounter schwer. Stammkunden retten die Geschäfte.

Drochtersen/Wilhelmsburg/Echem. "Bier", "Brot" und "Aufschnitt" - das sind die Kassenschlager drei kleiner Einzelhandelgeschäfte in Drochtersen-Hüll, Wilhelmsburg und Echem im Landkreis Lüneburg. Alle drei Läden verkaufen neben Lebensmittel auch Dinge des täglichen Bedarfs und setzten so auf das klassische Tante-Emma-Konzept. Umzingelt von Discountern kämpfen diese kleinen Nahversorger um ihr wirtschaftliches Überleben und greifen dafür auf ihre einzige "Waffe" zurück, die sie gegen die großen Konkurrenten auffahren können: die persönliche Beratung.

"Ich halte nicht nur der Kundschaft zuliebe einen Schnack, ich selber brauche den täglichen Kontakt zu den Menschen", sagt Günter Koppelmann, 75, der in einem klassischen Tante-Emma-Laden in Drochtersen-Hüll arbeitet. Geführt wird der Laden von seiner Tochter Beate Koppelmann. In dem Geschäft verkauft die 40-Jährige auf 110 Quadratmetern quasi alles. Neben dem Kassenschlager Bier gibt es Eis, Zeitungen, Gemüse, Strumpfhosen, Backwaren, Geschenkartikel, eine Käse- und Wursttheke, Zigaretten, Tierfutter, Dosenöffner, Hygieneprodukte, Gewürze, Schreibutensilien sowie unterschiedlichste Lebensmittel in Konserven, Tüten und Netzen. Angrenzend gibt es zudem noch einen eigenen Getränkemarkt.

Im Geschäft der Koppelmanns an der Straße "Gehrden" geht es trotz des vielseitigen Sortiments oft so gar nicht um die Ware. "Unsere Arbeit ist vielfältig. Wir sind Unterhalter, Seelsorger, Kindergärtner und Kaufmann zugleich", sagt Beate Koppelmann. Am 1. Januar 2000 hat sie den Laden von ihren Eltern übernommen. Beide Elternteile arbeiten noch heute mit, das Geschäft ist ein echtes Familienunternehmen. "Wir führen den Markt in der siebten Generation. Für meinen Papa ist der Laden sein Leben, es gibt keinen Tag an dem er keine Lust hat", sagt Beate und der Papa, Günter Koppelmann, ergänzt: "Warum sollte ich auch keine Lust haben? Ich möchte für die Kunden da sein und kenne ihre Vorlieben genau." Beate Koppelmann spricht hingegen auch über die Schattenseiten des Jobs: "Es ist nicht immer leicht, an sechs Tagen in beinahe 52 Wochen im Jahr zu arbeiten." Freie habe sie nur, wenn sie schwer krank im Bett liege und selbst dann sei das Geschäft Thema.

Obwohl sie theoretisch das ganze Dorf versorgen könnten, ist die Nachfrage nach Produkten aus dem Tante-Emma-Laden schwankend und zwischendurch sehr gering. Das Problem ist, dass vor allem die Älteren der rund 800 Dorfbewohner Stammkunden sind. Die jüngere Generation kommt eher gelegentlich als regelmäßig. "Bei Schnee und Blitzeis freuen sich alle, dass es uns gibt. Ansonsten gehen viele lieber zu den günstigeren Discountern. Für uns ist die Situation oft schwer", sagt Beate Koppelmann. Ohne den Zuspruch von den Einwohnern und Vereinen in Hüll, die ihre Einkäufe bei Koppelmann machen, hätten Koppelmanns aus finanziellen und persönlichen Gründen schon geschlossen. "Solange wir aber noch Unterstützung bekommen, lasse ich es auf mich zukommen, wie es weitergeht", sagt Beate Koppelmann, "noch halten wir uns schließlich über Wasser."

"Für viele ist hier ein Treffpunkt", sagt Ergün Akkilic und spricht dabei von seinem "Ergün Market" in Wilhelmsburg an der Thielenstraße - einem Tante-Emma-Laden im städtischen Bereich. Hier gibt es auf 70 Quadratmetern türkische Spezialitäten, Brot, Reinigungsmittel, Fleisch, Tiefgekühltes, Feuerzeuge, Getränke und jede Menge frisches Gemüse und Obst. Das Angebot spricht sowohl die türkischen Mitbürger, als auch die deutschen Wilhelmsburger an. "Die älteren Damen kommen gerne hier her und holen sich die frischen Sachen. Am meisten verkaufen wir aber Brot und Backwaren", sagt Ergün Akkilic.

Der 23-jährige Großhandelskaufmann verwirklichte mit der Eröffnung des Ladens vor knapp vier Jahren seinen Traum, einen eigenen Weg zu gehen. Die Unterstützung aus der Familie ist ihm dennoch wichtig. So fährt Vater Aziz Akkilic, 44, morgens um 3 Uhr auch mal zum Großmarkt. Spaß an ihrer Arbeit haben Akkilics, weil ihnen der Kontakt zur Kundschaft wichtig und jeder Tag anders ist. Weniger schön findet Ergün Akkilic es, wenn er seine Preise verteidigen muss: "Wenn ich auf dem Großmarkt eine Gurke kaufe, zahle ich dafür 55 Cent. Um Gewinn zu machen, muss ich sie also teurer verkaufen. Die Discounter drücken die Preise bis zum geht nicht mehr und verkaufen die Gurke für 35 Cent. Wie soll ich da mithalten?" Und auch Aziz Akkilic mag solche Diskussionen nicht: "Manche Kunden kommen her und möchten am liebsten alles für 99 Cent kaufen, das könne wir aber nicht leisten." Weil er diese Preise nicht anbieten kann, sieht Ergün Akkilic seinen Laden als "Notfall-Geschäft": "Wer beim Einkauf etwas vergessen hat oder wer Lust auf einen Small Talk hat, der kommt zu mir und bekommt hier, was er eben wünscht."

Im Bezug auf die Zukunft des "Ergün Market" sind Vater und Sohn geteilter Meinung. Wähen der Senior befürchtet, dass es schwer werden wird, ist Ergün Akkilic zuversichtlich: "An meinem Einsatz soll das Geschäft hier zumindest nicht scheitern. Ich öffne sechs Tage die Woche von 8 bis 20 Uhr."

"Heute Morgen war der Laden voll", sagt Gudrun Staschat aus Echem im Landkreis Lüneburg, "die Frauen des Yoga-Kurses kamen her, weil die Heizung in ihrem Raum ausgefallen ist und da wollten sie einen wärmenden Kaffee bei mir trinken." Gudrun Staschat führt ihren 60 Quadratmeter großen Krämerladen seit Dezember 2007. Nachdem die Kinder groß und aus dem Haus waren, suchte die 52-Jährige eine neue Aufgabe und verkauft seither Brötchen, jede Menge Aufschnitt, I-Love-Echem-Tee, Getränke, Zigaretten, Zeitungen, Echem-Honig, Duschgel, Geschenkartikel und "alles, was man bei einem Einkauf vergessen kann".

Staschats Kundschaft ist bunt gemischt. Erst kommt eine Freundin zum plaudern, dann die Hausfrau um die vergessene Butter zu kaufen, der Jugendliche um frische Brötchen zu holen und schließen stehen drei Kinder vor der Theke und überlegen minutenlang, welche Süßigkeiten sie für ihre mitgebrachten 50 Cent kaufen sollen. "Die Leute mögen es, dass ich mich kümmere. Erstens richte ich mich mit meinem Einkauf nach den Kundenwünschen und zweitens bin ich für meine Kunden da. Nach dem Motto 'Was macht der Arm?', 'Wie geht es dem Mann?'", sagt Staschat und verrät damit ihr Erfolgsrezept, das auch bei Marion Hey wirkt. Hey ist Stammkundin, kommt beinahe jeden Tag vorbei und sagt: "Wir trinken dann einen Kaffe und besprechen, was es neues im Dorf gibt."

In letzter Zeit lief das Geschäft an der Bäckerstraße allerdings nicht gut, da die Zugangsstraße lange gesperrt war. "Aber langsam läuft es wieder an. Darüber bin ich froh, weil ich auf die Unterstützung durch die Kunden angewiesen bin", sagt Staschat, die von Dienstag bis Samstag von 6 bis 12 Uhr geöffnet hat und spricht aus, wie es vielen kleinen Läden geht: "Die Leute sollen nicht nur froh sein, dass es uns gibt, sondern auch zu uns einkaufen kommen."

So geht es Beate und Günter Koppelmann in Hüll, Ergün Akkilic in Wilhelmburg und auch Gudrun Staschat in Echem ähnlich: Freud und Leid der Tante-Emma-Laden-Betreiber liegen nah beieinander und letztlich steht und fällt alles mit der Kundschaft.