Stadtmarketingexperte Christian Klotz hält heute einen Vortrag über Stärken und Schwächen der Vorzeigegemeinde Harsefeld im Kreis Stade.

Harsefeld. "Perle der Geest", Vorzeigegemeinde des Landkreises Stade - der Flecken Harsefeld genießt nicht nur bei seinen 12 000 Einwohnern einen guten Ruf. Auch Politiker und Verwaltungsfachleute aus umliegenden Gemeinden sagen im vertraulichen Gespräch, dass die Geestgemeinde vieles richtig macht. Die Infrastruktur gilt als vorbildlich, die Entwicklung der Wohngebiete und des Ortskernes als umsichtig. Doch auch der so gepflegt daher kommende Ort hat, wie alles Irdische, Schwächen. Und die fallen niemandem so stark auf wie einem Experten, der von außerhalb kommt und unbefangen hinsieht.

Der Experte heißt Christian Klotz, seines Zeichens Urbayer und Stadtmarketingfachmann. Der aus Bad Reichenhall stammende Unternehmer hat bundesweit bereits mehr als 1000 Städte unter die Lupe genommen und ihnen Tipps für ihre Entwicklung gegeben. 2002 war er schon einmal in Harsefeld. Jetzt hat ihn die Werbegemeinschaft "Sympathisches Harsefeld" zu einem weiteren Besuch eingeladen. Heute Abend wird er in einem öffentlichen Vortrag in der Harsefelder Festhalle seine Analysen preisgeben. Dem Abendblatt hat er vorab schon ein paar Thesen und Eindrücke verraten.

"In den letzten Jahren ist hier vergleichsweise viel im öffentlichen Raum passiert. Man hat in Straßen, Plätze und neue Parkflächen investiert. Außerdem sind hier sehr viele neue Einzelhandelsflächen geschaffen worden", sagt Klotz. Doch so positiv die Entwicklung teilweise ist - sie hat auch eine negative Seite, die Klotz klar benennt.

"Der Ort wirkt mittlerweile sehr weitläufig und auseinander gezogen. Man hat hier unglaublich schnell unglaublich große Grundstücke unglaublich billig verkauft", sagt Klotz.

Konkret bezieht er sich dabei auf die großen Gewerbeflächen vor den Ortseingängen. Das Problem: Die Geschäfte dort führen Waren wie Textilien und Gesundheitsartikel, die Klotz "innenstadtrelevant" nennt. Solche Gewerbe außerhalb des Ortes anzusiedeln, nennt er eine "Todsünde". Christian Klotz: "Das bringt unglaubliche Probleme für den Ortskern! Harsefeld wird damit in den nächsten 20 Jahren zu kämpfen haben".

Seinem Besucher verdeutlicht Christian Klotz auf einem kleinen Spaziergang, was er meint. Er führt zunächst an den östlichen Ortseingang, wo große Supermärkte und Drogerien um Kunden buhlen. "Die Märkte hier ziehen etwa 8000 Kunden aus dem Ortskern ab", sagt Klotz. Die Konsequenz: "Jeder Arbeitsplatz hier draußen ersetzt vier bis sechs im Ortskern".

Klotz hat auch eine Vorstellung davon, wo die Märkte eigentlich stehen müssten: Etwa 400 Meter weiter westlich, im Harsefelder Zentrum. Hier befindet sich neben einem Autohaus, einem Bäcker und der Post schon ein Supermarkt, doch seiner Meinung nach wäre dieser Platz der Ort, wo auch das übrige Gewerbe Platz haben sollte. Er sagt auch, wie es gehen würde: "Diese ganzen Parkplätze hier müsste man unter die Erde verlegen".

Der Fehler, Gewerbe außerhalb der Orte anzusiedeln, werde laut Klotz überall in der Republik gemacht. Dabei gebe es bereits ein Modell dafür, wie es richtig geht - und das lasse sich im Süden besichtigen. "Verdichtung" der Stadt- und Ortskerne heißt Klotz' Zauberwort - und das werde etwa in Italien und Österreich, aber auch in Bayern erfolgreich beherzigt.

"In Bad Reichenhall haben wir 330 Einzelhandelsgeschäfte, aber kein einziges vor der Tür. Wir haben die Unternehmer gezwungen, im Ort zu bauen." Das Argument, dass nur außerhalb der Orte noch genügend Flächen zur Verfügung stehen, lässt er dabei nicht gelten. "Jede Fläche ist in jedem Stadtkern möglich", sagt Klotz kategorisch. Aber was kann Harsefeld überhaupt noch tun, wenn in der Vergangenheit so schlimme Fehler gemacht wurden?

Nach Meinung des Experten kommt es nun vor allem darauf an, die Chancen der Ortskernberuhigung zu nutzen, die nach dem Bau der neuen Kreisstraße 26 ansteht. "Verkehrsberuhigung allein ist kein Entwicklungskonzept. Sie müssen, die Bewegung, die dann ausbleibt, neu herbeiführen". Dazu solle Harsefeld vor allem auf eine Karte setzen: Tagestourismus. "Keine Ortschaft kann nur aus sich alleine heraus existieren. Sie müssen die Menschen aus der Umgebung herholen!",

Zur Erreichung des Ziels nennt er gleich ein ganzes Bündel an Maßnahmen. Spezielle "Informationsbuchten" an den Ortseingängen sollen den Neugierigen gleich über Einzelhandel, Hotels, Kultur und Freizeitmöglichkeiten aufklären. Weiterhin sollte es mehr "Aktivitäten und Events" geben. Nicht zuletzt kommt es auch auf Details wie die Ausleuchtung der Schaufenster und die Qualität des Straßenpflasters an.

Immerhin findet Klotz, dass Harsefeld neben großen Gewerbegebieten auch ein paar Trümpfe hat: Der Klosterpark, das Freibad und die Eissporthalle gehören dazu. Und: "Die Hausbesitzer hier pflegen ihre Grundstücke sehr gut. Das ist wirklich auffällig!"

Der Vortrag in der Harsefelder Festhalle, Im Wieh 1, beginnt um 19.30 Uhr. Der Eintritt ist frei.