54 Jahre alte Maler Gerd Bannuscher macht das Geheimnis zwischen Schimpansen und Menschen zum Thema seiner Werke.

Bremervörde/Steinburg. "Wer betrachtet wen?" Diese Frage stellt sich der Künstler Gerd Bannuscher, als er im Zoo Hannover Schimpansen beobachtet. "Der Anführer der Primatengruppe bemerkte irgendwann, dass ich länger blieb und ihn intensiver ansah, als andere Besucher", sagt der Maler. Es habe einen visuellen Dialog auf Augenhöhe zwischen ihm und dem Menschenaffen gegeben. Diese Blicksignale des Schimpansen waren für Gerd Bannuscher vor etwa vier Jahren Auslöser einer künstlerischen Inspiration für ein außergewöhnliches Thema, das er mit Acrylfarben und Pinseln inzwischen in zahlreichen Werken meisterlich umsetzt.

Der mit 46 Jahren hochbetagte Schimpanse Max, der Bannuscher bei jedem Besuch wiedererkannte, zieht auf verschiedenen Motiven mit der Ausdruckskraft seiner Augen den Menschen in seinen Bann. "Das Geheimnis" zum Beispiel zeigt den Schimpansen und einen Menschen am Bildrand im überlebensgroßen Porträt. Im Zentrum zwischen beiden ein Wassertropfen, weil alles Leben aus dem Meer kommt, wie Bannuscher erklärt. In den Werken "Begegnung", "Ohne Titel", "Konversation mit Noa" oder "noa" lässt Bannuscher den Betrachter erleben, wie einfach die Philosophie des Rollentausches zwischen Menschen und Affen sein kann. Er lässt den Schimpansen religiöse Themen und Botschaften zum Nachdenken transportieren.

Doch nicht nur philosophische Botschaften vermitteln Bannuschers fotorealistisch und teilweise überlebensgroß dargestellten Schimpansen. Sie nehmen den Betrachter mit in eine Gefühlswelt, in der Unterschiede zwischen Menschen und Menschenaffen kaum mehr wahrnehmbar sind. "Zwei Reisende" heißt das Werk, in dem zwei Schimpansen so innig und liebevoll umschlungen dargestellt sind, wie es Menschen gern nur für sich in Anspruch nehmen.

Und in "Aus der Zeit gefallen" spiegelt Schimpansendame Lucie den Moment, den sich vom Alltag und Terminzwängen Gestresste mitunter wünschen: Entspannt, mit geschlossenen Augen träumend ein paar Augenblicke am Meer auf einem Stein in leichter Brandung verharren, um neue Kraft zu tanken. "Ich sehe in meiner Schimpansenserie eine Möglichkeit, unsere oft eingeschränkten Sichtweisen auf die Tiere und die Natur zu erweitern. Deshalb möchte ich diese Serie weiterentwickeln", sagt Bannuscher. Er sei dafür, Tiere und Natur viel mehr als Partner des Menschen anzusehen und sie nicht nur zu benutzen und auszubeuten.

Dabei hat er einen Verbündeten, mit dem er bei seinen Arbeiten in regem Austausch steht: den renommierten Anthropologen Professor Volker Sommer. Sommer studierte Biologie, Chemie und Theologie, hat seit 1996 den Lehrstuhl für Evolutionäre Anthropologie am University College (UCL) in London inne und leitet seit 1999 ein Projekt zur Erforschung der Schimpansen im Bergwald Nigerias.

"Menschenaffen sind uns nicht nur evolutionsgeschichtlich nah, sondern auch im Verhalten. Sie zeigen Gefühle wie Liebe, Trauer, Freude, Wut. Es gibt, wie bei den Menschen, Rivalitäten und Streit, Feingefühl und selbstlose Hilfsbereitschaft, Familiensinn, ebenso faszinierenden Einfallsreichtum, andere Gruppenmitglieder zu bemogeln und auszutricksen", sagt der 54-jährige Bannuscher.

Dass Schimpansen die nächsten Verwandten der Menschen sind, belegen die Wissenschaftler mit modernen DNA-Analysen, die eine genetische Übereinstimmung von 98,7 Prozent nachweisen. Vor etwa sechs Millionen Jahren formte die Evolution mit nur wenigen genetischen Veränderungen aus Affen Menschen, ist Ergebnissen aus der Primatenforschung zu entnehmen. So wurden bei Schimpansen und Gorillas 48 Chromosomen nachgewiesen, Menschen haben 46. Mit den Schimpansen teilen die Menschen auch das Blutgruppensystem AB0 oder den weiblichen Menstruationszyklus von etwa 28 Tagen.

Doch Bannuscher sagt, bei seinem Schimpansen-Projekt interessiere ihn weniger die wissenschaftliche Seite, sondern das so genannte Bauchgefühl, das Mensch und Tier verbindet. "Menschen können zwar Handys entwickeln, aber Tiere haben eine intensivere Wahrnehmung mit allen Sinnen. Die Natur mit ihren Gewalten zeigt uns kompromisslos Grenzen."

Gerd Bannuscher ist in Nordfriesland als Sohn eines Landwirts geboren und malte schon als Schüler. Das Interesse an Tieren bekam er wohl von den Eltern vererbt. Er absolvierte nach der Schule eine Ausbildung zum Landwirt, um anschließend den Hof des Vaters zu übernehmen. Doch der Ruf der Kunst war stärker und Bannuscher machte Tiere zu seinen unzähligen Motiven.

Nach einer weiteren Ausbildung zum Fotografen stellte Bannuscher 1984 seine Kunst erstmals aus. Der Erfolg war derart groß, dass sich der Künstler seit 1986 ausschließlich seiner Malerei widmet. Über Zeichnungen und Aquarelle gelangte Bannuscher zur Öl- und schließlich zur Acrylmalerei. Mit einer selbst entwickelten, aufwendigen Technik fand er zu einer meisterlichen, handwerklichen und künstlerischen Perfektion. Bannuschers Gemälde, die weit mehr Facetten darstellen als nur Tiere, Porträts oder Landschaften, bestehen aus bis zu vierzig Farbschichten. So erzeugt er feinste Farbübergänge und optische Tiefe seiner meist großformatigen Werke. In vielen seiner Tierporträts führt die Dimension der Bilder zu einem Wechsel der Positionen: Das Tier richtet den Blick auf den Betrachter, der Mensch scheint zum Anschauungsobjekt zu werden.

So wird deutlich, wie der 54-Jährige die Rolle des Menschen auf dem Erdball kritisch hinterfragt. "Der Schimpanse als Vorfahre des Menschen, die Entfernung des Homo sapiens von seinem Ursprung, und was ist, wenn das Spiel vorbei ist und alle Regeln von Naturgewalten außer Kraft gesetzt werden?", sagt Bannuscher, der mit seinen Werken zum Nachdenken anregen möchte. Die Bilder sind unter anderem als Wandgemälde im Palast des Sultans von Oman oder im "Internationalen Museum für phantastische Kunst" in Wien zu finden - und bis zum 23. Oktober neben Werken von fünf weiteren Künstlern in der Ausstellung des Bremervörder Kultur- und Heimatkreises "Neue Meister" im Bremervörder Bachmann-Museum, Amtsallee 8. Am Sonntag, 16. Oktober, führt Gerd Bannuscher von 15 Uhr an Kunstinteressierte mit vielen Informationen durch diese Ausstellung.

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