Die Befürworter der A 20 drängen seit Jahren auf den Baubeginn. Das Geld für das Projekt fehlt aber immer noch.

Drochtersen/Hannover. Die Elbquerung für die Küstenautobahn A 20 bei Drochtersen soll schnellstmöglich umgesetzt werden. "Die Elbquerung befindet sich im vordringlichen Bedarf des Bundes", sagt Oliver Liersch, Staatssekretär im Niedersächsischen Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr. Dennoch rechnet Liersch nicht damit, dass vor dem Sommer 2013 der erste Spatenstich für die A 20 erfolgen wird. "Wir haben noch einen langen, komplizierten Weg vor uns", so Liersch.

Diese Nachricht wurde in Drochtersen beim Treffen der Aktionsgruppe "Pro A 20" zwar positiv aufgenommen, dennoch sind nicht alle mit dem Fortschreiten der Planungen zufrieden. Für den Drochterser Hatecke-Werftchef Peter Hatecke etwa bedeuten die nur schleppend voranschreitenden Planungen, dass ihm bares Geld verloren geht. "Wäre die Autobahn schon da, wäre vieles leichter für uns", sagt der Unternehmer. Seine Werft würde jährlich etwa 500 000 Euro an Logistik-Kosten einsparen, die Fahrtzeit nach Hamburg würde sich auf etwa 30 Minuten halbieren. Und das würde der Werft wiederum, die zu den fünf wichtigsten in Niedersachsen zählt, im Konkurrenzkampf deutliche Vorteile verschaffen.

Auch für die Elbfähre, die Glückstadt und Wischhafen verbindet, sei der latent unsichere Planungsstand alles andere als von Vorteil. "Das Fährunternehmen muss wissen, woran es ist und wie es langfristig planen muss", sagt Hatecke. Seit mehreren Jahren sei das Fährunternehmen, so wie der Elbtunnel bei Hamburg, vollkommen überlastet. Ob sich eine Anschaffung größerer oder eine Aufstockung der bestehenden Schiffe für das Fährunternehmen noch lohnt, hänge vor allem von einer verbindlichen Zukunftsplanung von Bund und Land für die Küstenautobahn ab, denn die möglichen Investitionen in neue Schiffe müssten sich für das Fährunternehmen auch langfristig tragen.

"Was uns Unternehmer stört, ist, dass es keinen verbindlichen Termin für die Küstenautobahn gibt und auch kein verbindliches Finanzierungskonzept", sagt Hatecke, den es verwundert, dass die Bundesregierung für Rettungspakete für Staaten und Banken scheinbar etliche Milliarden Euro zur Verfügung hat, aber keine Milliarde Euro, um ein seiner Ansicht nach überfälliges Bauvorhaben voranzutreiben.

Carl van Dyken, stellvertretender Vorsitzender des Fördervereins Pro A 20, verweist unterdessen auf die offiziell leeren Kassen des Bundes. "Wir müssen wohl auf den nächsten kräftigen Wirtschaftsaufschwung hoffen, auf dass dieser ausreichend Geld in die Kassen spült, um das Projekt zu finanzieren", sagt Dyken.

Liersch versucht sich in Beschwichtigung. "Es geht heute nicht mehr primär darum, das Recht zu haben, bauen zu dürfen. Wir brauchen die Akzeptanz der Bürger für einen Bau der Küstenautobahn", sagt Liersch mit Verweis auf die Proteste gegen das Stuttgart 21-Projekt. Die Auswirkungen eines derartigen Bauvorhabens, welches massiv in das Landschaftsbild eingreift, müsse den Bürgern klar vermittelt werden. Das brauche seine Zeit, ebenso wie die rechtliche Absicherung des milliardenschweren Bauprojektes. Unbestreitbar sei, dass die Landesregierung weiterhin die A 20 inklusive der Elbquerung bei Drochtersen als wichtigstes Infrastrukturprojekt für Niedersachsen betrachte. "Auch wenn zuletzt ein anderer Eindruck entstanden sein mag, die A 20 hat für die Landesregierung und Ministerpräsident David McAllister deutliche Priorität vor einer eventuellen A 21-Ostumgehung bei Hamburg", stellt Staatssekretär Liersch klar.

Abseits von der wirtschaftlichen Bedeutung der Autobahn für Mittelständler und Großkonzerne, stelle die Küstenautobahn für die Region laut dem CDU-Landtagsabgeordneten Kai Seefried auch eine einmalige Chance dar. "Kehdingen würde sich künftig mit der A 20 und der A 26 an einem der wichtigsten Verkehrsknotenpunkte in Europa befinden", meint Seefried. Drochtersen und auch Stade mit dem Seehafen könnten künftig zu den wirtschaftlichen Premiumstandorten in Niedersachsen werden.

"Für die Kehdinger Region stellt die Küstenautobahn zudem vielleicht die letzte Chance dar, die Region wirtschaftlich und demografisch stabil zu halten", sagt der CDU-Politiker. Die Fahrzeit nach Hamburg würde verkürzt, Ingenieure könnten damit eher geneigt sein, in Kehdingen zu arbeiten und etwa dorthin zu ziehen. Die Region, deren Bevölkerungszahl seit Jahren konstant abnimmt und deren Altersdurchschnitt kontinuierlich zunimmt, brauche wirtschaftliche Impulse, um Nachwuchs anzulocken und damit auch die finanzielle und soziale Zukunft Kehdingens zu sichern.

Dass die Autobahn trotz aller regionalen Vorteile generell nötig sei, daran könne, so Seefried, kein Zweifel bestehen. Das sieht auch der Staatssekretär so: "Bis 2025 wird ein Zuwachs im Güterverkehr von 70 bis 90 Prozent erwartet." 70 Prozent dieses Zuwachses würden auf die Straße entfallen und dies nicht, weil das Land den Autobahnen einen Vorrang einräume, sondern weil trotz eines Ausbaus der Schienen- und Wasserwege die Kapazitäten nicht annähernd ausreichen würden, um den Güterverkehr aufzunehmen. "Von daher muss das Land in die Autobahnen investieren, wenn es den Verkehrsinfarkt abwenden will", so Liersch.

Alleine für den neuen Elbtunnel wird von der Niedersächsischen Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr ein tägliches Verkehrsaufkommen von 41 000 Fahrzeugen prognostiziert. Bei Bremervörde, wo die Autobahn zugleich als Ortsumgehung dienen soll, rechnet die Behörde mit 43 000 Fahrzeugen pro Tag. Viele der Fahrzeuge würden Lastwagen sein, die die Küstenautobahn als Alternative zur überlasteten A 1 nutzen würden.

In Hannover wird gehofft, dass die Autobahn bis 2023 fertig ist - dafür bedarf es aber einer Finanzierungssicherheit, die es noch nicht gibt.