“Die Baufibel ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, zu mehr Gemeinsamkeit im Alten Land“, sagt Kerstin Hintz.

Steinkirchen/Jork/Hamburg. Nach Monaten harter Arbeit und hartem Ringen um Details ist es nun soweit: Morgen wird die "Baufibel Altes Land" von 19 Uhr an im Dorfgemeinschaftshaus Steinkirchen der Öffentlichkeit vorgestellt. Das Besondere an dieser Fibel ist, dass Vertreter aus allen drei Meilen des Alten Landes diese erarbeitet haben.

Die Samtgemeinde Lühe, die Einheitsgemeinde Jork und die Freie und Hansestadt Hamburg, Bezirksamt Harburg, wollen künftig die drei Meilen Altes Land gemeinsam nach dieser neuen Baufibel gestalten. Für rund 30 000 Euro wurde das Gemeinschaftsprojekt vom Hamburger Büro "Elbberg Stadt - Planung - Gestaltung" realisiert. Die Finanzierung stemmten alle drei beteiligten Kommunen mit je 10 000 Euro.

Mit dieser länderübergreifenden "Baufibel Altes Land" soll nun Charakteristisches des rund 170 Quadratkilometer großen Areals und seine künftige Bebauung bei der Bevölkerung und den Bauschaffenden stärker ins Bewusstsein gerückt werden. Mit zahlreichen Gestaltungsvorschlägen soll sowohl bei Häuserneu- und Umbauten als auch bei Sanierungen von Gebäuden das unverwechselbare Bild des Alten Landes zwischen Süderelbe und Schwinge prägend bleiben.

"Die Baufibel ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, zu mehr Gemeinsamkeit in allen drei Meilen des Alten Landes", sagt Kerstin Hintz, Vorsitzende des Vereins zur Anerkennung des Alten Landes als Weltkulturerbe der Unesco. Die Empfehlungen der Baufibel seien eine wichtige Ergänzung voller Anregungen für die Gestaltungssatzungen in den einzelnen Orten, so Hintz. "Die Menschen sehnen sich nach dem Typischen und Authentischen einer Landschaft, ganz gleich, ob Schwarzwald oder Altes Land. Das bekommen wir oft als positive Resonanz von den Touristen im Alten Land zu hören", sagt Hintz. Sie wünscht sich, dass Architekten und Bauschaffende die Ratschläge so anwenden, dass der Wiedererkennungswert der Region erhalten bleibt.

Zwang soll die Fibel, trotz der konkreten Vorschläge, nicht erzeugen. "Die Baufibel ist keine gesetzliche Vorgabe, sondern eine Empfehlung für Bauherren mit Gestaltungsprinzipien für das Sanieren von Altbauten und für Neubauten", sagt Hans Jarck, Samtgemeindebürgermeister in Lühe. "Gesetzliche Vorgaben sind ja in den Ortsbebauungssatzungen der einzelnen Gemeinden geregelt."

Jorks Bürgermeister Rolf Lühmann freut sich besonders über die Einigkeit, die zwischen Jork und der Samtgemeinde Lühe bezüglich der Baufibel herrscht. "Die Baufibel zeigt den Rahmen, den wir uns für das Alte Land wünschen. Für die beiden Kommunen der ersten und zweiten Altländer Meile wird die Fibel Grundlage für die weitere Zusammenarbeit, etwa bei den Empfehlungen für Bausatzungen in den Gemeinden, sein." Ob sie in der dritten Meile Altes Land, die zu Hamburg gehört, ebenfalls zum Leitfaden wird, bleibt abzuwarten. "Wir fänden es sehr wünschenswert, wenn die Fibel dort nicht in den Schubladen der Fachbehörden versenkt wird. Momentan hat man nicht das Gefühl, dass die Empfehlungen aus der Fibel dort verinnerlicht werden", sagt Lühmann.

Darauf hofft aber Gerd Kruse von "Elbberg". Ein Fortführen der spezifischen Baukultur im Alten Land sei laut Kruse für den Erhalt der historischen Kulturlandschaft von großer Bedeutung. "Dabei geht es nicht nur um geschützte Baudenkmäler, sondern vor allem um zeitgemäßes Bauen mit dem Bewusstsein für die regionale Bautradition", sagt Kruse. Fassaden und Giebelausrichtungen sollten künftig nach alter Tradition und die Dachformen und -neigungswinkel nach klassischem Vorbild, wo immer es möglich ist, auch angestrebt werden.

Auch zur Gestaltung von Vorgärten gibt es künftig Empfehlungen, zum Beispiel, welche Baumarten in die Marschlandschaft passen. Von Ahorn bis Zitterpappel ist alles aufgelistet, was neben allen Arten hochstämmiger Obstbäume im Alten Land wachsen sollte. "Nun ist es wichtig, dass die Baufibel kein Schubladengutachten wird, sondern Diskussionsgrundlage in den Planungs- und Bauausschüssen", so Kruse.

Dass die Wassergräben, Wettern und Fleete das Alte Land zum Beispiel seit 1350 prägen, sei in manchem Baugremium bisher gar nicht bekannt gewesen, erklärt Kruse. "Mit dem Wissen um diese historische Bedeutung, sagen viele Bauleute, dass es sich lohnt, etwas für den Erhalt des Landschaftsbildes zu tun."

Mit Blick auf die Baufibel sieht auch Jorks Archivarin Susanne Höft-Schorpp eine Chance, bei den Menschen das Bewusstsein zu wecken, dass sie in einer besonderen Landschaft leben. "Man kann hier im Alten Land nicht von der Stange bauen. Neue Häuser sollten mit alten Gebäuden, die teilweise aus der Zeit nach dem Dreißigjährigen Krieg, also nach 1648 stammen, harmonieren", findet Höft-Schorpp.

Das Alte Land an der Unterelbe ist eine in mehr als acht Jahrhunderten gewachsene Kulturlandschaft. Auf einer Länge von etwa 30 Kilometern und einer Breite von rund zehn Kilometern ist sie von den Flüssen Elbe, Schwinge, Lühe und Este, Deichen, Fleeten und charakteristischen Motivfachwerkhäusern, Obstanbauflächen und den historischen Höfen mit Altländer Prunkpforten geprägt. Die Obstbauregion verfügt über eine eigenständige, traditionelle Baukultur, die nun unter besonderen Schutz gestellt werden soll.