Eine Glosse von Frank Adrian

Mit dem Telefonhörer am Ohr sitze ich am Schreibtisch. Ich höre klassische Musik. Wenn ich mich nicht täusche, etwas aus einem Klavierkonzert von Beethoven. In regelmäßigen Abständen wird die Musik von einer Tonband-Frauenstimme unterbrochen: "Leider sind zur Zeit alle Leitungen belegt. Bitte haben Sie etwas Geduld."

Eigentlich will ich telefonieren. Beethoven, Mozart oder Vivaldi in der Telefon-Warteschleife zu hören, lenkt mich vom Musikgenuss ab. Ja, ich gebe es zu. Ich reagiere in diesem Fall kompliziert. Vielleicht bin ich ja auch ein Snob. Aber diese klassischen Warteschleifen-Klänge bedeuten für mich dasselbe, als würde ich Tee oder Rotwein aus einem Coffee-to-go-Pappbecher mit einem Trinkhalm schlürfen Doch Folgendes soll nicht unerwähnt bleiben: Es ist eine wissenschaftliche Erkenntnis, dass Milchkühe bei klassischer Dauerbeschallung mehr Milch geben. Außerdem soll diese Musik eine beruhigende Wirkung auf die Tiere haben. Milch werde ich auch beim geduldigen Hören der längsten Warteschleifen-Tonkonserve nicht geben. Aber vielleicht denkt jemand, dass die beruhigende Wirkung auch bei ärgerlichen Anrufern nutzen kann.

Eben habe ich ein Zitat von Ludwig van Beethoven gefunden: "Musik ist höhere Offenbarung als alle Weisheit und Philosophie." Ein schöner Satz am Ende eines Warteschleifen-Konzerts, nicht wahr? Ich lege den Hörer auf und tippe diese Glosse in den Computer. Telefonieren kann ich ein anderes Mal.