Das ist deutschlandweit einmalig: Profis machen Stader Jugendliche bei den “Wellenbrekern“ fit für das plattdeutsche Theater der Zukunft.

Stade/Buxtehude. Es klingt eine Portion Stolz mit, wenn Nina Englisch-Peterschewski erzählt. "Niederdeutsche Sprachförderung gibt es zwar häufiger", sagt sie, "aber in dieser Altersgruppe und kombiniert mit professioneller Theateranleitung, das gibt es Deutschlandweit nur hier, im Landkreis Stade." Wellenbreker heißt jenes Projekt, eine Theatergruppe für Jugendliche zwischen zwölf und 20 Jahren, die Stücke auf Plattdeutsch aufführt. Der Landschaftsverband Stade rief das Projekt vor 14 Jahren ins Leben.

Englisch-Peterschewski, die aus Bremen stammt und sonst als Lehrerin Darstellendes Spiel unterrichtet, ist als Betreuerin von Anfang an dabei. Besonders die große Altersspanne innerhalb der Theatergruppe macht die Arbeit für sie reizvoll. "Es ist einfach spannend zu sehen, was die Jugendlichen für unterschiedliche Charaktere mitbringen", sagt sie. "Außerdem finde ich es toll, dass die niederdeutsche Sprache bei diesem Projekt mit zeitgemäßen, modernen Themen gekoppelt wird."

Unterstützung erhält Englisch-Peterschewski von ihrer Kollegin Gudrun Oeltjen-Hinrichs, die ausgebildete Theaterpädagogin ist. 13 Jungen und Mädchen aus dem Elbe-Weser-Dreieck, also aus den Landkreisen Stade, Rotenburg, Verden, Osterholz und Cuxhaven, haben sich dieses Jahr für das Jugendtheater-Seminar angemeldet. An vier Workshop-Wochenenden im Sommer haben sie unter Anleitung von Englisch-Peterschewski und Oeltjen-Hinrichs ein 60-minütiges Theaterstück eingeübt, das sie nun, im August und September, an neun Terminen auf die Bühne bringen.

"Rock 'n' Roll un klamme Fööt" heißt die Komödie, die aus der Feder von Autor Bodo Schirmer stammt. Er hat das Stück - wie jedes Jahr - extra für die Jugendlichen geschrieben. "Dieses Jahr ist es wieder ein 'typischer Schirmer', wie wir immer sagen", so Englisch-Peterschewski. "Also ein Stück mit vielen humorvollen Sequenzen, aber auch sehr viel Tiefgang." Ein unterhaltsames Stück mit Botschaft, in dem es um ganz alltägliche Probleme und Emotionen, um die Schwierigkeiten einer alleinerziehenden Mutter, um Pubertät und Altersdemenz geht.

Dabei dreht sich alles um vier Frauen. Mama Annabell, die gerade einen neuen Blumenladen eröffnet hat und frisch verliebt ist, ist völlig überfordert damit, in ihrem Leben alles unter einen Hut zu bekommen. Denn Annabell ist alleinerziehend und muss sich um ihre pubertierenden Töchter Coco und Lina kümmern. Zu allem Überfluss zieht wegen eines Wasserschadens noch Oma Elisabeth ein, die in spirituellen Sitzungen Kontakt zu Elvis aufnimmt. "Das ist nicht immer so einfach, wie im echten Leben auch", so Englisch-Peterschewski. "Durch solche Themen lernen die Jugendlichen natürlich auch Empathie und Toleranz kennen. Sie müssen voll in die Thematik abtauchen und sich in ihre Rollen einfühlen. Das ist ein hoher Anspruch."

Zum Glück geben Englisch-Peterschewski und Oeltjen-Hinrichs dabei professionelle Hilfe. Bei den Wochenend-Workshops haben die Jugendlichen alle für das Theater wichtigen Grundlagen erlernt, vom körperlichen Ausdruck über Improvisation und Phonetik bis zur Erweiterung der plattdeutschen Sprachkenntnisse. Diese Workshops sind es, die den Jugendlichen besonders viel Spaß machen. "Der Zusammenhalt in der Gruppe ist einfach toll", sagt die 17-Jährige Kerstin Umierski aus Mehedorf. "Man lernt sich schnell intensiv kennen und bleibt auch danach in Kontakt." Viele Jugendliche kommen deshalb immer wieder. "Im Idealfall bleiben sie einige Jahre bei uns und werden dann anschließend an den Bühnen in ihrem Ort eingesetzt", so Englisch-Peterschewski. Die "Wellenbreker" fördern so effektiv den Nachwuchs.

Und das mit wenig Mitteln. Viele Kosten werden vom Landschafts-verband Stade beziehungsweise über die Aufführungsaufnahmen abgedeckt. "Aber wir sind komplett für uns sel-ber verantwortlich was Transport, Bühnenaufbau, Requisiten und Kostüme betrifft", so Englisch-Peterschewski. "Zum Glück haben wir über 60 ehrenamtliche Helfer im Einsatz." Die Eltern von Sarah Diedering aus Buxtehude sind besonders engagiert. Weil die 16-jährige Nina das Forum Süd in Buxtehude besucht und der Familie die dortige Bühne so gut gefällt, haben sie sich auch in diesem Jahr wieder darum gekümmert, dass dort am 19. August die Premiere stattfindet.

Aufgeregt sind die "Wellenbreker" allerdings nicht. Selbst die 13-jährige Nikola Grell aus Mehedorf, die dieses Jahr das erste Mal dabei ist, sieht der Premiere gelassen entgegen. "Der Text sitzt", sagt sie selbstbewusst.