Wegen einer Behördenposse ist der Harsefelder Ortsteil an Wochenenden komplett von der Außenwelt abgeschnitten

Harsefeld. Zugegeben: ein bisschen besonders, ein bisschen anders als der Rest war Löhdenhausen immer schon. In dem Harsefelder Ortsteil, den es offiziell gar nicht gibt, leben fast ausschließlich Mitglieder der Familie Löhden. Rund 50 Einwohner sind es, die in dem siedlungsähnlichen Gebilde östlich von Harsefeld beieinander wohnen.

Löhdenhausen liegt unterhalb eines Hügels und macht den Eindruck eines kleinen, eigenständigen Dorfes. Die Löhdens schätzen das durchaus und haben deshalb schon vor Jahren ein eigenes Ortsschild aufgebaut. "Löhdenhausen" prangt es schwarz auf gelb und signalisiert dem Fremden, dass hier eine etwas eigene Welt beginnt.

So weit, so speziell. Doch so abgeschieden, wie sie es seit neuestem sind, sind, wollten die Löhdens dann eigentlich doch nicht sein. Die Abschottung kam diesmal von außen: Seit rund drei Wochen dürfen die Löhdens an Wochenenden ihr Domizil nicht mehr verlassen - zumindest dann nicht, wenn sie mit dem Auto fahren und sich dabei an die Verkehrsregel halten wollen. "Die haben uns hier regelrecht eingekesselt", sagt Hinrich Löhden. Seine Tochter Ilse spricht hingegen von einem "Schildbürgerstreich".

Der Grund für den Unmut ist ein etwa 1,5 Kilometer langer, brauner Erdwall, der bis November zur neuen Ortskernentlastungsstraße werden soll. Wegen des Baus der neuen Kreisstraße 26, die ein Stück westlich von Löhdenhausen verlaufen wird, ist seit Juni ein Teil der Straße "Ebenkamp" gesperrt. Die Straße ist für die Löhdens der direkte Weg in den Harsefelder Ortskern. Wollen sie Löhdenhausen verlassen, müssen sie nun über einen Feldweg fahren, der vom Ebenkamp aus in Richtung Norden führt. Das Problem dabei: diesen Weg dürfen sie zu bestimmten Zeiten gar nicht befahren. Das entsprechende Schild steht, für den Unkundigen kaum sichtbar, hinter einem Baum. Von 6 bis 22 Uhr, so ist dort zu lesen, ist der Weg an Sonn- und Feiertagen für den normalen Verkehr gesperrt. Lediglich landwirtschaftliche Fahrzeuge dürfen den Weg nutzen.

"Dieser Feldweg wurde uns von den Planern der Kreisstraße als Alternative genannt. Jetzt sind wir gezwungen, eine Ordnungswidrigkeit zu begehen, wenn wir am Wochenende das Auto benutzen wollen", sagt Ilse Löhden, die in Buxtehude arbeitet. Wie sie sagt, spricht sie für ihre gesamte Familie, die ohnehin vom Baustellenverkehr beeinträchtigt ist. Lastwagen fahren teilweise im Zehn-Minuten-Takt an Löhdenhausen vorbei und bringen Sand zur Baustelle am Ebenkamp.

"Ich habe schon Verständnis für die Maßnahme, denn Harsefeld braucht die Straße ja. Aber man sollte uns wenigstens erlauben, den Feldweg oder den anderen Teil des Ebenkamps zu nutzen", sagt Ilse Löhden. Sie befürchtet nun, dass Löhdenhausen bis zur Fertigstellung des ersten Teiles der neuen Kreisstraße mit seinem prekären Inselstatus leben muss. Die Bauarbeiten sollen noch etwa bis November dauern.

Kann es wirklich sein, dass die Planer so wenig Herz für die Belange der Löhdens hatten? Harald Polter, stellvertretender Leiter für den Fachbereich Ordnung in der Harsefelder Verwaltung, bestätigt die Sichtweise Ilse Löhdens. "Wenn jemand mit dem Auto am Wochenende über den Feldweg fahren würde, dann wäre das eine Ordnungswidrigkeit." Indes verweist er, wie sein Kollege Holger Bohling, auf die Zuständigkeit des Landkreises. "Die Ortsumgehungsstraße ist eine Kreisstraße. Grundsätzlich zuständig ist deshalb der Landkreis Stade, auch für die Sperrung des Ebenkamps", sagt Bohling, Leiter der Abteilung Tiefbau in der Harsefelder Verwaltung.

Beim Landkreis wird das ganz anders gesehen: "Der Feldweg, in den der Ebenkamp mündet, ist ein Gemeindeweg. Deshalb könnte nur der Flecken Harsefeld ein Fahrverbot aufheben", sagt Heiko Köhnlein, Leiter des Umweltamt des Landkreises, das auch für den Bau der neuen K 26 zuständig ist. Von einem Fahrverbot in dem betreffenden Feldweg sei beim Landkreis allerdings bisher nichts bekannt gewesen.

Dazu Harald Polter: "Herr Köhnlein hat unrecht. Straßenverkehrsrecht ist Aufgabe des Landkreises. Der Flecken Harsefeld wäre gar nicht befugt, Schilder abzubauen". Er geht davon aus, dass der Fehler beim Landkreis liegt: "Ich vermute, bei den Planungen wurde vergessen, das Fahrverbot aufzuheben. So etwas sollte eigentlich automatisch gehen. Die betreffenden Verkehrsschilder werden dann abgedeckt oder überklebt."

Löhdenhausen - eine Enklave zwischen Baustellen, weil sich die Behörden nicht einigen können? Immerhin sichern Heiko Köhnlein, Harald Polter und Holger Bohling zu, sich um die Sache kümmern zu wollen. "Ich kann verstehen, dass die Anwohner verunsichert sind", sagt Heiko Köhnlein.

Nach den Recherchen des Abendblattes schien sich die Lage gestern zu entspannen. Wie Holger Bohling sagt, habe man sich telefonisch unterhalten und sei zu einer Lösung gelangt. "Die Bauabteilung des Landkreises hätte das Schild in die Planung aufnehmen müssen. Jetzt wird es abgedeckt", sagt der Harsefelder Abteilungsleiter.

Bis dahin bleiben den Löhdens noch einige Ausweichmöglichkeiten, um legal den Weg zu befahren. Sie könnten sich einen Trecker anschaffen - oder einfach das Fahrrad nehmen.