Beim Oldtimer-Rennen Niederelbe Classics nehmen rund 100 Fahrer teil. Mit dabei sind Andrea Schröder und ihr Morris

Buxtehude. Dass Oldtimer Kunstwerke sind und jene, die sie in langwieriger Kleinarbeit restaurieren, durchaus so etwas wie Künstler, wird jedem klar, der Andrea Schröder und ihrem Morris Minor Cabrio begegnet. "Man identifiziert sich schon sehr stark mit seinem Werk und ist stolz darauf, wenn man ein paar Jahre lang daran herumgeschraubt hat", sagt die Buxtehuderin, die ihr Gefährt aus dem Jahr 1967 eigenhändig aufgearbeitet hat. Eine Beziehung wie jene zwischen Künstler und Werk - die enge Bande wird nicht zuletzt dadurch deutlich, dass beide stets dieselben Farben tragen, Rot und Crèmefarben nämlich.

Wie ein echtes Kunstwerk richtet das Auto auch Botschaften an seine Umwelt. "Der Wagen spricht schon, manchmal. Man hört da noch Kolben und Zylinder", sagt die Besitzerin, die in ihrem anderen Leben als Projektmanagerin arbeitet. So gebe das Fahrzeug Dinge von sich, die die modernen Exemplare gar nicht mehr äußern können - nicht viel anders verhält es sich ja mit Gemälden, die in Museen hängen.

Strecke führt über 150 Kilometer durch den Landkreis Stade

Gemeinsam mit mehr als 100 weiteren Oldtimerfreunden wird Andrea Schröder am Sonntag mit ihrer "Morri-Maus" bei den Niederelbe-Classics an den Start gehen. Dabei handelt es sich um eine fast 150 Kilometer lange Rallye, die durch Stade, Buxtehude, Harsefeld und das Alte Land führt. Die Tour, die alljährlich die Oldtimerfans vom Niederelbe-Classic-Club organisieren, ist ein bisschen so etwas wie eine Modenschau für historische Karossen, bei der es ebenso sehr um das Sehen wie ums Gesehen-Werden gilt. Was aber ist eigentlich die Faszination dabei, ein altes, anfälliges und mutmaßlich unsicheres Auto zu besitzen und nicht einfach nur ein neues, leises, komfortables?

Damit er diese Sache versteht, lädt Andrea Schröder den Reporter zu einer Probefahrt mit ihrem Morris (Eckdaten: 45 PS, vier Zylinder, ungefähr 120 Stundenkilometer Spitze) ein. Sie setzt sich ihre gestreifte Mütze auf und zieht die roten Handschuhe an, der Eingeladene setzt sich auf den ledernen Beifahrersitz des funkelnden Gefährts, das direkt aus den Roaring Sixties von der Insel herüber gerollt zu sein scheint. Er blickt auf ein spartanisches Armaturenbrett, in dem es eigentlich nur ein Lenkrad und eine Geschwindigkeitsanzeige gibt - in Meilen pro Stunde. Dann erhält er die Anweisung, die Tür fest zu knallen, und los geht es.

Die Fahrt fühlt sich an wie ein Flug mit einer Propellermaschine

Mit einem Geräusch, dem man auch die beschwerlicheren Momente der vergangenen 40 Jahre Weltgeschichte anzuhören meint, setzt sich der Wagen in Bewegung. Doch dann wird er rasanter gleitet über Landstraßen, vorbei an Deichen, Windmühlen und Apfelbäumen. Die Fahrt fühlt sich bald an wie ein Tiefflug mit einer Propellermaschine, wofür nicht nur das Motorengeräusch, sondern auch der frische Luftzug sorgt. Nur hin und wieder bringt einen das Rumpeln beim Überfahren einer Bodenwelle auf dem Boden der Tatsachen zurück.

"Wer mit einem Oldtimer unterwegs ist, nimmt die Landschaft einfach besser wahr. Es ist ein ganz anderes Fahren, langsamer, aber intensiver", stellt Andrea Schröder fröhlich fest, was ihr Beifahrer nur bestätigen kann.

Das viele Basteln am Auto ist dabei kein notwendiges Übel, sondern ein Hobby, eine Passion geradezu. Gemeinsam mit ihrem Ehemann Marcus, auch er ein Freund der flotten alten Autos, besitzt sie vier Oldtimer, darunter auch ein Ferrari. Finanziell sei es durchaus möglich, solch ein Fahrzeug zu erwerben: "Man muss einfach Geduld haben, auf das richtige Angebot warten und viel selbst machen."

Das Interesse für Automobile wurde Andrea Schröder, die sich fast ebenso für Kunst interessiert, bereits in die Wiege gelegt. Im heimischen Prenzlau in der Uckermark besaß ihr Vater eine Trabant-Werkstatt, in der sie früh den richtigen Umgang mit Zange und Schraubenschlüssel lernte. Eine Leidenschaft für das Werkeln blieb hängen.

Nicht der Schnellste gewinnt beim Rennen, sondern der Geschickteste

Damit, dass sie am Sonntag mit am Start ist, ist es aber nicht getan, erzählt Andrea Schröder, als der Morris längst wieder in der Garage gelandet ist. Seit einem Jahr ist sie Mitglied im Classic Club Niederelbe und zudem für die Organisation zuständig. Sie erklärt, worum es bei dieser besonderen Rallye eigentlich geht: "Die Fahrer sollen nicht besonders schnell, sondern innerhalb einer bestimmten Zeit ein Ziel erreichen. Man muss also gut schätzen können." Außerdem müssten die Teilnehmer an den Stationen einige Geschicklichkeitstests machen. Die Ergebnisse gehen später in eine Gesamtwertung ein. Dabei werden die Straßen nicht extra für die Fahrt gesperrt, die Oldtimer sind im ganz normalen Straßenverkehr unterwegs.

Traditionell bieten die Organisatoren auch Schaulustigen eine Menge. So werden Moderatoren an mehreren Stationen etwas über die Wagen und ihre Geschichte erzählen. Für jene, die ein paar Fotos mit nach Hause nehmen möchten, hat Andrea Schröder einen Tipp: "Die Fahrer machen zwischen 14.15 Uhr und 17 Uhr in Jork Kaffeepause. Dann stehen die Wagen auf dem Festplatz und können in Ruhe begutachtet werden."