Sebastian Möllers will im Mai den Schwedenspeicher neu eröffnen. Danach wird das Heimatmuseum umgebaut

Stade. Wenn Sebastian Möllers aus seinem Bürofenster schaut, dann sieht er auf die Stadt, die er ursprünglich gar nicht kannte und nun doch zu lieben gelernt hat: Stade. Dass es diese Stadt gibt, das wusste Möllers nicht, bis er auf die Stellenausschreibung für den Posten des Museumsvereinsdirektors stieß. Seit fast einem Jahr nun ist der 36-Jährige Direktor des Stader Museumsvereins. Zeit, Bilanz zu ziehen.

Bei seinem Amtsantritt wollte er frischen Wind in das städtische Kulturangebot bringen, wollte die angestaubten Museen zu neuem Leben erwecken und weiterentwickeln. Diesem Ziel ist Möllers ein gutes Stück näher gekommen, denn das Kunsthaus Stade hat sich zu einer Institution entwickelt und auch der Umbau des Schwedenspeichers macht gute Fortschritte. "Ich denke, dass das Jahr für uns ein gutes war", sagt Möllers. Er ist zufrieden.

Viele Ideen hatte er, als er seinen Job antrat und mit seiner Familie nach Stade zog. Von den Realitäten vor Ort wusste er aber nur wenig. Die Bürger und ihr Gemüt kannte er noch nicht, die Probleme, die das Umstrukturieren des Kulturangebots mit sich bringen würden, waren nur schwer auszumachen, die Finanzprobleme des Kreises waren ihm praktisch nicht bekannt. Um so mehr freut es ihn, dass er vieles von dem, was er vorhatte, dennoch umsetzen konnte und bei den Bürgern auf großen Zuspruch stieß. "Es gab aber auch Vorbehalte", sagt Möllers. Gerade beim Umbau des Schwedenspeichers habe er das eine oder andere Gespräch mit den Stadern führen müssen. "Einige haben natürlich die Befürchtung gehabt, dass die inhaltliche Neuausrichtung und bauliche Umgestaltung des Schwedenspeichers nicht gut gehen könne und viele Stader hingen an ihrem alten Schwedenspeicher. Doch nach den Gesprächen sind viele guten Mutes gegangen", sagt der Museumsdirektor. Die Architektur des Gebäudes soll wieder besser wahrnehmbar werden, der Kontrast zwischen Historischem und moderner Geschichte deutlicher hervorgehoben werden. Im Mai soll das Museum im neuen Gewand erstrahlen und Stades Kulturprofil weiter stärken.

Das Kulturprofil ist für Möllers die größte Baustelle, an der er arbeitet. "Stade liegt im ländlichen Bereich, damit sind hier auch die Voraussetzungen und Möglichkeiten für kulturelle Veranstaltungen und Angebote ganz anders als in einer Großstadt wie Hamburg oder Berlin", sagt der Museumsdirektor. Museen wie die in Stade müssten zum einen auf ihre Klientel achten und sie weiter ansprechen. "Die Mehrzahl unserer Besucher im Kunsthaus ist beispielsweise etwa 50 Jahre alt, die haben ganz bestimmte Erwartungen, die wir berücksichtigen müssen", sagt Möllers. Deshalb wird erfolgreich auf die allseits gefragte klassische Moderne gesetzt, wie bei Braque oder August Macke. "Wichtig ist aber immer, dass wir ein Alleinstellungsmerkmal für die Ausstellungen finden", sagt Möllers. Seltene Kunstwerke und neue Einsichten in das Leben des Künstlers, wie bei August Macke, seien ein gutes Rezept, um über die Kreisgrenzen hinweg Aufmerksamkeit zu erzielen und damit Kunstbegeisterte nach Stade zu locken. "Wir haben mit Macke die Latte sehr hoch gelegt, jetzt wird natürlich erwartet, dass wir immer wieder Schätze auftreiben", so Möllers. Das sei aber nicht ganz einfach denn viele dieser Schätze befinden sich in den Händen von Kunstsammlern. Und die seien nicht immer unkomplizierte Persönlichkeiten. "Vieles geht da nur über gute Beziehungen", sagt der 36-Jährige. Dafür bedürfe es eines guten und funktionierenden Netzwerkes und daran arbeitet er gemeinsam mit Stades Stadtarchäologen Andreas Schäfer. Dessen Kontakte zu Kunstsammlern seien überaus nützlich, um immer wieder neue Aufsehen erregende Ausstellungen zu organisieren. Ein gutes internationales Netzwerk zu erstellen und zu unterhalten, stelle eine enorme Herausforderung dar.

Eine weitere Herausforderung besteht für Möllers darin, auch jüngere Kunstinteressierte nach Stade zu locken. "Mit der Gegenwartskunst, wie jetzt bei der Painters on the run-Ausstellung, bieten wir Einblicke in die neueren Entwicklungen in der Kunstszene, die oftmals auch jüngere Menschen verstärkt ansprechen. Dennoch ist es für junge Hamburger immer noch keine Selbstverständlichkeit, zu einer Kunstausstellung nach Stade zu fahren", sagt Möllers.

Trotz der S-Bahn-Anbindung gelte Stade für viele Hamburger noch als weit entfernt. Der Anreiz, nach Stade zu kommen, müsse also über den Event-Gedanken geschaffen werde "Wenn ich als Kunstinteressierter höre, dass es in Stade eine einmalige Ausstellung gibt, die so nirgends zu sehen ist, in der sonst nicht öffentlich ausgestellte Werke gezeigt werden, dann kommen die Menschen, auch jüngere, eher, als wenn ich viel über Chagall zeige, diese Werke aber auch Jahre später noch in anderen Museen anschauen kann", sagt Möllers.

Dem Museumschef geht es bei den laufenden Projekten wir dem Kunsthaus, dem Schwedenspeicher, der anvisierten Umgestaltung des Heimatmuseums und der Erweiterung des Erlebnisangebots auf dem Freilichtmuseum "Insel" auch um das Ankurbeln des Tourismusgeschäfts. Um die Touristen in die Museen zu locken sind aber zunächst Investitionen nötig. "Die Finanzprobleme des Landkreises sehen wir damit auch mit einer gewissen Sorge, denn ein Sparprogramm in der Kultur schadet langfristig dem Tourismus und mindert damit die Einnahmen in der Region", sagt Möllers. Für die Kulturbetriebe bedeute dies zudem, dass immer mehr Museen bei immer weniger Stiftungen um immer weniger Geld kämpfen müssen. Auf Dauer könne dies das Ende der Existenz für Kultureinrichtungen bedeuten. "Ich hoffe, dass wir dennoch unser Angebot weiter ausbauen können", sagt Möllers, der einen gewissen Widerspruch in der allgemeinen Sparpolitik sieht. Auf der einen Seite werde vom Kostenfaktor Kultur gesprochen, auf der anderen Seite würden sich aber alle Bürger und Politiker eine blühende Kulturszene wünschen.

In Stade will Möllers es gar nicht so weit kommen lassen, dass der Kultur finanzielle Fesseln angelegt werden. Er will weiter an Stades Weg zur regionalen Kulturmetropole arbeiten. Im Frühjahr steht als erster Schritt die Eröffnung des Schwedenspeichers an, in etwa drei Jahren soll dann das Heimatmuseum mit einem neuen Konzept im Lichterglanz erstrahlen und das Freilichtmuseum soll bereits 2011 attraktiver werden, unter anderem mit der Etablierung eines historischen Bauernmarktes. Der hätte auch touristisches Potenzial für das Stadtmarketing.

Stade wird noch eine gute Weile Möllers' Baustelle sein. "Ich werde hier nicht einfach alles sanieren und dann nach dem nächsten Projekt Ausschau halten", sagt er. Vielmehr wolle er sehen, wie sich die Konzepte langfristig entwickeln. Schließlich habe mich nicht ohne Grund dazu entschlossen, nach Stade zu ziehen.