Ehre. Altmodisch klingt das, erinnert an geschändete Jungfern und blutige Duelle im Morgengrauen.

Sie zu verlieren, galt in früherer Zeit als schlimmster Makel. "Lieber aufrecht sterben, als auf Knien leben", so ein altväterliches Sprichwort.

So weit würde heutzutage wohl niemand mehr gehen - zumindest nicht in unserer westlichen Gesellschaft, in der Ehrenmorde eher selten, Sex vor der Ehe dagegen vollauf akzeptiert ist. Kann man denn überhaupt noch seine Ehre verlieren? Oder sind wir heutzutage so sehr auf materielle Werte fixiert, dass uns der Verlust von Vermögen mehr schmerzt als das angekratzte Ehrgefühl?

Gerade zu Ostern hatten viele Priester die "Rückbesinnung auf christliche Werte" gefordert: Ehrlichkeit, Treue und Verantwortungsbewusstsein seien im Zeitalter der Globalisierung und bröckelnder Familienstrukturen wichtiger denn je.

Denn was - oder vielmehr: wen - früher Großfamilien- oder Dorfgemeinschaften aufgefangen haben, der bleibt heute leicht auf der Strecke. Senioren, Kinder und Behinderte werden in Betreuungseinrichtungen gesteckt, wo sie mal besser, mal schlechter versorgt werden. Das soll kein Vorwurf sein: Wer drei Jobs machen muss, um die Familie über Wasser zu halten, kann sich nicht auch noch um die kränkelnde Großmutter kümmern.

Gerade deshalb brauchen wir Menschen, die sich ehrenamtlich engagieren - sei es im Seniorenbereich, beim Umweltschutz oder im Verein. Dass es neuerdings immer mehr jüngere Menschen sind, die ohne Entgelt Gutes tun, ist eine gute Entwicklung und lässt hoffen, dass die alten Werte wieder hoch gehalten werden. Schließlich ist das Ehrenamt wörtlich gesehen ein Amt, das Ehre macht. Nicht mehr und nicht weniger.