Neue Ausgrabungen lassen vermuten, dass Stade Amtssitz werden sollte

Stade. Sollte Stade einmal Bischofsstadt werden? Diese Vermutung konnte lange Zeit nicht belegt werden. Neueste Ausgrabungen an der St.-Wilhadi-Kirche in der Stader Altstadt legen die Vermutung nahe, dass Stades Hauptkirche im Mittelalter tatsächlich von einer Pfarrkirche zunächst in eine Stiftskirche mit einem Kreuzgang und später in eine Bischofskirche umgewandelt werden sollte. Die Stadtarchäologie ist nahe dem Turm der Kirche an der Nordseite des Gebäudes vermutlich auf Überreste eines einst angelegten Kreuzganges gestoßen, die den Bau einer Stiftskirche nahelegen.

In einer Tiefe von 1,60 Metern wurde ein massives Feldsteinfundament von 1,40 Meter Breite und mehr als drei Metern Länge freigelegt. Dieses Fundament ist laut Stadtarchäologe Andreas Schäfer aus drei Lagen von Feldsteinen errichtet und datiert in das Mittelalter, wahrscheinlich um die Zeit um 1050. Der Stader Historiker Arend Mindermann wertet diesen Fund als wichtiges Zeugnis. "Die hier gefundenen Überreste ähneln sehr stark jenen des Kreuzgang des Harsefelder Kloster", sagt der Historiker des Landschaftsverbandes Stade. Interessant sei hierbei auch, dass sowohl Stade als auch Harsefeld in der Hand desselben Herrschergeschlechts waren und somit gewisse Parallelen gezogen werden könnten.

In der mittelalterlichen Chronik Adams von Bremen wird auf eine Kanonikerschrift aus dem Jahr 1050 verwiesen, nach der Stade zu einem Bistum ausgebaut werden sollte. Diese Pläne wurden mit der Absetzung des Bremer Erzbischofs Adalbert, der sich bei Stade vermutlich eine weitere Machtbasis aufbauen wollte, auf Anordnung des Papstes fünf Jahre später gekippt. "Seit dem gab es ein Loch in der Forschung", sagt Mindermann. Der Fund der Stadtarchäologen könnte ein Hinweis dafür sein, dass es nicht nur die Pläne für eine Stiftskirche und ein Bistum gab, sondern auch erste bauliche Schritte, um die Pläne zu zementieren.

Die derzeitige Funktion der Kirche passe, so Superintendent Thomas Kück, ebenfalls in das vermutete historische Bild hinein, denn bis heute gilt die St.-Wilhadi-Kirche als die Stader Bischofskirche. "Wenn der Bischof nach Stade kommt, dann hält er traditionell seine Predigten immer in der St.-Wilhadi-Kirche", sagt Kück. Dass die Quellen nach dem Sturz des Bischofs im 11. Jahrhundert zu den Plänen, eine Stiftskirche oder gar ein Bistum zu errichten, versiegen, verwundert Kück nicht. "Es ist in der Kirchengeschichte bekannt, dass viele Dinge bei der Kirche verschwiegen wurden, vor allem wenn es um Machtpolitik ging", sagt Kück.

Stadtarchäologe Schäfer geht davon aus, dass vermutlich weitere mittelalterliche Baureste im Umfeld der Kirche gefunden werden könnten. "Seit 20 Jahren wurde in diesem Bereich der Stadt nichts mehr unternommen, das hat auch damit zu tun, dass auf den einst freien Flächen, auf denen wir weitere Überreste vermuten, heute Gebäude stehen, die im 16 und 17. Jahrhundert errichtet wurden", so Schäfer. Laut Mindermann sei der nördliche Bereich der Kirche jahrhundertelang nicht bebaut gewesen, somit sei auch ausreichend Platz für den Bau eines Kreuzganges vorhanden gewesen.