Im Winter haben Besucher des Buxtehuder Waldfriedhofs die Tiere gefüttert. Jetzt sind sie zu einer echten Plage geworden.

Buxtehude. "Und weiden möcht' ich auf immergrüner Au..." Diese Abwandlung des Psalm 23 aus der Bibel steht auf einigen Grabmalen. Auf dem Buxtehuder Waldfriedhof nimmt ein Rudel Rehe den Psalm Davids, in dem es heißt, "Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln" ganz offensichtlich wörtlich: Die Tiere fressen floralen Sargschmuck aus Rosen, Margeriten, oder Annemonen ebenso gern wie kunstvoll gestaltete Grabgestecke. Bei der städtischen Friedhofsverwaltung sind deshalb in den vergangenen Wochen vermehrt Beschwerden von Besuchern und von Besitzern der Grabstätten eingegangen, deren Blumenschmuck von den Rehen zerstört wurden.

"Für die Angehörigen ist es ein großer Schock, wenn schon am Tag nach der Beerdigung des Verstorbenen nur noch Stiele an den Kränzen stecken und der Grabschmuck geplündert ist. Da sind in einer Nacht schon mal 50 Rosenknospen weg", sagt Gunda Bohmbach. Die Floristin betreibt professionelle Grabpflege auf dem Waldfriedhof und kennt die Sorgen ihrer Auftraggeber. Aber auch Menschen, die sich selbst um die Gräber ihrer Lieben kümmern, klagen der Gärtnerin ihr Leid. Kaum sei das Grab hübsch bepflanzt, finde man am nächsten Tag den Ruhestättenschmuck ratzekahl abgefressen.

"Sie sind richtige Feinschmecker und inzwischen sehr wählerisch", sagt Gunda Bohmbach. "Die Rehe finden ja auch das reinste Schlaraffenland vor und sind oft gar nicht scheu, wenn sie auf Menschen treffen." Wenn Gunda Bohmbach morgens um 7 Uhr ihre Arbeit beginnt, stehen die Rehe auf dem Weg und lassen sich nicht stören. Sie knabbern an Efeuranken und Buchsbäumchen, äsen auf den Grasflächen und zupfen junge Triebe von Koniferen.

"Es sind fünf Rehe, sicher eine Familie und eine Ricke ist sogar tragend", sagt Bohmbach. Um die Wildtiere vom Festmahl fernzuhalten, kommen jetzt Drahtgeflechte zum Einsatz, mit denen sonst nur die Hügel von Ameisen in Wäldern geschützt werden. Auch mit Vogelnetzen werden die Gräber oftmals zugehängt.

Rehe habe es auf dem Friedhof immer gegeben, sagt Walter Pörksen, stellvertretender Leiter der Fachgruppe Betriebliche Dienste der Stadt Buxtehude. "Dass die Rehe ohne Scheu jetzt alles von den Gräbern fressen, was ihnen schmeckt, ist in gewisser Weise ein hausgemachtes Problem", sagt Pörksen. "Friedhofsbesucher und Tierfreunde haben die Rehe im Winter bei anhaltend strengen Frösten gefüttert. Ganz klar, dass die Tiere sich jede gute Futterstelle merken und immer wiederkommen. Deshalb dürfen sie keinesfalls weiterhin gefüttert werden."

Nun bittet die Buxtehuder Friedhofsverwaltung die Besucher um Mithilfe, damit die Rehe in Zukunft vom Friedhofsgelände ferngehalten werden können.

Doch das erweist sich im Moment als besonders schwierig. "Seit dem 1. April ist in Niedersachsen Brut- und Setzzeit. "Bis zum 15. Juli ist es demnach verboten, die Rehe zu treiben, zu hetzen, zu jagen, zu betäuben oder gar abzuschießen", sagt Torsten Voß, Leiter der Fachgruppe Betriebliche Dienste.

Zudem haben Mitarbeiter der Friedhofsverwaltung feststellen müssen, dass die Zäune um den Friedhof mehrmals zerschnitten, beschädigt oder niedergetreten worden sind, so Kerstin Geresser von der Pressestelle der Stadt Buxtehude.

Um der Rehplage Herr zu werden, kontrollieren die Mitarbeiter regelmäßig die Zäune auf Schäden und beseitigen diese umgehend, so Voß. "Friedhofsbesucher werden gebeten, schadhafte Stellen der Einzäunung bei der Friedhofsleitung, unter der Rufnummer 04161/64 40 11, zu melden, damit diese repariert werden können."

Darüber hinaus sei es sehr wichtig, die Tore und Pforten auf dem Friedhof geschlossen zu halten und keine Steine davor zulegen. "Alle Schlösser wurden im Februar von einer Fachfirma überprüft und repariert", sagt Voß. "Es sind Federscharniere angebracht, die die Pforten automatisch zufallen lassen, so dass die Rehe den Friedhof zwar verlassen, aber nicht betreten können."

Wer seine Grabstätten vor den Rehen schützen möchte, kann sich auch in Gärtnereien beraten lassen, welche Pflanzen von Rehen verschmäht werden. Gunda Bohmbach weiß, dass beispielsweise stark duftende Narzissen und Hyazinthen nicht auf dem Speiseplan der Rehe stehen. Die Hauptnahrung der anspruchsvollen Wiederkäuer besteht in freier Natur aus saftigen Kräutern, zarten Trieben von Bäumen und Sträuchern. Der Magen eines Rehes ist relativ klein und benötigt deshalb acht bis zwölf Füllungen, die es über Tag und Nacht verteilt aufnimmt.

Die bevorzugte Kost der Rehe ist leicht verdaulich und eiweißreich. Die ausgiebigen Mahlzeiten, beim Rehwild Äsungen genannt, finden in der Abend- und in der Morgendämmerung statt. Wie bei allen Wiederkäuern ist auch beim Reh das Verdauungssystem so eingerichtet, dass es schnell größere Nahrungsmengen aufnehmen und diese danach an einem sicheren Ort verdauen kann.

Zum Wiederkäuen suchen Rehe eine Stelle auf, wo sie viel sehen können, ohne gesehen zu werden. Das Buxtehuder Waldfriedhofsgelände ist dafür ideal. Zudem haben die Tiere ihre natürliche Scheu vor den Menschen abgelegt, weil ihnen nicht nachgestellt werden darf. "Die Jagd auf dem Friedhof ist grundsätzlich verboten", sagt Pörksen. Und so wird das Problem kaum in den Griff zu kriegen sein.

"Die Rehe haben den Waldfriedhof als Einstand, in dem sie ungestört äsen können, für sich entdeckt und es dürfte schwer sein, sie dort fortzubringen", sagt auch Otto Fricke, Leiter des Fortsamtes Harsefeld und Mitautor des Fachbuches "Rehwild". Auch wenn man die Tiere von diesem Standort vertreibe, würden sie immer wieder die Zäune überspringen um an so eine ideale Nahrungsquelle zu gelangen, so Fricke.