Dieter Klar und Peter Kühn im Doppel-Interview über Kunst, Kultur und das liebe Geld

Stade/Buxtehude. Sie haben beide für ihre Konzepte gekämpft, hatten und haben beide viele ehrenamtliche Helfer und führen jetzt zwei der erfolgreichsten Kulturstätten im Landkreis Stade: Dieter Klar und Peter Kühn.

Dieter Klar, Jahrgang 1937, Journalist und Schriftsteller, ist seit vier Jahren Präsident des Kulturforums am Hafens in Buxtehude. Die Stadt bezahlte die Renovierung des ehemaligen Flügels der Malerschule, doch seitdem muss das Haus selbst für die Finanzierung sorgen. Der Anspruch der Macher ist es, dennoch ein gehobenes Programm bieten zu können.

Ganz ähnlich sieht die Welt in Stade aus - genau genommen im Gegenstück zum Buxtehuder Kulturforum, der Seminarturnhalle. Vor zwei Jahren trat der Trägerverein an, ein Kleinkunstbühne mit anspruchsvollem Angebot einzurichten. Anders als in Buxtehude, mussten die Macher der Seminarturnhalle allerdings für die Renovierung des historischen Gebäudes Spenden sammeln und teilweise kräftig Hand anlegen. Seit einem Jahr läuft das Haus jetzt, der freiberufliche Regisseur Peter Kühn (52) kümmert sich federführend um das Programm. Das Abendblatt brachte die beiden zum Doppel-Interview zusammen.

Abendblatt: Herr Klar, Herr Kühn, wie führt man eine kulturelle Einrichtung, die ein gehobenes Programm hat, aber keine öffentlichen Zuschüsse bekommt?

Dieter Klar: Wir müssen natürlich zusehen, dass es sich rechnet. Das geht nur, weil wir zehn bis 15 ehrenamtliche Helfer haben. Den größten Teil unseres Programms können wir deshalb mit den Eintrittsgelder finanzieren. Außerdem vermieten wir das Kulturforum an Firmen und für Privatveranstaltungen. Es gibt auch den Fall, dass wir uns etwas Teureres leisten wollen, zum Beispiel eine Filmreihe oder ein Weihnachtsmärchen. Dafür spreche ich dann Sponsoren aus der Umgebung an.

Peter Kühn: Bei uns läuft es ganz ähnlich. Wichtig sind auch die Getränkeverkäufe in den Pausen. Außerdem ist es ein großer Vorteil, wenn man Kontakte zu Künstlern hat. Am Anfang sind ganz viele Leute, die ich kenne, bei uns ohne Gage aufgetreten.

Abendblatt: Müssen sie nicht Kompromisse eingehen, wenn sie auch auf Sponsoren angewiesen sind?

Dieter Klar: Na ja, ich drucke halt deren Logos auf die Karte und stelle auch mal ein Schild auf. Damit komme ich klar.

Abendblatt: Womit kämen Sie nicht klar?

Dieter Klar: Das Entscheidende ist, dass wir uns gegenseitig respektieren.

Peter Kühn: Untragbar wäre, wenn sich Sponsoren künstlerisch einmischen würden. Sie dürfen keinerlei Einfluss auf das nehmen, was an dem Abend abläuft.

Dieter Klar: Ja, da gibt es eine ganz klare Grenze.

Abendblatt: Wie sieht es mit Vermietungen aus? Ist ihnen jeder Kunde recht?

Peter Kühn: Eine rechte Organisation wird bei mir sicherlich nicht reinkommen.

Abendblatt: Die Junge Union auch nicht?

Peter Kühn: Die schon. Die bewegen sich ja auf der Basis einer demokratischen Grundhaltung.

Dieter Klar: Und wir sind ja eine öffentliche Einrichtung. Ich muss ja nicht die selbe Meinung wie jeder haben, der hier reinkommt.

Abendblatt: Kommen wir zum Programm ihrer Häuser. Da sind sie ja darauf angewiesen, dass es auch Erfolg beim Publikum hat. Muss man da nicht hin und wieder Zugeständnisse machen?

Dieter Klar: Ich würde mich nie verbiegen und etwas machen, das entsetzlich ist. Aber Kompromisse gibt es. Bei uns gab es zum Beispiel mal einen Katharina-Valente-Abend. Da war ich ein bisschen auf dem Drahtseil. Aber die Hütte war voll, die Leute waren glücklich und am Ende wedelten sie mit Taschentüchern.... Ich ging raus und dachte: War doch richtig! Es ist ja nicht nur mein Programm, es gibt auch eine Verpflichtung gegenüber dem Publikum. Ein anderes Beispiel ist unsere letzte Silvesterparty. Irgendwann wollten die Leute Andrea Berg und diesen Wolfgang Petry hören. Ich habe so was nicht, aber ich kaufe das jetzt.

Peter Kühn: Es gab auch bei uns schon mal ein Konzert, dass mir privat nicht so gefallen hätte. Grundsätzlich müssen aber alle Veranstaltungen ein bestimmtes Maß an Qualität bieten. Mit diesem Anspruch sind wir ja auch angetreten.

Abendblatt: Haben Sie schon Flops erlebt?

Dieter Klar: Wir hatten zum Beispiel eine Gruppe hier, die die Oper "Porgy and Bess" gespielt hat. Ich dachte, da kann nichts schief gehen, aber am Ende waren nur vier Leute da. Aber es gibt auch das Gegenteil, unerwartete Erfolge. Als ein finnischer Tango-Sänger bei uns auftrat, war die Hölle los. Ein hinreißender Abend, es war knüppelvoll.

Abendblatt: Haben Sie eine Erklärung?

Dieter Klar: Nein. Da bin ich fassungslos. Ich versuche gar nicht, das zu erklären.

Peter Kühn: Ich hatte mal ziemliches Pech mit einer Tango-Veranstaltung. Auf vielfachen Wunsch haben wir eine Live-Band eingeladen. Am nächsten Tag gab es einen Tango-Workshop. Zum Konzert kamen nur wenige, zum Workshop gab es eine einzige Anmeldung. Aber ich würde es wieder tun, so ein Risiko gehört dazu. Man muss auch mal ein Minus in Kauf nehmen.

Dieter Klar: Sonst würde es ja keinen Spaß machen.

Abendblatt: Wer entscheidet eigentlich letztlich, was bei Ihnen auf die Bühne kommt? Sie alleine? Oder müssen Sie sich mit den Fördervereinen abstimmen?

Peter Kühn: Wir machen das Programm in der Regel zu zweit, Karin Lange-Rebehn (Erste Vorsitzende des Fördervereins, Anm. d. Red.) und ich. Wir denken da ganz ähnlich. Aber bei so etwas muss auch klar sein, dass nicht alle mitdiskutieren können.

Dieter Klar: Man braucht Profis. Und einen Prinzipal, eine Rampensau, die sagt, wo es langgeht und den Kopf hinhält. Also, bei uns läuft es so: Im Prinzip entscheide ich, zusammen mit drei, vier Leuten.

Peter Kühn: Einer muss verantwortlich sein, für die Atmosphäre im Haus sorgen und dafür, das alles professionell abläuft. Die Proben auf der Bühne zum Beispiel. Ich weiß, wie so etwas funktioniert, weil ich eben seit langem am Theater arbeite.

Dieter Klar: Es geht auch um kleine Dinge. Ich stelle den Künstlern zum Beispiel Obst hin und kontrolliere vor Veranstaltungen, ob auf den Toiletten auch Handtücher sind.

Abendblatt: Sie sind nicht nur die künstlerischen Leiter, sie müssen sich auch noch um alles kümmern?

Peter Kühn: Das ist die künstlerische Leitung! Das wird immer unterschätzt. Zur künstlerischen Leitung gehört die Betreuung. Das Ergebnis auf der Bühne ist nicht von den Rahmenbedingungen zu trennen.

Dieter Klar: Absolut. Es spricht sich herum, wenn Künstler sich irgendwo wohl fühlen. Wir werden zum Teil schon von Leuten aus Berlin angesprochen.

Abendblatt: Sie sind beide auch beruflich tätig. Woher nehmen sie die Zeit für all das?

Peter Kühn: Man muss einfach die Nacht zum Tag machen.

Dieter Klar: Es ist ein zusätzlicher Fulltime-Job. Aber es macht einen Riesen-Spaß. Nach manchen Vorstellungen schlägt einem so viel Dankbarkeit entgegen, dann habe ich das Gefühl, über Wasser gehen zu können.

Abendblatt: Sie sind beide in Ihrem Leben schon recht viel herum gekommen, haben in Städten wie Wien und Paris gearbeitet. Wie ist es dagegen in Stade und Buxtehude?

Dieter Klar: In einer Großstadt wie Hamburg hätte ich so etwas wie das Kulturforum vermutlich gar nicht gemacht. Die Wege durch die Institutionen sind länger und mitunter zäher. Außerdem gibt es schon ein großes Angebot, gegen das man sich erst mal behaupten muss.

Peter Kühn: Eine Großstadt hat natürlich in der Anzahl ein ganz anderes Publikums-Potenzial. Andererseits sprechen sich Dinge in der Kleinstadt schneller herum. So etwas wie Mund-zu-Mund-Propaganda, das gibt es wirklich noch. Und es geht schneller, dass die Leute ein Theater oder Kulturhaus als ihren Ort akzeptieren. Wir haben nach einem Jahr schon ein Stammpublikum. Die Leute kommen teilweise, ohne genau zu wissen, was läuft.

Abendblatt: Stehen Sie da nicht in Konkurrenz zu anderen Einrichtungen in ihrer Stadt?

Peter Kühn: Sehe ich eigentlich nicht so. Das Stadeum zum Beispiel spricht ja ein ganz anderes Publikum an als wir.

Dieter Klar: Ich finde, das mit der Konkurrenz ist doch Quatsch. Im Gegenteil, die Sachen ergänzen sich doch. Je größer das Angebot ist, desto besser kriegst du die Leute in Bewegung. Wer eine Ausstellung bei uns ansieht, geht danach vielleicht zum Buxtehude-Museum weiter. Oder in ein Restaurant. Und das spricht sich dann irgendwann auch bis Hamburg herum, dass es hier ein kulturelles Angebot gibt. Stadtmarketing, das ist es doch, was wir hier machen.

Peter Kühn: So ist es. Unsere Städte machen sich da manchmal ein bisschen klein. Dafür gibt es aber keinen Grund. Ein bisschen mehr Mut, das wäre nicht schlecht.