Der 35-Jährige soll den Raubüberfall von Oldendorf mitgeplant haben. Bis 2010 hat er bei der Gemeinde gearbeitet

Oldendorf. Der Schock sitzt tief bei den Menschen in der 2900-Einwohner-Gemeinde Oldendorf. Ein Sondereinsatzkommando (SEK) der Polizei hat am Sonnabend gegen 6.30 Uhr die Wohnung von Alexander V. in Oldendorf gestürmt und den 35-jährigen Familienvater festgenommen. Der Polizeieinsatz steht in direktem Zusammengang mit dem Tod des Oldendorfer Unternehmers Gerd H. Ende vorigen Jahren. "Der Beschuldigte ist dringend tatverdächtig, an der Planung und Vorbereitung eines am 11. Dezember 2010 verübten Raubüberfalls auf einen 50-jährigen Oldendorfer und dessen Ehefrau beteiligt gewesen zu sein, bei dem das 50-jährige Opfer ums Leben kam", sagt Kai Thomas Breas, der Sprecher der Staatsanwaltschaft Stade.

Damit rückt die Gewissheit näher, dass die Drahtzieher des brutalen Überfalls aus derselben Gegend kommen wie ihre Opfer. Die Wohnung von Alexander V. ist nur etwa 1000 Meter entfernt von dem Haus, in dem Gerd H. gewohnt hat. Bereits am Donnerstag war im Zusammengang mit diesem Raubüberfall Sergej L., ein 39 Jahre alter Mann aus Himmelpforten, verhaftet worden.

Am 11. Dezember, einem Sonnabend, hatten zwei Männer gegen 20.30 Uhr an der Tür des Hauses am Koppelring in Oldendorf geklingelt und drangen in das Haus des Geschäftsmannes Gerd H. ein, nachdem dessen Frau die Tür geöffnet hatte. Sie fesselten sie und misshandelten sie schwer, um sie zu zwingen, ihre EC-Karten herauszugeben und die PIN-Nummern zu nennen. Einer der Täter hob noch am selben Abend mehrere tausend Euro von der wenige hundert Meter entfernten Filiale der Volksbank ab. Gerd H. starb in der Nacht an den Folgen des Überfalles, auch seine 51-jährige Ehefrau wurde schwer verletzt.

Die 40 Beamten einer für diesen Fall eingerichteten Mordkommission leisteten mehr als drei Monate akribische Ermittlungsarbeit, gingen etwa 500 Spuren nach und fügten das Puzzle der Indizien zusammen. Die Spur der beiden mutmaßlichen Haupttäter, von denen Phantombilder existieren, führt nach Weißrussland. Für die Fahndung nach den Männern hat das Stader Amtsgericht bereits am Mittwoch einen internationalen Haftbefehl erlassen. "Wir haben die weißrussischen Behörden um Vollstreckung des Haftbefehls gebeten", sagt Kai Thomas Breas.

Alexander V. und Sergej L. kennen sich offenbar schon länger. Der 39-jährige L. wohnte, bevor er nach Himmelpforten zog, in Oldendorf, und zwar genau in jener Wohnung eines Zweifamilienhauses, in dem Alexander V. wohnt und das am Sonnabend vom SEK gestürmt wurde.

"Das SEK kam zum Einsatz, da die Ermittler der Stader Mordkommission davon ausgehen mussten, dass der Verdächtige Waffen im Haus haben könnte", sagt Stades Polizeisprecher Rainer Bohmbach. Dieser Verdacht habe sich nach der Durchsuchung der Wohnung nach Beweismitteln allerdings nicht bestätigt, so Bohmbach. Alexander V. sei so überrascht gewesen, dass er sich widerstandslos festnehmen ließ. Gestern wurde auf Antrag der Staatsanwaltschaft auch gegen ihn Haftbefehl wegen Raubes mit Todesfolge erlassen.

Die Nachricht von der Festnahme von Alexander V. erbreitete sich am Wochenende wie ein Lauffeuer in Oldendorf. In die Freude, dass die Arbeit der Polizei so erfolgreich ist, mischt sich vor allem der Schock, dass einer der Drahtzieher mitten aus dem Ort kommt. "Wir können es nicht fassen, dass der Alexander ein Mittäter sein soll", sagt eine 70-jährige Nachbarin des Verdächtigen. Sie hatte die Festnahme des 35-Jährigen und das Großaufgebot der Polizei am Sonnabendmorgen vom Küchenfenster aus beobachtet.

"Wir kennen Alexander als freundlich und sehr hilfsbereit", sagt die Seniorin. Ihren Ex-Nachbarn Sergej L. hingegen habe sie nicht gemocht, weil er oft vor dem Haus gestanden und dabei laut auf Russisch telefoniert habe. "Der konnte einem nie offen in die Augen sehen", erinnert sich die Frau.

Einer, dem der Raubüberfall von Oldendorf in diesen Tagen auch persönlich zu schaffen macht, ist Johann Schlichtmann. Er ist hauptberuflich Polizeibeamter und ehrenamtlich Bürgermeister von Oldendorf. Schlichtmann kannte sowohl das Opfer, Gerd H., als auch den mutmaßlichen Mittäter, Alexander V., seit Jahren. Ihm hatte Schlichtmann sogar einst einen Job bei der Gemeinde verschafft.

"Ich bin sehr froh über den Erfolg der Polizei und zugleich zutiefst enttäuscht, wenn sich der Verdacht gegen Alexander V. bestätigen sollte", sagt Schlichtmann. "Ich habe Alexander eine Chance gegeben, als er nach Oldendorf kam. Über ein Programm des Arbeitsamtes für Langzeitarbeitslose konnte ich von 2008 bis 2010 eine Anstellung bei der Gemeinde befürworten. Er war freundlich, fleißig, zuverlässig und beliebt, auch weil er bei vielen Oldendorfer im Garten oder handwerklich geholfen hat. Der Mann, der jetzt in einer Oldendorfer Autowerkstatt arbeitet, konnte einfach alles" berichtet Johann Schlichtmann.

Der Bürgermeister sagt, er habe sich für den jungen Familienvater Alexander V. eingesetzt, weil ihm die Integration der Zugezogenen am Herzen liegt. "Dass es nun diese bittere Enttäuschung gibt, rüttelt schwer an meinen Wertevorstellungen." Zudem habe er das Opfer, Gerd H., der als erfolgreicher Geschäftsmann galt auch persönlich sehr gut gekannt: "Wir waren auf seiner Hochzeit, haben Geburtstage zusammen gefeiert und am Ende habe ich an seinem Grab eine Rede gehalten."