Die Gemeinde Hollern-Twielenfleth will Alternative zu neuen Strommasten. Doch diese kostet um ein Vielfaches mehr

Hollern-Twielenfleth/. Stade Neue Kabelwege für die Energieversorgung der Zukunft sorgen im Landkreis Stade in den betroffenen Gemeinden für Spannungen zwischen Energieunternehmen, Netzbetreibern und Bürgern. Auf neuen Masten und durch dickere Leitungen soll bald mehr Strom von Offshoreanlagen auf dem Meer oder aus neuen Kraftwerken zu den Verbrauchern fließen. Doch Anwohner in den Bereichen der Kabeltrassen fürchten um den Wert ihrer Grundstücke und um ihre Gesundheit wegen der elektromagnetischen Felder. Deshalb hoffen viele von ihnen, dass die neu zu bauenden Kabeltrassen unsichtbar, unter der Erde verlaufen. Das wäre technisch machbar, aber würde bis zu siebenmal soviel kosten.

Gemeinderat sprach sich einstimmig gegen den Trassen-Entwurf aus

Im Planfeststellungsverfahren zur neuen 380 000-Volt-Stromtrasse vom Umspannwerk Dollern bis zum geplanten Kohlekraftwerk bei Wöhrden sprach sich der Gemeinderat Hollern-Twielenfleth einstimmig gegen den vorgelegten Trassen-Entwurf des Bayreuther Netzbetreiberunternehmens "Tennet" aus und schlug eine Alternative vor. Die Trasse soll an der Peripherie des Gemeindegebietes, entlang der Ostumgehung und der geplanten Fortführung der Autobahn 26 Richtung Drochtersen, verlaufen. Und ginge es nach den Gemeindevertretern, soll die neue Trasse, wenn sie denn kommen sollte, möglichst unterirdisch verlegt werden, statt an etwa 60 Meter hohe Freileitungsmasten. So werde geringer in das Landschaftsbild eingegriffen und das "Schutzgut Mensch" gebührend berücksichtigt, heißt es im Ratsbeschluss.

Erdkabel hätte Nachteile für die Vegetation

"Was auf den ersten Blick vielleicht schöner aussieht, kann langfristig auch Probleme bringen", sagt Kai Schulz, Gemeindedirektor in Hollern-Twielenfleth. "Eine Erdverkabelung ist technisch zwar möglich, aber entlang einer solchen Erdtrasse könnte zum Beispiel die Vegetation extrem beeinflusst werden", gibt Schulz zu bedenken.

Das bestätigt Cornelia Junge, Sprecherin der "Tennet", die als Netzbetreiberunternehmen für den Trassenbau zuständig ist. "Um dieselbe Übertragungskapazität wie bei einer so genannten zweisystemigen Freileitung zu erreichen, müssen vier Kabelsysteme mit je drei Leitungen verlegt werden."

Für den Bau einer Erdtrasse wäre eine Arbeitsgasse von rund 45 Metern Breite nötig, so Junge. Sind die Kabel dann verlegt, die Baustraßen wieder rückgebaut und mit Mutterboden aufgefüllt, bleibt über den Erdkabeln immer noch ein mindestens 15 Meter breiter Streifen, auf dem weder etwas gepflanzt werden darf, noch anderweitige Nutzungen möglich sind, so Junge.

"Der Zugang zu den Erdkabeln muss an jeder Stelle gewährleistet bleiben, um eventuelle Störungen schnell zu beheben", erklärt Junge den technischen Hintergrund. Ihre Wartung sei zudem deutlich aufwendiger als die der Hochspannungsfreileitungen, unter denen in festgelegten Abständen Felder bestellt werden können und andere Flächennutzungen möglich sind. Im Normalfall würden Erdkabel in einer Mindesttiefe von etwa 1,5 Metern verlegt, aber auch bis zu drei Metern Verlegungs-Tiefe seien unter bestimmten örtlichen Voraussetzungen, etwa unter Straßen oder Flüssen, nötig.

Bestimmte technische Besonderheiten würden das Erdkabel etwa um das Vier- bis Siebenfache teurer machen wie die zurzeit geplante Variante. Zu diesen Besonderheiten gehört, dass ein sogenanntes Übergangsbauwerk erforderlich wäre, in dem der Strom von den Masten unter die Erde geführt werden würde. "Ähnlich wie Umspannwerke muss man sich diese vorstellen, weil eine Freileitung nicht einfach in die Erde fortgeführt werden kann", erklärt Cornelia Junge.

Das Erdkabel wäre das erste dieser Art im Landkreis Stade

Und noch ein Problem gibt es: "Wir haben im Landkreis Stade überhaupt noch keine Erfahrungswerte über Vor- und Nachteile von Erdkabeltrassen für Hoschspannungsgleichstromübertragung", sagt Lothar Giesler, Leiter des Bauordnungsamt des Landkreises Stade. "Denn es gibt hier noch keine 380 000-Volt-Erdkabeltrassen".

Bisher wird die Technologie der Erdkabel, die für Hollern-Twielenfleth im Gespräch ist, vor allem dazu eingesetzt, Strom von den Offshoreanlagen unter dem Meeresboden zum Festland zu transportieren.

Nach Aussage der Tennet würden die Kosten umgelegt werden

Bleibt die Frage, wer das um ein Vielfaches teurere Erdkabel schließlich bezahlen würde, wenn die Planfeststellungsbehörde in Hannover dem Wunsch der Hollern-Twielenflether nachkommt. Kreisbaurat Hans-Hermann Bode sagt dazu: "Die Mehrkosten müsste der Vorhabenträger, die Tennet, tragen. Es ist nicht auszuschließen, dass das dann am Ende auf alle Verbraucher umgelegt wird."

Das bestätigt Cornelia Junge von der Tennet: "Die Kosten würden auf die Verbraucher umgelegt werden. Die Einzelheiten regelt die Bundesnetzagentur."