Die benötigte neue Hochspannungsleitung soll möglichst nicht über Wohngebiete verlaufen. Kontroverse Debatten und die Trasse

Hollern-Twielenfleth/Agathenburg. Spannungsgeladen und kontrovers sind die Debatten über eine neue 380 000-Volt-Trasse vom Umspannwerk Dollern über Agathenburg und Hollern-Twielenfleth bis zum geplanten Steinkohlekraftwerk zwischen Melau und Wöhrden. Heute Abend stimmt der Gemeinderat Hollern-Twielenfleth über seine Empfehlungen im Planfeststellungsverfahren ab.

"Wir sehen das ganze Projekt mit großem Unwohlsein", sagte Hollern-Twielenfleths Bürgermeister Jürgen Meyer (CDU) bereits bei einer Informationsveranstaltung der Netzbetreiberfirma "Tennet" in Agathenburg. Wie die Stellungnahme der CDU ausfallen werde, wollte Meyer der Ratssitzung nicht vorwegnehmen. Nur so viel: "Die Hochspannungsleitung über das Gewerbegebiet am Speersort zu führen, empfinden wir als störend. Wir sehen Alternativen, und unsere Fraktion stellt sie in der Stellungnahme zu den Plänen vor."

Klarer formuliert Ratsherr Stefan Schimkatis die Position der SPD: "Wir sind gegen diese Trasse, allenfalls wäre eine Erdverkabelung eine Lösung. Wir sind, anders als unsere Stader Genossen, auch gegen das geplante Kraftwerk. Käme das Kraftwerk nicht, wäre auch eine neue Trasse nicht nötig."

Die geplanten, 60 Meter hohen Masten würden das Landschaftsbild erheblich stören, sagte Ingrid Meyer-Schmeling von der "Bürgerinitiative Stade-Altes Land gegen den Kraftwerksbau" beim Info-Abend in Agathenburg. "Wir haben den Wind vor der Tür und genug Fläche für mehr Windräder", ist Meyer-Schmeling überzeugt. Ihr Ehemann sitzt für die SPD im Gemeinderat Hollern-Twielenfleth.

Mit leichtem Grummeln gehe man in die Abstimmung, so Wolfgang Gruber von der Freien Wählergemeinschaft (FWG) Hollern-Twielenfleth. "Zähneknirschend werden wir für eine unterirdische Trasse stimmen. Denn der Standort für das neue Kraftwerk ist rechtlich von der Genehmigungsbehörde gesichert. Wir werden das deshalb hinnehmen müssen." Gruber sieht vor Ort eine gewaltige Bündelung von Eingriffen in die Landschaft. "Autobahn, Bahnstromtrasse, Kohlekraftwerk und dann noch die Hochspannungsleitung, das ist wirklich viel." Dennoch sei die Bevölkerung vor Ort zwiegespalten, so der FWG-Ratsherr. "Immer mehr Strom wird gebraucht, und viele Menschen haben in unserer Region auch gut vom Kraftwerk gelebt. Wenn aber, wie ich gehört habe, auch noch zwei große Kühltürme für das Kohlekraftwerk bei Wöhrden erwägt werden, ist das Landschaftsbild vollends hin", sagt Gruber.

Ähnlich argumentiert auch Gerhard Froelian, Bürgermeister der Samtgemeinde Horneburg, die mit den beiden Gemeinden Dollern und Agathenburg besonders von der geplanten rund 14 Kilometer langen Trasse betroffen ist. "Wir haben in Agathenburg eine starke Ballung von vielen Netzen verschiedener Betreiber, die dicht an der Wohnbebauung entlang führen. Einerseits sind die Energiebedürfnisse der Bürger sehr groß, bloß niemand will die Stromleitungen vor der Nase haben", sagt Froelian. "Ich verstehe auch Tennet, die haben die Richtwerte über Abstände zu bebauten Gebieten vom Gesetzgeber und daran halten sie sich", sagt Froelian. "Die Bundesgesetzgeber sollten eine Einigkeit im Leitungsnetz anstreben, alle Energieversorger und Netzbetreiber an einen Tisch bringen, damit nicht alles zulasten der Bürger geht", sagt Froelian.

Diesen Tenor zeigt fraktionsübergreifend auch die jüngste Abstimmung des Agathenburger Rates. "Wir möchten in jedem Fall den Abstand der Stromtrassen zu den Wohngebieten vergrößern", sagt Agathenburgs Bürgermeister Gerd Allers von der Wählergemeinschaft (WG). "Etwa 20 Familien wohnen sogar direkt unter der bestehenden 22 000-Volt-Trasse." Einstimmig war der Rat auch dafür, eine Erdverkabelung als Alternative zu den Hochspannungstürmen prüfen zu lassen. Ob die neue 380 000-Volt-Leitung tatsächlich wie in den vorliegenden Plänen genehmigt wird, entscheidet nach der Auslegungsfrist die Niedersächsische Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr.

"Kommt es dann zum neuen Trassenbau, werden wir vorab umfangreiche Beweissicherungen für unsere Straßen und die erst 2006 mit erheblichen Gemeindemitteln sanierten Wirtschaftswege veranlassen", sagt Allers. Denn für die neuen Freileitungsmasten müssten mit schwerer Technik 20 Meter tiefe Fundamente im Moorgebiet zwischen der Bahntrasse und der Autobahn 26 gesetzt werden, so Allers. Und der wichtigste Aspekt für Allers: "Kommt es zum Trassen-Bau, würde Tennet für Eingriffe ins Landschaftsbild 482 500 Euro als Ausgleich an den Landkreis Stade zahlen. Es wäre richtig, davon auch Geld dorthin fließen zu lassen, wo die Menschen betroffen sind."