Eine Glosse von Ralph Klingel-Domdey

Also, mich macht das wirklich langsam krank. Alle Welt schnieft und stöhnt. Über Husten, Kopfweh, Heiserkeit. Ob beim Bäcker, im Bus oder im Büro - überall scheinen die gemeinen Grippeviren zu lauern. Allein die Angst davor ist ansteckend. Mit weitreichenden Folgen.

In der S-Bahn zum Beispiel teste ich mit anderen Fahrgästen um die Wette meinen Gleichgewichtssinn - wer kommt in diesem Waggon ohne den Griff nach der virenverseuchten Haltestange aus? Oder Rolltreppen: Selbst auf besonders schnellen Exemplaren balanciere ich gekonnt, statt Finger am Handlauf anzulegen.

An die Tastatur meines Computers lasse ich natürlich niemanden mehr ran. Hat sich der Kollege nicht gerade noch ausgeschnupft, bevor er mir sein Traumhaus am Mittelmeerstrand zeigen wollte? Und was ist mit den E-Mails, die im Minutentakt in mein Postfach flattern? Wenn ich die öffne, erwischt mich am Ende noch ein Computervirus.

Natürlich begrüße ich die Kollegen weiter freundlich, aber niemals per Handschlag. Und endlich habe ich auf Partys einen guten Grund, vor den Küsschen-links-, Küsschen-rechts-Attacken zurückzuweichen. Die sind so nervig wie eh und je, aber zurzeit besonders gefährlich.

Während ich so allein in der Ecke stehe, denke ich über einen Impfstoff gegen Viren-Panik nach. Denn schlimmer als ein Schnupfen wird irgendwann die Angst davor. Schließlich macht auch Einsamkeit krank.